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Die Gemeinde liegt am meistbefahrenen Autobahn-Abschnitt Europas, betont der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU). Aber der Bund findet: Wenn sie jetzt einen Lärmschutz will, dann soll sie den Bau selbst bezahlen

Von Tobias Zell 

Manchmal steht einem der gesunde Menschenverstand gehörig im Weg, wenn man zu verstehen versucht, was „der Staat“ so tut – oder eben nicht tut. Zum Beispiel an der A 9 bei Schweitenkirchen. Wir sprechen vom meistbefahrenen Autobahn-Abschnitt in Europa, wie der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) jetzt noch einmal betonte. Das heißt aber keineswegs, dass die Anwohner deshalb einen Lärmschutz kriegen. Den gibt’s nämlich vom Bund angeblich erst bei einem so genannten Vollausbau der Autobahn. Und Vollausbau bedeutet hier: jeweils vier Spuren in beide Richtungen plus Standstreifen – da wäre dann der Lärmschutz sozusagen serienmäßig dabei. Der kürzlich teilweise erfolgte Ausbau der Standspur zur temporären vierten Spur reicht hingegen nicht. 

Der Kampf der Gemeinde Schweitenkirchen für den Lärmschutz an der A 9 ist im Grunde längst eine unendliche Geschichte. Und wenn man sich die alljährlich veröffentlichten Aufstellungen von fragwürdigen bis peinlichen Projekten anschaut, für die Steuergelder verpulvert werden, dann ist es selbst bei objektiver Betrachtung schwer zu fassen, warum ausgerechnet in Schweitenkirchen nichts vorwärtsgeht. Wobei: Es ist ja jetzt sogar etwas vorwärtsgegangen. Zumindest auf Papier.

Mogelpackung statt Weihnachtsgeschenk 

Denn im Dezember gab es, wie berichtet, eine neue Entwicklung. „Das Bundesverkehrsministerium hat sein Einverständnis für die Realisierung des Lärmschutzes an der A 9 bei Schweitenkirchen gegeben“, vermeldete Irlstorfer damals unter Berufung auf ein entsprechendes Schreiben aus Berlin. Aber Vorsicht! Was nämlich wie eine frohe Botschaft in der Vorweihnachtszeit klang, entpuppte sich bei näherer Betrachtung eher als Mogelpackung denn als schöne Bescherung. 

Weil: Das Ministerium hat eben vor allem sein Einverständnis erklärt. Nicht weniger, aber halt auch kaum mehr. Die Baukosten müsste demnach schon die Gemeinde selbst tragen. Laut Irlstorfer reden wir hier von ungefähr 2,5 Millionen Euro. Weshalb der Abgeordnete sich zwar einerseits freute, dass nun wenigstens mal etwas vorwärtsgeht. Andererseits aber auch gleich klarstellte, dass man über die Höhe des von der Gemeinde zu tragenden Kosten-Anteils noch einmal gehörig nachverhandeln müsse. 

Der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) will nicht locker lassen.

„Ich sehe zumindest Licht am Horizont“, kommentierte Schweitenkirchens Bürgermeister Albert Vogler (CSU) damals die neue Lage. Er sei dankbar, dass das Thema nun immerhin wieder aktuell sei und dass sich der Bund konkret damit befasse. Doch die im Raum stehende Kostenverteilung ist für ihn undenkbar. „Es ist schließlich eine Bundesautobahn und es geht um den Lärm von dieser Bundesautobahn“, betonte er. Deshalb sehe er ganz klar den Bund in der Verpflichtung. Es könne doch nicht sein, dass eine kleine Gemeinde den Lärmschutz für den Bund finanzieren solle. Das sei auch den Bürgern nicht zu vermitteln. Das sagte Vogler im Dezember gegenüber unserer Zeitung. Und das bekräftigte er heute noch einmal. 

