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Offenbar enttäuschte Hoffnungen: Viele verweigerten den Bezug der eigens aufgestellten Messehallen, einige schliefen lieber im Freien, manche reisten auf eigene Faust ab – zudem wurde mit Hungerstreik und Sitzstreik vor dem Rathaus gedroht 

Von Tobias Zell 

Das hatte man sich von Seiten des Pfaffenhofener Landratsamts ganz anders vorgestellt. Und von Seiten der Flüchtlinge offensichtlich auch. Eilends waren übers Wochenende im Vohburger Ortsteil Rockolding drei beheizte Messe-Hallen aufgestellt worden, um den kurzzeitigen Engpass bei den Unterkünften für Asylbewerber zu überbrücken. Fieberhaft sei gearbeitet worden, hieß es aus der Kreisbehörde – denn bis zum gestrigen Montag musste alles weitgehend fertig sein. Bis Weihnachten kommen bekanntlich insgesamt rund 80 Flüchtlinge an, die hier ein Dach über dem Kopf finden sollen. Doch einem Großteil der bislang gut 60 in Rockolding angekommenen Leute passt die ihnen zugedachte Unterkunft nicht. Viele verweigerten zunächst den Bezug der Hallen, ein paar verbrachten aus Protest gar die Nacht lieber im Freien, manche reisten auf eigene Faust bereits wieder ab.

Unmut unter den mutmaßlich vor Krieg, Gewalt und Terror geflohenen Leuten kam schon gestern auf, als die zuvor in Fürstenfeldbruck beziehungsweise München untergebrachten Personen – hauptsächlich Syrer und Afghanen – nach ihrer Anreise mit dem Zug schließlich in Rockolding eingetroffen waren. Im Laufe des Tages waren noch Betten aufgestellt sowie der Aufenthalts- und Speiseraum eingerichtet worden. Ein sozialer Dienstleister übernimmt die Betreuung und Verpflegung, ein Sicherheitsdienst ist rund um die Uhr vor Ort. Doch die Flüchtlinge hatten sich das offensichtlich alles ganz anders vorgestellt.

Läuft nicht, wie geplant: Landrat Martin Wolf vor einer der drei Hallen in Rockolding.

Eine Gruppe von zirka 40 jungen Männern aus Syrien weigerte sich nach Angaben des Landratsamts, die Unterkunft zu betreten. „Sie brachten durch einen Sprecher zum Ausdruck, dass sie in München untergebracht werden wollen, um dort zu studieren und zu arbeiten“, berichtet die Kreisbehörde. Die Männer protestierten, drohten später mit einem Hungerstreik sowie mit einem Sitzstreik vor dem Rathaus. Und weigerten sich, die Betten in den beheizten Hallen zu beziehen. 

Im Laufe der Nacht habe sich die Lage zwar beruhigt, heißt es. Die meisten zog es mit fortgeschrittener Stunde und sinkenden Temperaturen dann doch nach drinnen. Einige aber verbrachten aus Protest die Nacht lieber im Freien als in der beheizten Halle. Und heute gingen die Diskussionen weiter. 

Vor Ort waren neben Landrat Martin Wolf (CSU) und dem hiesigen Bürgermeister Martin Schmid (SPD) auch mehrere Mitarbeiter des Landratsamts und der Caritas sowie der evangelische Pfarrer Reinhard Wemhöner und mehrere Beamte der zuständigen Polizeiinspektion aus Geisenfeld. „Offenbar war den jungen Männern vor ihrer Einreise wesentlich mehr an Möglichkeiten in Aussicht gestellt worden, als sie jetzt in Deutschland vorfanden“, fasst ein Sprecher des Landratsamts die enttäuschten Hoffnungen der Flüchtlinge zusammen, die allem Anschein nach der Grund für Unmut und Protest sind.

Der Catering- und Küchenbereich: Landrat Wolf informiert sich über die Lunch-Pakete, die die Flüchtlinge bekommen.

„Dem Vernehmen nach geht es dem Personenkreis, der nach der Einreise in Deutschland zunächst in der Bayernkaserne in München und dann in Fürstenfeldbruck untergebracht war, nicht schnell genug in Sachen Studium und Arbeitsaufnahme“, heißt es aus dem Landratsamt. Insofern seien bei der Protest-Aktion auch Frustration und enttäuschte Hoffnungen mit im Spiel. 

Die Enttäuschung war jedenfalls so groß, dass manche nicht nur lieber im Freien übernachteten, sondern dass auch Essen auf dem Boden landete – und dass sich einige kurzerhand aus dem Staub machten. Von Seiten des Landratsamts wurde gegenüber unserer Zeitung bestätigt, dass mehrere Flüchtlinge aus Protest und in Eigenregie abgereist sind. Wohin, das wisse man nicht. Man vermutet, dass sie nach  München wollen.

Landrat Wolf der wie Bürgermeister Schmid sowohl gestern als auch heute vor Ort war, erklärte: „Diese Gruppe kam mit völlig falschen Erwartungen.“ Die Unterkunft in Rockolding sei sicher keine spürbare Verbesserung zu München und Fürstenfeldbruck, räumt er ein. „Es geht aber im Moment nicht anders.“ Für das Personal vor Ort sei die Situation eine besondere Herausforderung. „Die Helfer bewegten die Männer zunächst, zur Ruhe zu kommen, die Unterkunft zu beziehen und dann gemeinsam mit den zuständigen Betreuern ihre Vorstellungen zu besprechen.“

 

Zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts waren heute vor Ort, um festzustellen, ob minderjährige unbegleitete Flüchtlinge unter den Personen sind – die werden gegebenenfalls im Rahmen der Jugendhilfe untergebracht und betreut.

Angesichts der Aufregung will Wolf betont wissen: „Ich stelle ganz klar fest: Die Unterkunft ist in Ordnung. Es gibt eine geregelte Essensversorgung, das Zelt ist ausreichend beheizt und durch die Schrank-Abtrennungen ist der Persönlichkeitsschutz in der Unterkunft sogar besser als in anderen Unterkünften.“ Manchmal sei Helfen gar nicht so einfach, so Wolf. „Das Problem ist, dass wir kurzfristig die Vorstellungen der Menschen und die Möglichkeiten, die wir im Rahmen des Verfahrens haben, nicht in Einklang bringen können.“

In einer Pressemitteilung erklärte Wolf heute: „Wir werden das mit den Asylbewerbern und gegebenenfalls zuständigen Stellen klären, brauchen dazu jedoch eine gewisse Zeit.“ Er hoffe, dass die Leute ein wenig Geduld aufbringen. „Wir haben viel Verständnis für die Situation der Asylbewerber und Flüchtlinge und sind auch gastfreundlich“, sagt Wolf, betont aber zugleich: „Wenn es den jungen Männern jedoch bei uns im Landkreis nicht gefällt, muss man sehen, wo sie bleiben können. Wir werden sie nicht aufhalten.“ 

Inzwischen haben offenbar weitere Flüchtlinge eingelenkt. Lehnten manche zunächst noch die Annahme des Taschengelds ab, weil sie ja nicht hier bleiben wollen, wurde heute Nachmittag dann doch nach „Money“ gefragt. Das soll es für die, die es im ersten Anlauf abgelehnt haben, nun morgen geben.

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