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Das Pfaffenhofener Kabarett-Ensemble "Stachelbär" setzt im neuen Programm auf verbales Florett und Tiefgang – der  Holzhammer bleibt eingepackt und richtig böse wird es kaum. Gestern war Premiere.

Hier gibt's ein paar Kostenproben zum Anhören

Von Tobias Zell  

Wenn das Pfaffenhofener Kabarett-Ensemble „Stachelbär“ zur Premiere eines neuen Programms in den hiesigen Stockerstadl lädt, sind die Erwartungen freilich hoch. Was ist diesmal der besondere Gag? Wie frech wird’s heuer, 2016? Wer bekommt besonders sein Fett weg? Der „Solarium-Charly“ zum Beispiel, also der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Straub. Oder die „Karnevals-Versteher“ aus Reichertshausen. Der „Grob-Rhetoriker“ Thomas Herker (SPD) als Rathauschef von Pfaffenhofen. Die Wolnzacher Gemeinderäte für ihr „Kasperltheater“ und der Bauausschuss des Landkreises als „Lotterie mit fast lauter Nieten“.

In mehreren Szenen mit wechselnder Besetzung arbeiteten sich Michael Eberle, Volker Bergmeister, Roland Andre, Brigitte Moser und Claus Drexler gestern Abend vor vollem Haus knapp drei Stunden lang durch die jüngsten Vorkommnisse in Stadt und Kreis. Dabei spielten sie zuweilen sogar ihr eigenes Publikum; ein netter Kunstgriff. Außerdem philosophierten Besoffene, gschaftelte ein Zuagroaster, integrierte sich ein Flüchtling und ätzte der Paunzhausener.

 

Brigitte Moser (von links), Claus Drexler, Michael Eberle, Volker Bergmeister und Roland Andre.

Jedes Kaff hat ein Museum – nur Pfaffenhofen nicht, monierten die Stachelbären, weil ja aus dem neuen Heimatmuseum nix geworden ist. Wie wär’s denn mit einem Wachsfigurenkabinett? Aber bitte kein Witzfigurenkabinett, deshalb lieber ohne Stadträte. Obwohl man schon kleine Markus-Käser-Kerzen anbieten könnte, wo man gleich sieht, wie ihm der Hut brennt. Oder Reinhard Haiplik (ÖDP) als Votiv-Tafel. Ein Relief der Pfaffenhofener CSU scheide allerdings als Exponat aus, weil ein Relief hat ja Profil. 

Da war manch Lustiges dabei. Dass die fünf Protangonisten ihr Handwerk verstehen, ist hinlänglich bekannt. Die Mimik stimmt, die Gesten passen, das Timing weitestgehend auch. Um es aber gleich vorwegzunehmen: Man hätte sich die Kabarett-Haudegen doch insgesamt viel bissiger gewünscht. G’scherter, frecher, hinterfotziger, unverschämter. Weil wer soll denn den hiesigen Großkopferten und Möchtegerns für ihre Eskapaden und Lachnummern, für ihre Anflüge von Größenwahn und Selbstüberschätzung, für ihre Rohrkrepierer und Verirrungen den Kopf waschen – wenn nicht die Stachelbären?

 

Martin Wolf (CSU) wurde gleich ausdrücklich gelobt für seinen Umgang mit der Flüchtlingskrise – obwohl Bergmeister in seinem Solo ja eigentlich gar nichts sagen wollte über den Landrat, der ja als Fan des TSV 1860 München schon seit Geburt an Pleiten, Pech und Pannen gewöhnt sei. Deshalb sei Wolf vermutlich zur CSU gegangen – damit er auch mal bei den Siegern ist. Eher als Verlierer wurden derweil andere stilisiert. Der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) zum Beispiel, der sich nach der geplatzten Sparkassen-Fusion mit Herker angelegt hat – was ungefähr so sei, als wenn eine Maus einen Elefanten anrempelt. 

Der Wolnzacher Gemeinderat wurde wegen der Dauer-Querelen zum „Kasperltheater“ degradiert. Und angesichts der Diskussionen über die Gestaltung der Landratsamt-Fassade fühlte sich Bergmeister mit Blick auf den zuständigen Kreis-Bauausschuss an ein Glücksspiel erinnert, an eine Lotterie mit fast Lauter Nieten. Und dem Solarium-Charly, der ja nicht nur im Landtag sitzt, sondern auch Auto-Händler ist, empfahl man zur Flüchtlingspolitik: „Umparken im Kopf!“

 

Auf die Flüchtlingskrise kommen die Stachelbären gleich mehrfach zu sprechen. Schwere kabarettistische Kost mitunter und notgedrungen nicht so lustig, aber inhaltlich gehaltvoll. Den Vorwurf, dass man der Gesellschaft den Spiegel nicht ausreichend vorgehalten hat, muss sich das Ensemble mit diesem neuen Programm keinesfalls gefallen lassen. Unter anderem entspann sich um Claus Drexler alias syrischer Flüchtling – gekommen über die Westbalkan-Route und mit Smartphone – eine Szene voll Wortspielereien über Leit-Kultur und Light-Kultur, Leid-Kultur und Neid-Kultur, Leut-Kultur und Läut-Kultur. Dass man zum Ausweisen einen Ausweis braucht, das saß ebenso wie die traurige Diagnose, dass nicht nur integriert, sondern auch intrigiert wird. „Wenn aus Menschen Leute geworden sind, dann ist die Integration gelungen“, sollte Drexler später noch ergänzen.

