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Drei Jungtieren im Kreis Pfaffenhofen wurde ein Sender angelegt – über eine kostenlose App kann künftig jeder mitverfolgen, wo sie sich herumtreiben und auf welcher Route sie nach Afrika fliegen. Storch Sepp aus Oberfranken zum Beispiel tummelt sich derzeit in Libyen. 

Von Tobias Zell 

Vier Eier fanden sich heuer in dem Horst des Storchenpärchens von Pörnbach. Es schlüpften auch vier Küken, zwei von ihnen sind allerdings früh gestorben. Die anderen beiden wachsen und gedeihen – und wo sie sich in Zukunft herumtreiben, das kann man sich demnächst mittels der kostenlosen App „Animal Tracker“ auf dem Handy oder Tablet anschauen. Denn die beiden Jungstörche von Pörnbach haben jeweils einen Datenlogger und einen Sender verpasst bekommen, ebenso wie einer aus Geisenfeld. Und bald wird es spannend. Denn wenn sich die Jungtiere Ende Juli, Anfang August auf den Weg nach Süden machen, dann kann man fast in Echtzeit ihren Weg verfolgen.

Nehmen wir zum Beispiel Sepp, ein Weißstorch-Männchen, das im vergangenen Jahr im oberfränkischen Frensdorf zur Welt gekommen ist – seine Geschwister heißen übrigens Ziegentom und Jutta. Sepp jedenfalls, der hat so einen Sender. Und deshalb können wir nicht nur nachvollziehen, auf welcher Route und in welcher Zeit er über Österreich, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, weiter über Syrien und Israel nach Ägypten und weiter in den Tschad flog. Sondern wir wissen auch, dass er im Tschad offenbar ein bisschen umherirrte, ehe er dann wiederum ziemlich schnurstracks weiter nach Libyen zog, wo er sich seither aufhält. 

Auf dieser Route zog es den Storch Sepp von Franken nach Libyen – nachvollziehbar mit der App "Animal Tracker".

Man darf also gespannt sein, wohin es die besenderten Jungstörche aus dem Landkreis Pfaffenhofen zieht. Und welche Route sie nach Süden wählen. Es ist auch möglich, dass die beiden Pörnbacher Geschwister sich in unterschiedliche Richtungen aufmachen, dass also einer über Spanien nach Afrika fliegt, während sich der andere sozusagen auf den Spuren von Sepp über Osteuropa nach Süden durchschlägt. Die Positionen der mit einem Sender ausgestatteten Tiere sind ziemlich genau festzustellen – man kann über die App auf der Landkarte heranzoomen, sich das Umfeld anschauen, in dem sich ein Storch gerade aufhält, oder sehen, ob er gerade ruht oder kreist. 

Die Datenlogger zeichnen indes auch die Position im dreidimensionalen Raum auf, die ein Storch einnimmt: Ob er sich zum Beispiel aufwärts oder abwärts  bewegt hat – daraus lässt sich wiederum ableiten, ob er im Gleitflug oder im Schlagflug unterwegs war, erklärt Prof. Hans-Joachim Leppelsack, der Vorsitzende der Pfaffenhofener Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Oft gleiten die Tiere auf ihren langen Reisen lange dahin, nutzen die Thermik und sparen Kraft. Solche Daten sind gut auslesbar. 

Screenshot von der Pörnbacher Storchen-Kamera.

Die Vogelforscher erhoffen sich von all diesen Informationen künftig viele neue Erkenntnisse über das Verhalten der Weißstörche. Eine sehr interessante Nachricht gibt es bereits: Die bisher vertretene Meinung, Störche ziehen grundsätzlich nach Süden und kommen nur zur Vermehrung nach Europa, hat sich als falsch herausgestellt, berichtet Leppelsack.

Einer der beiden Pörnbacher Jungstörche heißt „Happy Hippi“ – weil die Firma Hipp den Sender und den Datenlogger spendiert hat. Der zweite hat noch keinen Namen – gestiftet wurde die ihm angelegte Technik von der Schellermühle in Reisgang, wo man derzeit noch dankbar ist für Namensvorschläge. Äußern kann die auf der Facebook-Seite „Mehlzauber“. 

Im Landkreis Pfaffenhofen gibt es aktuell vier Storchennester, in denen sich etwas tut. Insgesamt sieben Jungtiere haben heuer überlebt. Meistens legt das Weibchen drei oder vier Eier, doch nicht selten machen Kälte und Feuchtigkeit dem geschlüpften Nachwuchs zu schaffen. In Pfaffenhofen sind alle drei Jungtiere verendet, in Pörnbach überlebten zwei von vier. Verfolgen kann man das Geschehen in den Nestern übrigens live via Storchen-Kameras, deren Bilder ins Internet übertragen werden. In Pfaffenhofen und Pörnbach gibt es dieses tierische „Big Brother“ bereits, in Geisenfeld soll laut Leppelsack am Mittwoch eine Storchen-Cam installiert werden.

