In dem Reichertshofener Ortsteil sollen auf einer Ausgleichsfläche zwei ökologisch wertvolle, feuchte Senken entstehen – die Bürger befürchten Tümpel und schreckliche Mückenplagen und wehren sich gegen den Aushub. Morgen früh kommt es zum Ortstermin
Von Tobias Zell
Im beschaulichen Reichertshofener Ortsteil Gotteshofen geht die Angst um. Die Angst vor schrecklichen Mückenplagen. Denn nur einen Steinwurf entfernt vom Wohngebiet sollen am Ortsrand zwei ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden, in denen mitunter das Wasser steht. Nun hat zwar niemand etwas gegen Ausgleichsflächen an sich, doch die im konkreten Fall geplante Ausgestaltung derselben sorgt bei manchem schon vorab für Juckreiz.
Denn auf der 0,87 Hektar großen Wiese, um die es geht, sollen zwei jeweils 20 auf 20 Meter große und zehn Zentimeter tiefe Seigen, sprich: Bodensenken, angelegt werden. Im Landratsamt spricht man von einer „wesentlichen Aufwertung“ im Sinne des Naturschutzes. Unter Anwohnern nennt man es Anlage zur Mücken-Aufzucht und befürchtet einen Verlust von Lebensqualität – durch die drohende Teufelsbrut von Gotteshofen.
Hintergrund der ganzen Aufregung sind Baumaßnahmen im Gewerbegebiet Ronnweg II, für die ökologische Ausgleichsflächen nötig sind. Das ist soweit keine große Sache, weil ein ganz normaler Vorgang. Wenn zum Beispiel durch die Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets Naturflächen verloren gehen, dann müssen andernorts so genannte Ausgleichsflächen geschaffen werden. Im vorliegenden Fall geht es um insgesamt 1,4 Hektar, die es nachzuweisen gilt. 0,87 Hektar davon will die Gemeinde auf den beiden in ihrem Besitz befindlichen Wiesen ausweisen, um die es bei dem ganzen Wirbel geht.
Dass die besagten 8700 Quadratmeter als naturnahe Ausgleichsfläche genutzt werden sollen, ist indes keinesfalls neu. Bürgermeister Michael Franken (JWU) verweist im Gespräch mit unserer Zeitung auf einen entsprechenden Gemeinderats-Beschluss vom Juli 2012 und ist deshalb „mehr als verwundert“, woher jetzt – weit über zwei Jahre später – die ganze Aufregung kommt. Zumal, wie Franken erinnert, die Ausgleichsflächen damals nicht nur in einem eigenen Tagesordnungspunkt behandelt, sondern auch ohne Gegenstimme abgenickt worden seien.
Möglicherweise haben sich die Kommunalpolitiker aber damals gar nicht so genau angeschaut, wofür sie da eigentlich die Hand heben. „Die meisten waren sich eben nicht bewusst, dass sie darüber abstimmen“, wird CSU-Gemeinderat Johann Felber in einem Medienbericht über die jüngste Sitzung zitiert. Und Franken hat demnach gekontert: „Das sind aber eigentlich die wichtigen Sachen.“ Aber da werde geplärrt: „Weiter!“, anstatt sich Zeit zu nehmen und sich das anzuhören.
Hier sollen die beiden je 20 auf 20 Meter großen und zehn Zentimeter tiefen Senken entstehen. Im Hintergrund das Wohngebiet.
Ins Bewusstsein gerückt ist die umstrittene Ausgleichsfläche jetzt, nachdem dort kürzlich mit Pflöcken dokumentiert worden ist, wo – und dass – diese beiden Seigen entstehen sollen: zwei je 20 auf 20 Meter große, zehn Zentimeter tiefen Senken mit flach auslaufenden Ufern. Im Sinnes des Naturschutzes solle das Areal durch diese kleinen Boden-Abschürfungen „wesentlich aufgewertet“ werden, erklärt Landratsamt-Sprecher Karl Huber die Intention der Unteren Naturschutzbehörde. Ziel des ökologischen Ausgleichs sei es ja, wieder den Zustand herzustellen, der vor der intensiven Bewirtschaftung vorgeherrscht habe. Und das sind hier, in den Paar-Auen, halt feuchte Wiesen, die nicht intensiv bewirtschaftet werden, sondern lediglich einmal im Jahr gemäht.