Irlstorfer: Gerichtsurteil umschifft, jetzt nachverhandeln

Der Freisinger Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer, der auch für den Landkreis Pfaffenhofen zuständig ist, bemüht sich indes, das Positive in den Vordergrund zu rücken. Das erste Hauptziel – die aussichtslos scheinende Situation überhaupt erst einmal aufzubrechen – sei erreicht, sagte er gestern bei einem Pressegespräch in Pfaffenhofen. Das sei ein wichtiger Schritt. Denn es sei damit gelungen, ein Urteil des Münchner Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zu umschiffen. Nach dem besagten Richterspruch war ein Lärmschutz für Schweitenkirchen nämlich ohne Vollausbau der A9 komplett vom Tisch.

Jetzt ist man sozusagen zumindest wieder im Geschäft. Und wie das im Geschäftsleben so ist, geht es halt vor allem ums Geld. Klar sei, dass sich  die Gemeinde an den Kosten beteiligen müsse, sagt Irlstorfer. „Aber in einer anderen Dimension.“ Er sieht eher eine Größenordnung von einer Million Euro als realistisch an. Um das zu erreichen, wolle er weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen, versicherte er. Gespräche führen, nachverhandeln, lästig sein, eben nicht locker lassen.

Aktuell stellt sich die Situation laut Irlstorfer wie folgt dar: Der Bund würde die für den Lärmschutz nötigen Flächen kostenlos zur Verfügung stellen. Außerdem würde man in Berlin darauf verzichten, die Kosten für den Abriss der angedachten Lärmschutzwand in Rechnung zu stellen, falls eines Tages der achtspurige Vollausbau kommt. Rechnerisch, so Irlstorfer, reduziere dieses Entgegenkommen des Bundes die Gesamtkosten um 1,5 Millionen Euro. Allerdings mutet das wohl deutlich generöser an, als es tatsächlich ist. Die Lage ist jedenfalls momentan so, dass es offenbar „nur“ noch darum geht, wer die reinen Planungs- und Baukosten übernimmt, die eben bei 2,5 Millionen Euro liegen sollen.

Hierzu will nach Informationen von Irlstorfer auch der Freistaat einen kleinen Beitrag leisten. Der CSU-Politiker verweist auf ein entsprechendes Schreiben und erklärt, das Land Bayern würde die Planung der Lärmschutzwand sowie die Abwicklung des Projekts übernehmen. Den Gegenwert dieser Unterstützung beziffert der Bundestagsabgeordnete wiederum auf rund 250 000 Euro. 

Bürgermeister Vogler: Weder realistisch noch zumutbar 

Somit blieben noch 2,25 Millionen Euro, die die Gemeinde Schweitenkirchen zu berappen hätte. Eine Kosten-Beteiligung in diesen Sphären kommt für Bürgermeister Vogler, wie gesagt, gar nicht in Frage. Das sei weder realistisch noch zumutbar. „Wir drücken uns sicher nicht vor einer finanziellen Beteiligung“, erklärt er. Doch selbst die von Irlstorfer angestrebte Summe verweist Vogler ins Reich der Unmöglichkeit. Dass eine kleine Kommune eine Million Euro für ein Vorhaben auf den Tisch lege, das eigentlich Sache des Bundes sei – da kann der Rathauschef nur abwinken. Wenn es nach ihm geht, dann könne man über eine Kosten-Beteiligung der Gemeinde in Höhe 250 000 bis 300 000 Euro reden.

Und so dürfte nach aktuellem Stand noch viel Wasser die Ilm hinunterfließen, bis in Sachen Lärmschutz an der A9 bei Schweitenkirchen etwas Sichtbares passiert – wenn nicht eine gute Fee auftaucht oder ein Wahlkampf ein Wunder bewirkt. Das so genannte Entgegenkommen des Bundes ist aktuell wohl nicht viel mehr als die Erlaubnis, auf eigene Kosten eine Lärmschutzwand bauen zu dürfen. Aber das kommt irgendwie so daher, als würde der Vater zu seinem 18-jährigen Sohn sagen: „Ich gestatte, dass du dir nach bestandener Flugprüfung eine Boeing 747 kaufst.“


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