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Die peinliche Affäre um die Erweiterung des Pfaffenhofener Landratsamts geht weiter – und birgt neuerlichen Zündstoff. Heute Nachmittag soll der Bau- und Vergabeausschuss einen Prüfungsbericht behandeln, den praktisch keiner kennt

Von Tobias Zell 

Wenn heute Nachmittag (14.30 Uhr im Rentamt) der Bau- und Vergabeausschuss des Pfaffenhofener Kreistags zusammentritt, geht es mal wieder um die Giebel-Affäre in Zusammenhang mit der Erweiterung des Landratsamts. Denn inzwischen liegt der Entwurf des Berichts vor, der beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BKPV) in Auftrag gegeben worden war. Und daraus geht hervor, dass das leidige Thema noch längst nicht ausgestanden ist. Denn nach Einschätzung des BKPV ist der Vergleich, der damals mit dem klagenden Nachbarn geschlossen wurde, schwebend unwirksam. Und zwar, weil gar kein politischer Beschluss zur Annahme dieses Vergleichs gefasst wurde. Abgerissen wurde der Giebel bekanntlich trotzdem. Die durch die Giebel-Episode angefallenen Mehrkosten werden nun übrigens auf gut 90 000 Euro beziffert.

Neuen Zündstoff birgt das Thema jetzt gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen wäre es nicht weniger als die Fortsetzung der ohnehin peinlichen Geschichte, wenn tatsächlich der Abschluss des Vergleichs sowie der daraus resultierende Abriss des Giebels erfolgt wären, ohne einen politischen Beschluss dafür zu haben. Und genau danach sieht es wohl aus. Denn das Gremium soll heute – so steht es in der Sitzungsvorlage – beschließen, dass ihm in der kommenden Sitzung ein Beschlussvorschlag zur Annahme des Vergleichs vorgelegt wird. 

Was steht in dem Bericht?

Doch damit nicht genug: Die Mitglieder des Bau- und Vergabeausschusses sollen sich heute Nachmittag mit dem Berichtsentwurf des BKPV befassen – obwohl sie diesen gar nicht kennen. Der Bericht, der nach Angaben des Landratsamts rund 30 Seiten umfasst, wurde nämlich nicht herausgegeben, wie eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage sagt. Die Kreisräte hätten aber Gelegenheit zur Einsichtnahme gehabt, heißt es. Soweit die Theorie. Denn praktisch wurden sie nach Informationen unserer Zeitung erst vorgestern von diesem Angebot informiert – und das, obwohl der Berichtsentwurf bereits am 7. Mai im Landratsamt eingegangen ist.

Eine Kreisrätin hat das kurzfristige Angebot zur Einsichtnahme angenommen, sagt die Behörden-Sprecherin. Daraus muss man also schließen: Alle anderen Kreispolitiker wissen nicht, was auf diesen 30 Seiten steht. Öffentlich gemacht wurde vom Landratsamt mit der heutigen Sitzungsvorlage lediglich eine Zusammenfassung. Die wurde allerdings von der Kreisverwaltung selbst erstellt und umfasst nicht mal eine DIN-A4-Seite. 

Auch deshalb kündigt die SPD-Fraktion gegenüber unserer Zeitung bereits im Vorfeld der heutigen Sitzung an, dass sie „dieses Spiel nicht mitmachen“ werde, wie Fraktions-Vize und SPD-Kreischef Markus Käser es formuliert. „Die vorliegenden Informationen reichen nicht aus, um das Thema zu behandeln“, moniert er und fordert von Landrat Martin Wolf (CSU), er solle – wie versprochen – den gesamten BKPV-Bericht herausgeben. „Mit einer vom Landratsamt geschriebenen Zusammenfassung geben wir uns nicht zufrieden“, sagt Käser. Das Thema müsse „lückenlos und sauber“ aufgeklärt werden. „Und das können wir nicht binnen fünf Minuten im Bauausschuss.“

SPD fordert: "Das gehört in den Kreistag"

Käser & Co. sind obendrein auch der Meinung, dass der Bau- und Vergabeausschuss gar nicht das richtige Gremium ist, um das Thema zu behandeln. „Das gehört in den Kreistag, weil es sich um eine rechtliche Angelegenheit handelt“, sagt er. Und wenn Landrat Wolf diesen Schritt nicht von sich aus gehe, werde die SPD andere Wege gehen und das rechtlich prüfen lassen. Wolf brauche nicht meinen, dass man jetzt „schnell, schnell“ ein Ei über die Sache schlage, so Käser. „Wir müssen uns dem Thema schon ganz genau widmen.“

