Logo
Anzeige
Anzeige

In dem gut 800 Einwohner zählenden Reichertshofener Ortsteil soll eine Gemeinschafts-Unterkunft für rund 130 Asylbewerber entstehen – das sorgt für Aufregung und Unmut, auch eine Online-Petition gegen die Pläne wurde gestartet

Von Tobias Zell

Für Aufregung, Bedenken und Ängste sorgen in dem gut 800 Einwohner zählenden Reichertshofener Ortsteil Winden am Aign die Pläne zur Schaffung einer Gemeinschafts-Unterkunft für rund 130 Asylbewerber. Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen dem Eigentümer des ehemaligen Pensions-Gasthauses Däuber und der Regierung von Oberbayern; auch die Pfaffenhofener Kreisbehörde ist informiert und eingebunden. Landrat Martin Wolf (CSU) sagte heute gegenüber unserer Zeitung: Es deute aktuell vieles darauf hin, dass es zur Umnutzung des Gebäudes als Flüchtlings-Unterkunft kommt. 

In Winden gibt es dazu unüberhörbar kritische Meinungen, die bis zur blanken Ablehnung reichen. „125 Asylbewerber sind zuviel für unseren kleinen Ort! Denkt an unsere Kinder!“, stand auf einem Schild, das dieser Tage von Unbekannten vor dem Gebäude aufgestellt worden war, aber inzwischen wieder entfernt ist. Unter dem Titel „Keine 125 Asylbewerber in 85084 Winden am Aign“ wurde außerdem eine Online-Petition gestartet, in die sich bereits rund 250 Leute eingetragen haben. Einer der Hauptkritikpunkte liest sich so: „Hier stimmt das Verhältnis nicht, wenn 125 Asylbewerber in einer Ortschaft mit 800 Bürgern untergebracht werden.“

Landrat Wolf bestätigte unserer Zeitung, dass der Eigentümer das Gebäude der Regierung von Oberbayern als Flüchtlings-Bleibe offeriert hat. Angestrebt werde von Seiten des Anbieters eine komplette Versorgung der Asylbewerber, also offenbar inklusive Verpflegung. Zunächst sei die Unterbringung von 150 Personen im Raum gestanden. Inzwischen sei bei der Gemeinde ein Antrag auf Nutzungsänderung des Gebäudes eingegangen, die Einquartierung von 131 Asylbewerbern vorsieht. Der Gemeinderat wird sich nächste Woche mit dem Antrag zu befassen haben.

Die Rückseite des Gebäudes.

In einer ersten Einschätzung hat die Bezirksregierung laut Wolf bereits signalisiert, dass sie das Gebäude für ein geeignetes Objekt hält. Das Landratsamt sei darüber informiert worden. Nun laufen in der Kreisbehörde die entsprechenden Prüfungen, erklärt der Landrat. Zum einen gehe es dabei um baurechtliche Fragen. Der Gemeinderat kann zwar über die geplante Umnutzung als Flüchtlings-Unterkunft befinden, die Entscheidung über die Genehmigung ist aber Sache des Landratsamts. Zum Zweiten geht es nach Worten von Wolf auch um die Frage der Belegung. Der Eigentümer handle da nach wirtschaftlichen Interessen. Die Frage sei aber: Für wie viele Flüchtlinge hält die Regierung von Oberbayern den Gebäudekomplex geeignet? 

Die Argumente, die im Rahmen der Online-Petition gegen die Unterbringung von verhältnismäßig  vielen Asylbewerbern in der ehemaligen Pension vorgebracht werden, sind vielfältig. „Das Maximum an Aufnahmefähigkeit ist erreicht. Gerade in kleinen ländlichen Gebieten bzw. Orten ist diese Menge für die heimische Bevölkerung unzumutbar“, heißt es da. „Die Relation zwischen Einwohnern und Asylanten ist absurd hoch.“ Man habe Angst vor Einbrüchen. „Zudem bietet der Ortsteil keinerlei Möglichkeiten für die Bewerber, keine Einkaufsmöglichkeit“, wird angemerkt. „Der Ortskern von Reichertshofen ist zu weit entfernt.“ Eine Frau schreibt: „Ich habe Angst vor den Asylanten. Angst um meine Kinder. Ich befürchte viel Gewaltbereitschaft, sexuelle Belästigungen, Lärmbelästigung bis spät in die Nacht und dadurch eine große Einschränkung meines Lebensstandards und meiner Sicherheit. Ich überlege sogar, mein Haus zu verkaufen und aus Winden zu fliehen!“ 

