„Spider Murphy Gang“-Frontmann Günther Sigl rockte gestern mit seinem Solo-Programm den Prielhof – Humorvolles und Nachdenkliches über das Alter, die Kunst und das Weltgeschehen
Von Markus Wittenzellner
War es wirklich nur ein Versprecher? Gleich bei der Begrüßung der etwa 200 Fans verwechselt Günther Sigl Scheyern mit der Gemeinde Weyarn bei Miesbach. Oder hatte der bekannte Musiker gestern einfach Spaß daran, das Publikum gleich mal aufzuzwicken? Zuzutrauen wäre es dem Kopf der „Spider Murphy Gang“ auf jeden Fall. Denn trotz seiner 69 Jahre wirkt der Bayern-Rock’n’Roller ein bisserl wie ein ergrauter Lausbub.
Witz und Ironie sind dem gebürtigen Schongauer wahrlich nicht fremd. Das ist auch deutlich bei seinen Texten zu spüren. Denn ähnlich wie bei der „Spider Murphy Gang“, seiner Hauptband, nimmt Sigl auch in seinem Solo-Projekt immer wieder mal das Verhalten seiner Mitmenschen auf die Schippe. Aber auch über sich selber kann der Mann lachen. Sei es über seine eher geringe Körpergröße oder sein Alter: „69 Jahre, das tut nicht weh. Aber scheiße ist es schon!“, resümiert er grinsend auf der Bühne des Gewölbes im Scheyerner Prielhof.
Und aus diesen 69 Jahren erzählt der Teenie-Star der 1980er dann auch immer wieder musikalisch. Nur steht da nicht stets – wie bei den „Spiders“ – der Rock’n’Roll im Vordergrund, sondern Sigl fügt in sein Solo-Programm auch Elemente aus Blues, Country oder Chanson ein. Dazu gibt es manche Cover-Version bekannter Hits der 1960er und 70er Jahre.
Aber ganz ohne die „Spiders“ geht es halt dann doch nicht. Und so kommen sie eben: Evergreens wie „Schickeria“ oder natürlich „Skandal im Sperrbezirk“. Allerdings weniger rockig, denn die Solo-Band setzt immer wieder auf Unplugged-Elemente. Trotzdem gelingt es, die Zuhörer zu begeistern. Günther Sigl und seine Begleitband dürfen nicht ohne mehrere Zugaben von der Bühne.
Im Anschluss an das Konzert zeigt der Musiker, Texter und Komponist dann im Interview mit unserer Zeitung, dass er nicht nur ein spaßiger Entertainer ist. Sondern auch ein Mensch, der privat eher zu Nachdenklichkeit neigt.
Günther, Du trittst ja noch recht häufig mit der „Spider Murphy Gang“ auf. Stellt sich die Frage, warum Du Dir in Deinem Alter noch eine zweite Band antust...
Günther Sigl: Ich bin noch fit, ich habe noch die Power und das Solo-Projekt ist eine Herzensangelegenheit. Also, weg von den „Spiders“. Da wollen die Leute doch immer die alten Sachen hören. Da bist du eben auf einer gewissen Schiene. Hier können wir mal andere Songs und Arrangements machen. Wir haben daheim schon immer so nebenbei in dieser Formation ein bisschen Musik gemacht. Dann habe ich auch dafür ein paar Songs geschrieben und eine CD aufgenommen. Außerdem spiele ich mit meiner Solo-Band eher im kleinen Rahmen – das macht mir sowieso Spaß. Im Gegensatz zu den „Spiders“ kann man da auch mal musikalische Sachen machen, die man bei den großen Konzerten eher nicht so bringen kann.
Willie Duncan, einer Deiner beiden „Spider“-Gitarristen spielt ja auch in Deiner Solo-Formation mit. Barny Murphy, der andere Gitarrist und Mitbegründer der „Spiders“, ist hier nicht dabei. Wie hat er auf dein Solo-Projekt reagiert?
Sigl: Dass ich das neben den „Spiders“ mache, das taugt dem Barny nicht so – aber ich tue es halt trotzdem (lacht). Das ist ja jetzt auch keine Konkurrenz zu den „Spiders“. Mit denen treten wir doch vor viel mehr Menschen auf.
Ihr habt als eine der ersten Bands vor Jahrzehnten Bayerisch und Rock zusammengebracht. Dialekt ist ja seit geraumer Zeit auch bei jungen Bands gefragt. Interessierst Du Dich da für den musikalischen Nachwuchs?