Für die SPD geht es dabei nicht zuletzt um zwei zentrale Punkte, die „angesichts ihrer Dimension“ im Kreistag behandelt werden müssten, sagt Käser. Man müsse noch einmal über „diese Eigenmächtigkeiten“ reden. Und zwar zum einen bezüglich des aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht eingehaltenen Baustopps. Und zum anderen über den Vergleich und den folgenden Giebel-Abriss, der offenbar ohne Beschluss erfolgte. „Dieses ganze Vorgehen muss ganz genau angeschaut werden“, so Käser. Und dabei gehe es dann auch um die Frage, ob der Bauausschuss überhaupt das richtige Gremium sei. 

Zum Hintergrund

In der Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses vom 30. Juli 2014 war beschlossen worden, den BKPV mit einer Sonderprüfung der zusätzlichen Kosten wegen des Giebel-Rückbaus zu beauftragen. Mit Schreiben vom 4. August wurde der Prüfungsverband laut Landratsamt um entsprechende Prüfung gebeten. Am 7. Mai 2015 sei nun der Berichtsentwurf bei der Landkreisverwaltung eingegangen. Es bestehe die Möglichkeit, bis 20. Mai Stellung zu nehmen. Sollte bis dahin keine Äußerung des Landkreises erfolgen, werde der endgültige Bericht unverändert zugestellt. Der 20. Mai ist – heute. Die Frage ist nun aber: Wie sollen sich die Mitglieder des Ausschusses zu dem Bericht äußern, wenn sie ihn gar nicht vorliegen haben und gar nicht kennen? Und die zweite Frage ist: Ist der Ausschuss überhaupt das maßgebliche Gremium? 

"Nichts weiter veranlasst"

Im Landratsamt hat man in den vergangenen Tagen über dem BKPV-Bericht gebrütet. Ergebnis: „Nach Durchsicht des 30-seitigen Prüfungsberichtes ist von Seiten der Landkreisverwaltung nichts weiter veranlasst, so dass der endgültige Bericht unverändert ausgefertigt werden kann“, heißt es in der Sitzungsvorlage, in der sich auch die vom Landratsamt verfasste Zusammenfassung des Entwurfs findet. Im Wesentlichen wurden demnach vom BKPV folgende Feststellungen getroffen, die wir nachfolgend im Wortlaut der Kreisbehörde wiedergeben:

  • Ein Beschluss zur Annahme des Vergleichs wurde vom zuständigen Bau- und Vergabeausschuss des Landkreises nach Ansicht des Prüfungsverbandes nicht gefasst. Der Vergleich ist somit schwebend unwirksam. Es wird empfohlen, einen entsprechenden Beschluss zu fassen.
  • Die in Verbindung mit dem Giebelrückbau angefallenen Mehrkosten betragen nach der für den Prüfungsverband plausiblen Zusammenstellung des Büros Köhler vom 05.02.2015 und den von der Kreisfinanzverwaltung zu den Rechtsanwaltskosten übergebenen Informationen insgesamt 90 228,16 Euro (Brutto), die sich aus den Mehrkosten für Bauarbeiten in Höhe von 76 275,99 Euro und den Kosten für Rechtsanwälte in Höhe von 13 952,17 Euro zusammensetzen.
  • Eine Haftung des vom Landkreis beauftragten Büros Köhler Architekten für die angefallenen Mehrkosten aufgrund einer nicht genehmigungsfähigen Planung kommt nach Ansicht des Prüfungsverbandes in Betracht. Das Büro hat die Genehmigungsplanung mit dem Giebel unstrittig erstellt. Das Verwaltungsgericht München hielt diese Planung sowohl im Beschluss vom 30.01.2014 als auch im Ortstermin am 23.07.2014 in diesem Punkt für nicht genehmigungsfähig, da die für die Verwirklichung des Giebels erforderliche Befreiung von den Abstandsflächenregelungen als rechtswidrig angesehen wurde. Die entstandenen baulichen Mehrkosten beruhen kausal auf der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Planung. Wegen verbleibender rechtlicher Risiken empfiehlt der Prüfungsverband dem Landkreis, Verhandlungen mit dem Architekturbüro Köhler über eine zumindest anteilige Tragung der entstandenen Mehrkosten zu führen und einen Vergleich abzuschließen.
  • Die Verfolgung eines dem Grund nach in Betracht kommenden Haftungsanspruchs gegen den Freistaat Bayern wegen rechtswidriger Erteilung der Baugenehmigung erscheint angesichts der Möglichkeit des Landkreises, den Schaden gegenüber dem Architekten geltend zu machen, wegen des Verweisungsprivilegs des § 839 Abs.1 Satz 2 BGB nicht erfolgversprechend.