Hier geht's zur Pörnbacher Storchen-Kamera 

Hier geht's zur Pfaffenhofener Storchen-Kamera

Dass das Pfaffenhofener Nest auf einem stillgelegten Kamin am Schyren-Gymnasium thront, beflügelt auch die Neugier der Schüler. In der 2013 gegründeten „Natur AG“ befassen sich interessierte Kinder auch ausführlich mit dem Thema Storch, wie jetzt bei einem Pressetermin deutlich wurde. Sie wussten zum Beispiel zu berichten, dass ein Horst bis zu zwei Tonnen schwer werden kann, dass es im Libanon 400 000 Storchenjäger gibt und dass die Tiere auf ihrem Weg in den Süden mitunter 1000 Kilometer ohne Wasser und Nahrung auskommen müssen. Außerdem haben die jungen Vogelkundler anhand einer Ganztags-Beobachtung das Verhalten der Störche von Pfaffenhofen und Rohrbach verglichen. Geleitet wird die „Natur AG“ von Elke Leppelsack und Birgit Dimmelmeier.

Schülerinnen aus der "Natur AG" des Schyren-Gymnasiums erklären, warum der Storch bedroht ist.

Der Klapperstorch bringt zwar bekanntlich nur im Volksmund die Babys, aber der hiesige Babynahrungs-Hersteller Hipp beteiligt sich an einem Leuchtturm-Projekt des LBV, das zum Ziel hat, mehr Wissen über die Störche in unserer Heimat zu vermitteln. Deshalb spendierte das Unternehmen auch die Pfaffenhofener Storchen-Cam. Die Pörnbacher Kamera wurde von der Hallertauer Volksbank bezahlt. Und dafür, dass die Störche auch langfristig beobachtet werden können, sollen nun die kürzlich an den Tieren befestigten Datenlogger samt Sender sorgen. Dabei handelt es sich um ein hoch innovatives System, das im Max-Planck-Institut für Ornitholgie in Radolfzell entwickelt wurde und das der LBV nun in der Praxis des Naturschutzes erstmals erprobt.

So sieht ein Storchen-Sender aus, der den Tieren ähnlich eines Rucksacks angelegt wird.

Das Storchen-Projekt am Schyren-Gymnasium wird von den Biologie-Lehrern auch außerhalb des regulären Unterrichts betreut. Elke Leppelsack engagiert sich hier besonders und begleitet die Bilder aus dem Horst sowie die Flugrouten mit tagebuchartigen Notizen. Durch die Beringung der Jungstörche und die intensive Beobachtung konnten auch bereits erstaunliche, neue Erkenntnisse gewonnen werden. Unter anderem wurde deutlich, dass der Lebensraum und das Nahrungsangebot für die Störche im Landkreis sehr knapp sind. „Im Unterricht greifen die Biologielehrkräfte dieses Thema detaillierter auf und sensibilisieren die Schüler unter anderem für die Probleme im Natur- und Biotopschutz. Wir arbeiten dabei ganz nach dem Motto: Nur wer die Natur kennt, kann sie auch schützen“, sagt Elke Leppelsack.

In der "Natur AG" des Schyren-Gymnasiums befassen sich die Schüler ausführlich mit dem Leben und Verhalten von Störchen.

Weißstörche gehören zu den prächtigsten Vögeln. Trotz der stattlichen Größe von rund einem Meter und einem Gewicht um die 3500 Gramm gleiten sie beeindruckend elegant durch die Lüfte. Am Ziel angekommen, klappern sie laut mit ihren fast 20 Zentimeter langen Schnäbeln um sich gegenseitig zu begrüßen. Dieses unverwechselbare Klappern war früher von März bis August in jedem bayerischen Dorf zu hören, das einen Flusslauf und feuchte Wiesen in der Nähe hatte. Um zu brüten, suchte der Weißstorch die Nähe der Menschen, die ihm als „Hüter des Ehefriedens“ und „Überbringer des Nachwuchses“ auch gerne Nistplätze auf ihren Dächern boten.

Seit Beginn der Industrialisierung wurden Feuchtgebiete und somit der Lebensraum des Storches zunehmend zerstört. Zeitgleich fand er auch immer weniger Nahrung, denn durch den Einsatz von Kunstdünger, Pestiziden und Herbiziden in der konventionellen Landwirtschaft hat auch die Schar an Kleinsäugern, Amphibien, Reptilien, Fischen, großen Insekten und Regenwürmern massiv abgenommen. Über viele Jahre hinweg blieben deshalb die Storchennester leer, der Bestand an Weißstörchen ging auf unter ein Drittel desjenigen von Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. In Bayern wurden nur noch 60 Storchenhorste bewohnt. 

So haben die Menschen zunehmend den Bezug zu ihrem vormals treuen Begleiter Adebar verloren. Nicht aber die Mitglieder des LBV: Bereits 1984 starteten sie mit Unterstützung der bayerischen Staatsregierung und in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt das „Artenhilfsprogramm Weißstorch“. Inzwischen gibt es wieder rund 300 Nistplätze für Störche im Freistaat; darunter in Pfaffenhofen, Geisenfeld, Pörnbach und Reichertshofen.

In wenigen Tagen sind die Standort-Daten der beiden Pörnbacher Jungstörche über die App "Animal Tracker" abrufbar; die App kann kostenlos heruntergeladen werden auf Smartphones oder Tablets.


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