Bei der Unteren Naturschutzbehörde habe man, sagt Huber, auch nicht die Erfahrung gemacht, dass in diesen Seigen Tümpel entstehen. In den Mulden werde nicht das ganze Jahr über Wasser stehen, sondern nur bei höherem Pegelstand der Paar. Ansonsten prophezeit man von Seiten der Kreisbehörde eher „Pfützen“, in denen heimische Vögel natürliche Nahrung finden. Und die Bedenken der Anwohner bezüglich drohender Mückenplagen teilt man im Landratsamt auch nicht. Erfahrungsgemäß käme das – mit wenigen Ausnahmen – nicht vor.
In Gotteshofen sieht man das anders. Rund 80 Bürger haben bereits Mitte November einen offenen Brief an den Bürgermeister unterschrieben, in dem sie ihrem Unmut Luft gemacht haben. Denn sie finden, dass die geplante Maßnahme sie „besonders hart“ trifft und sehen ihre Wohnqualität erheblich beeinträchtigt: „Durch den Abtrag von Erdreich und damit der Vertiefung wird bei Paar-Austritt, der häufig ist, eine verstärkte Brutstätte für Mücken und andere Insekten geschaffen.“ Dabei habe man jetzt schon mit Mückenplagen extrem zu kämpfen. Zudem verweisen die Bürger darauf, „dass der Markt Reichertshofen für Gotteshofen und seine Bürger bisher keinerlei Maßnahmen für Hochwasserschutz getroffen hat“.
Gebeten wurde in dem Schreiben auch um einen öffentlichen Ortstermin. Und der findet nun morgen Vormittag statt, wie Bürgermeister Franken gegenüber unserer Zeitung bestätigt. Neben ihm selbst wird eine Vertreterin der Unteren Naturschutzbehörde anwesend sein, um die Bürger darüber zu informieren, was genau man nun mit der Wiese vorhat – und warum. Treffpunkt ist um 9 Uhr am Spielplatz an der Gotteshofener Straße. Die Bürger sollen dann auch Gelegenheit haben, ihre Sorgen und Bedenken vorzubringen, versichert Franken.
Im Ort begrüßt man zwar grundsätzlich, dass es nach dem Brandbrief immerhin zu dem Termin kommt, so richtig große Begeisterung herrscht aber nicht. „Dass am Freitagvormittag um 9 Uhr nur wenige Bürger so kurzfristig Zeit haben werden, zeigt deutlich, wie unglücklich der Termin gelegt wurde“, sagt uns einer. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das ist bewusst, so gewählt, um wenige Bedenkenträger vor Ort zu haben“, vermutet er.
Was die Gotteshofener wollen, fasst einer so zusammen: „Wir haben nichts gegen diese Ausgleichsfläche. Es darf nur nicht gegraben werden, um dann die Wiese dauerhaft unter Wasser zu setzen. Damit wären alljährliche Mückenplagen im gesamten angrenzenden Wohngebiet vorgeplant. Wie dies dann eine Aufwertung darstellen kann, versteht in Gotteshofen niemand.“
Bürgermeister Franken will nun erst einmal abwarten, was der Termin morgen bringt. „Dann werden wir sehen, ob wir das Thema noch einmal im Gemeinderat diskutieren sollen, wollen oder müssen“, sagte er heute gegenüber unserer Zeitung. Er lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass sein Seelenheil nicht davon abhängt, ob nun auf dieser Wiese zwei Wasser-Mulden gegraben werden oder nicht. „Für die Entwicklung der Gemeinde Reichertshofen ist das sicher nicht entscheidend“, betont er und lässt schon mal durchblicken, dass hier das letzte Wort nicht gesprochen sein muss.
Bislang liege ihm allerdings noch kein entsprechender Antrag vor, sagt Franken. Und so lange der vom Gemeinderat gefasste Beschluss gilt, sei es Aufgabe von ihm und der Verwaltung, diesen umzusetzen. Natürlich könnte das Gremium seinen Beschluss von damals revidieren. Das wäre zwar etwas aufwändig und hätte möglicherweise auch eine Änderung des Bebauungsplans zur Folge, ist aber kein Ding der Unmöglichkeit. Auch im Landratsamt bestätigt man: Die Gemeinde kann freilich auch andere Ausgleichsflächen anbieten.
Der Bürgermeister sieht das Ganze emotionslos. Er verweist zwar darauf, dass die umstrittenen Gotteshofener Ausgleichsflächen im so genannten FFH-Gebiet liegen und dass das natürlich besonders gut passen würde. Aber an ihm würde die Schaffung von Ausgleichsflächen an anderer Stelle wohl nicht scheitern: „Mir ist wurscht, wo diese Flächen liegen.“