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Eröffnung des Verfahrens gegen den „Kehlenschlitzer“ aus der Gustav-Mahler-Straße vor dem Langericht Ingolstadt: Die tragische Abwärtsspirale eines Rauschgiftsüchtigen 

Von Michael Schmatloch 

Zu einer Lehrstunde zum Thema Drogenabhängigkeit und Alkoholismus geriet heute die Eröffnung des Verfahrens gegen den 28-jährigen Christian O. Er muss sich vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten, weil er im Mai vergangenen Jahres seiner Freundin in der gemeinsamen Wohnung in der Gustav-Mahler-Straße in Ingolstadt beinahe die Kehle durchgeschnitten hätte.

Mit einem Küchenmesser – so die Staatsanwaltschaft – hatte er ihr damals eine tiefe Schnittwunde beigebracht und dabei die Halsschlagader nur knapp verfehlt. Er sei indes nicht oder zumindest eingeschränkt schuldfähig gewesen, als er sein Opfer von hinten in den Würgegriff genommen und ihr das Messer an den Hals gesetzt hatte. Den Tod seiner Freundin habe er jedoch zumindest billigend in Kauf genommen. Auch dann, als das Opfer sich befreien konnte und Christian O. mit einem zweiten Messer abermals auf sie einstach und ihr dabei kleine Verletzungen am Oberkörper beibrachte. Erst, als das Mädchen sich ins Treppenhaus flüchten konnte, wo schon einige durch ihre Schreie aufgescheuchte Nachbarn waren, ließ Christian O. von seinem Opfer ab. Er muss sich nun wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Da allerdings seine Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat zumindest in Zweifel steht, dürfte es in dem Verfahren nicht um eine Haftstrafe für den Angeklagten gehen, sondern vielmehr um die Frage, ob er zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen wird. Dort ist er seit der Messerattacke ohnehin schon. In Haar bei München.

Das Motiv für die Attacke waren nicht etwa Beziehungsprobleme, sondern psychotische Wahnvorstellungen des hochgradig rauschgiftsüchtigen Angeklagten. Der zeigte sich heute recht gesprächig und schilderte den Tathergang aus seiner lückenhaften Erinnerung. „Ich weiß nicht, wie es so weit kommen konnte“, meine er und erzählte, dass er und seine Freundin am Tag vor der Tat zusammen Marihuana konsumiert hatten, bevor die Freundin dann in der Nacht auf die Piste gegangen sei. Bis früh um acht Uhr.

Er sei zuhause geblieben und habe seine Mutter angerufen. Und damit begann der Wahn. Er hatte seinen Schilderungen zufolge nämlich den Eindruck gehabt, das am Telefon sei gar nicht seine Mutter, sondern eine ihm fremde Stimme. Er malte sich aus, dass man seine Mutter getötet habe. Und seine Freundin sei daran beteiligt gewesen.

Deswegen sei er am kommenden Tag nach dem Genuss von reichlich Crystal Meth auch zu der Überzeugung gelangt, er sei nun der nächste, der umgebracht werden soll. „Zuerst wollte ich gehen“, sagte Christian O. heute, „aber dann dachte ich, dann werde ich draußen umgebracht.“ Und so kam es dann zu dem Übergriff auf seine Freundin, den er in vollem Umfang zugibt. Obschon er sich an den genauen Tathergang nicht mehr erinnern kann. „Mir ist erst am nächsten Tag bewusst geworden, dass da etwas nicht stimmt.“ Das kann man so sagen. Denn seine Freundin lag im künstlichen Koma, die ganze Wohnung war voller Blut – und er in der Psychiatrie in Haar.

Haar ist indes nicht die erste psychiatrische Station für den Angeklagten. Bereits im Jahr 2013 war er wegen einer psychotischen Störung im Klinikum Ingolstadt in Behandlung. Und wegen seiner Sucht, die ihn vom Jugendalter an begleitet hat. Zuerst war es der Alkohol, der dem in Irsching aufgewachsenen Christian O. extrem zu schaffen machte und es wohl bis heute tut. Dann kamen Drogen und Spielsucht dazu. Mit der ganzen Palette an Beschaffungskriminalität, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, Diebstahl. Er saß auch schon in Haft deswegen. Oft habe er an einem Tag sein ganzes Gehalt verspielt, erzählt der Kfz-Mechaniker ohne Abschluss, der über eine Leiharbeitsfirma immer wieder zu Jobs gekommen war, unter anderem bei Audi.

Seine Rauschgiftsucht, die im Alter von 15 Jahren mit Cannabis begonnen hatte und sich dann auf nahezu alle anderen Rauschmittel ausgedehnt hat, die wäre er gerne los, wie er erzählt. Deswegen habe er auch schon Ansätze gemacht für einen Entzug. Es sei aber immer wieder zu Rückfällen gekommen. Immerhin hat er laut eigenem Bekunden seit 2009 beinahe täglich Crystal Meth zu sich genommen, was ihn auch körperlich extrem mitgenommen habe. Doch obwohl es ihm immer wieder sehr schlecht ging, konnte er nicht damit aufhören: „Der Körper hat es gebraucht.“

Seine Vorstellungen von einer ordentlichen Therapie und einer geregelten Arbeit, die werden wohl erst einmal etwas warten müssen. Zumindest was die Arbeit betrifft. Denn am Ende des Verfahrens, in dem am 27. Februar das Urteil gesprochen wird, steht wohl erst einmal Haft oder Unterbringung.


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