Was die Zahl der Flüchtlinge angeht, die hier tatsächlich unterkommen sollen, vertritt das Landratsamt folgende Marschroute. „Wir wissen, dass das für einen Ort wie Winden eine Sonderbelastung ist“, sagt Wolf. Man wolle deshalb darauf hinwirken, „dass wir uns der Zahl 100 nähern“. Statt 131 also. Außerdem wolle man sich von Seiten des Landkreises darum bemühen, dass vor allem Familien dieser neuen Gemeinschafts-Unterkunft zugeteilt würden. Die gerade erst geschaffene Unterkunft im Feilenmoos, wo Gebäude auf dem Areal der ehemaligen Patriot-Stellung der Bundeswehr genutzt werden, sei dagegen eher für alleinstehende junge Männer gedacht. „Wir versuchen, die örtliche Situation zu berücksichtigen“, versichert Wolf, „aber wir müssen auch die Gesamtlage im Blick haben.“

Eine Online-Petition wendet sich gegen die Unterbringung von so vielen Asylbewerbern in dem 827-Seelen-Ort.

Der Kreischef verweist in diesem Zusammenhang erneut darauf, dass bislang rund 800 Plätze für Asylbewerber im Landkreis geschaffen wurden. Allerdings ist den Prognosen zufolge davon auszugehen, dass bis zum Jahresende noch weitere 400 Plätze nötig sein werden. Deshalb macht Wolf keinen Hehl daraus, dass jede zusätzliche Unterbringungs-Möglichkeit die Situation entlaste – und auch helfe zu verhindern, dass Turnhallen genutzt, Zelte aufgestellt oder Wohncontainer im großen Stil aufgebaut werden müssen.

„Dass die Schaffung einer Gemeinschafts-Unterkunft für Asylbewerber durch die Regierung von Oberbayern mit mehr als 100 Flüchtlingen Sorgen bei der Bevölkerung hervorrufen kann, verstehe ich“, erklärte Reichertshofens Bürgermeister Franken in einer Stellungnahme zu den aktuellen Plänen in seiner Gemeinde. Er sei auch der Überzeugung, dass mehrere kleinere Einheiten für alle Beteiligten besser seien. „In Reichertshofen ist es, dank des großartigen Einsatzes vieler ehrenamtlicher Helfer, bisher sehr gut gelungen, das Zusammenleben von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan sowie den Bürgern aus dem Markt gut zu gestalten.“

Die Strategie des Landkreises, vor allem dezentrale Unterkünfte mit weniger als 50 Bewohnern je Objekt anzumieten, ist nach Frankens Einschätzung für Nachbarn und Flüchtlinge die bessere Lösung. Er weiß aber auch: „Aufgrund des weiterhin starken Zustroms steigt der Druck bei den Verantwortlichen bei Regierung und Landratsamt, Unterkünfte zu organisieren.“ Und „die Belegung von Turnhallen wäre sicherlich die schlechteste Lösung“. 

Die Gegner der potenziellen Gemeinschafts-Unterkunft von Winden sollten sich also keine Illusionen machen. Es deutet laut Wolf vieles darauf hin, dass sie kommt. Der Landrat erinnert auch daran, dass das Gebäude in früheren Jahren schon einmal als Erstaufnahme-Einrichtung für Russland-Deutsche diente und auch als Arbeiter-Unterkunft genutzt wird. Bis die ersten Asylbewerber in die ehemaligen Räume von Disco, Pension und Lokal einziehen, dürften aber noch einige Wochen vergehen. Wolf betont aber jetzt schon, dass man von Seiten des Landratsamts rechtzeitig eine Informations-Veranstaltung für die Bürger abhalten werde. 


Anzeige
RSS feed