 

Es ist viel Sinnierendes und wenig Sinnarmes zu hören in diesem Programm. Wer den erhobenen Zeigefinger mag und den Tiefgang schätzt, der wird an manchen Stellen sagen: Ja, auch das ist eine Aufgabe von Kabarett. Wer jedoch an einem solchen Abend lieber fünf Bier und Saufreches am laufenden Band konsumieren mag, der wird möglicherweise den einen oder anderen Schenkel-Klopfer vermissen. Geboten werden zuweilen der erhobene Zeigefinger und das verbale Florett – auf den kabarettistischen Holzhammer und den bis an die Grenze des Erlaubten geschwungenen Säbel sollte man nicht allzu sehr hoffen.

So nahm Brigitte Moser den „Asylabwehr“-Panzer ins Visier, der beim Reichertshausener Faschingszug mitrollte und bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Messerscharf sezierte sie das Versagen der Verantwortlichen auf allen Ebenen und prangerte an, dass am Ende gar derjenige der Böse war, der auf den Fall aufmerksam gemacht hatte (Florian Simbeck), obwohl der gar nichts für den Panzer konnte. Wie sehr man ihr Recht geben kann, ist das eine. Dass solche Analysen aber selten zum Brüller taugen, das andere.

 

So ähnlich ist das auch, wenn Eberle den Wirbel um eine Personal-Posse aus der Ilmtalklinik thematisiert, die sogar der Süddeutschen Zeitung einen Bericht wert war. Mit viel Hingabe zeichnet er die Chronik der Bemühungen nach, mit denen man angeblich versucht hat, einen Chefarzt loszuwerden. Eberle prangert „Rufmord“, „Verleumdung“ und „Mobbing“ an. Möglicherweise zu Recht – aber das Nacherzählen von mutmaßlich empörenden Ereignissen sorgt in der Regel nicht für stehende Ovationen. So war es dann auch recht still im Saal bei diesen Passagen. Wer den Finger allzu nüchtern in die Wunden legt, der kann beim belesenen Kabarett-Besucher Kopfnicken ernten, kriegt aber wenig Applaus. 

Zumindest die Hauptdarsteller der Pfaffenhofen Lokalpolitik bekamen einigermaßen frech ihr Fett weg – auf der einen Seite Bürgermeister Thomas Herker (SPD) unter dessen Regie alles „wie von unsichtbarer Hand“ läuft, der sich aber eben immer wieder als „Grob-Rhetoriker“ hervortut. Das Diplomatische sei nicht unbedingt sein Fach, wurde ihm bescheinigt. Er benutze die Sprache wie andere die Axt zum Holzhacken. Strotze aber dermaßen vor Selbstvertrauen, dass man es noch erleben werde, dass er sich eines Tages selbst die Krone aufsetzt. Auf der anderen Seite die blutleere CSU. „Wenn du auf die Pfaffenhofen CSU einen Blutegel drauftust – der verhungert.“

 

Die Stachelbären gehen mit ihrem neuen Programm durchaus ein Risiko ein. Ordentlich draufzuhauen, das würde ihnen sicher mehr Applaus bescheren. Doch das Ensemble hat sich unverkennbar dafür entschieden, lieber einen Kalauer auszulassen und auf ein paar schnelle, kurze Lacher zu verzichten – um dafür bei dem einen oder anderen großen Thema tiefer zu graben. Für die leichte Unterhaltung sorgen unter anderem ein Singspiel zum Reinheitsgebot, Gespräche unter Berufs-Alkoholikern sowie das abschließende Gstanzl-Duell mit den Dellnhauser Musikanten, die den Abend umrahmen. 

Ein paar Kostenproben zum Anhören finden Sie hier.

Die weiteren Stachelbär-Vorstellungen gibt es am Freitag, 26., und Samstag 27. Februar (ausverkauft), sowie am Freitag, 4., und Samstag, 5. März. Einlass im Pfaffenhofener Stockerhof an der Münchener Straße ist jeweils ab 18 Uhr, Programmbeginn um 20 Uhr. Heuer gibt es aus organisatorischen Gründen keine nummerierten Tische, es herrscht freie Platzwahl. Tickets zum Preis von 22 Euro plus Vorverkaufsgebühr sind bei Tabak Breitner und in der Geschäftsstelle des Pfaffenhofener Kurier erhältlich.  


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