Fehlt der Beschluss zu Vergleich und Abriss?

Das Fazit des BKPV lautet, so fasst es die Kreisbehörde zusammen: „Zunächst sollte der Landkreis den prozessual wirksamen Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgericht München abklären. Als zweiter Schritt sollte ein genehmigender Beschluss des Bau- und Vergabeausschusses zur Annahme des Vergleichs erfolgen. Des Weiteren wird dem Landkreis empfohlen, Verhandlungen mit dem Architekten und gegebenenfalls auch mit dem Freistaat Bayern aufzunehmen, um eine Beteiligung an den entstandenen Kosten zu erreichen.“

Die Verwaltung unterbreitet jedenfalls dem Bau- und Vergabeausschuss für die heutigen Sitzung folgenden Beschlussvorschlag:

  1. Ein Beschlussvorschlag zur Annahme des Vergleichs wird dem Bau- und Vergabeausschuss in der nächsten Sitzung entsprechend vorgelegt.
  2. Der Landkreis wird mit dem Architekturbüro Köhler Verhandlungen aufnehmen, um eine zumindest anteilige Tragung der entstandenen baulichen Mehrkosten in Höhe von 76 295,99 Euro im Rahmen eines Vergleiches zu erreichen.
  3. Des Weiteren werden Verhandlungen mit dem Freistaat wegen einer Beteiligung an den entstandenen Kosten aufgenommen. Die Erfolgsaussichten werden von Seiten des Prüfungsverbandes allerdings als gering eingestuft.
  4. Ferner wird über die Kassen- und Vermögenseigenschadenversicheung des Landkreises unter Vorlage des Prüfungsberichtes versucht, einen möglichen Schadensausgleich zu erhalten.

Darum geht es bei der Giebel-Affäre

Der umstrittene Giebel, den sich das Landratsamt zum Hofberg hin selbst genehmigt und gegen den ein Nachbar wegen der Schattenwirkung geklagt hatte, musste letztlich abgerissen werden. Damit verschwand das Symbol der Peinlichkeit, das den Landkreis sogar bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hatte. Für die ZDF-Sendung „Länderspiegel“ war der Giebel der „Hammer der Woche“. Am 19. September musste der Aufsehen erregende Giebel weg, wurde abgebaut.

Der Rückbau war das Ergebnis eines im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsverhandlung angebahnten Vergleichs. Vermutlich wäre aber ein Urteil nicht anders ausgefallen. Denn die Vertreter des Verwaltungsgerichts hatten bei ihrem Ortstermin ja unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich in ihrer Eilentscheidung, mit der sie auf Klage des Nachbarn hin einen Baustopp verhängt hatten, bestätigt sahen. Und damit war freilich klar: Hier gibt es für den Landkreis als Bauherrn wohl wenig zu gewinnen. Weshalb man von Seiten der Kreisbehörde dann auch eher kleinlaut zum Rückzug blies und dem Giebel-Abriss zustimmte. Daraufhin wurde der Giebel durch eine Dachschräge ersetzt  – dann passt es mit den Abstandsflächen zum Nachbarhaus wieder.

Der Nachbar hatte Klage gegen den Giebel eingereicht, weil der einen Schatten auf sein Haus warf. Rein Formal ging es dabei weniger um den Schatten, sondern um nicht eingehaltene Abstandsflächen. Diese Ausnahme hatte sich das Landratsamt kurzerhand selbst genehmigt. Als die Verwaltungsrichter dann im Juli anrückten, um den Fall vor Ort in Augenschein zu nehmen, wurde noch eine zweite Peinlichkeit offenbar. Es kam nämlich zu Tage, dass man im Landratsamt den gerichtlich verhängten Baustopp schlichtweg ignoriert und an dem streitgegenständlichen Gebäudeteil fleißig weitergewerkelt hatte. Die Vorsitzende Richterin jedenfalls meinte damals, so etwas habe sie noch nicht erlebt. Und der vom Landkreis engagierte Anwalt erklärte den ignorierten Baustopp zur allgemeinen Verwunderung damit, dass man den Gerichtsbeschluss "anders gelesen" habe.


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