Sigl: Ja, da kommen ja auch immer wieder gute Sachen nach. Allerdings war es ja auch vor dieser Welle so, dass es Mundart-Bands wegen der „Spiders“ erstmal schwer hatten. Denn die Plattenfirmen haben dann immer schnell behauptet, dass das nach uns klingt. Ich konnte das aber nicht so recht verstehen. Denn das Bayerische kann doch so vielfältig sein. Und da werden schon manche Traditionen durchbrochen, also weg von der Blaskapelle, hin zum Rock. Für mich ist das aber kein Problem. Der Rock’n’Roll ist ja auch mit aus dem Country entstanden. Und wenn man da mit so manchen Konventionen bricht, dann kann auch wieder etwas Neues entstehen. Ich freue mich schon über den Erfolg dieser neueren Bands. „La Brass Banda“ oder Claudia Koreck finde ich zum Beispiel super. Und im Rahmen der BR-Sendung „Z’am rocken“ spielen wir ja jetzt auch mit „Kofelgschgroa“ zusammen.
Neben der Musik interessierst Du Dich ja auch für Malerei...
Sigl: Da bin ich eigentlich durch mein Bandmitglied Dieter Radig draufgekommen. Dieter und ich sind in Karlsruhe quasi Tür an Tür aufgewachsen. Da haben wir dann erstmal entdeckt, dass wir gut zusammen singen können. Später wurde Dieter dann Kunstmaler. Und so bin ich durch ihn zur Kunst gekommen. Ich habe dann auch begonnen, zu zeichnen und Aquarelle zu malen. Aber nichts Großartiges. Dieter hat mich auch in die großen Museen der Welt mitgenommen und mir so diese Welt nähergebracht. Und da habe ich dann gemerkt, dass es ja auch in diesem Bereich wichtig ist, Konventionen zu brechen. Wenn man da mal an moderne Malerei denkt – da hieß es ja auch zuerst: „Ja, was soll denn das jetzt sein?“ Der Mensch hält sich ja erst mal an das, was er gewohnt ist. Aber es muss sich eben alles auch weiter entwickeln.
Günther Sigl mit Band.
Die USA haben Dich als Rock’n’Roller stark geprägt. Allerdings hast du Dich ja auch schon vor längerer Zeit mit dem „Spider“-Song „Amerika“ kritisch mit diesem Land auseinander gesetzt. Wie sehr interessierst Du Dich heute für das Weltgeschehen?
Sigl: Ich habe das Gefühl, dass ich mich nun im meinem Alter nicht mehr um wirklich alles kümmern muss. Also jetzt zum Beispiel, auf Demonstrationen gehen. Aber ich verfolge sehr aufmerksam, was so auf der Welt passiert. Und derzeit beunruhigt mich schon das Rassismus-Problem angesichts der Flüchtlingsproblematik. Wenn du da die Aufnahmen von den zerbombten Städten siehst, dann ist es doch klar, dass die kommen wollen. Und da werden auch keine Zäune helfen. Irgendwo müssen sie ja bleiben. Und wenn sie übers Meer kommen, sollen wir sie dann einfach absaufen lassen? Für mich steht das Menschenrecht immer noch an erster Stelle. Und in Zeiten von Bewegungen wie Pegida müssen wir schon darauf achten, dass wir unsere Demokratie erhalten. Aber wenn ich da an den Zulauf des rechtsextremen „Front National“ in Frankreich denke, dann macht mir das schon Sorgen. Da muss man dagegen halten. Demokratie ist eben nicht einfach! Und was da im Osten Deutschlands abgeht, da wo es kaum Fremde gibt, das finde ich einfach grausam.
Eine dramatische Geschichte erzählst Du ja auch in dem „Spider“-Song „FFB“. Den hast du auch heute Abend gespielt. Dabei geht es um einen tragischen Autounfall. Steck da eigentlich etwas Biographisches dahinter?
Sigl: Bei meinen Texten ist meistens etwas selbst Erlebtes dahinter. Und in diesem Fall war es ein Unfall, den wir 1984 bei Erlangen hatten. Wir waren mit den „Spiders“ auf großer Tournee. Es war in der Nacht, wir saßen zu viert in einem Benz und dann – Aquaplaning! Wir sind von der Fahrbahn abgekommen und durch die Bäume gebrettert. Es ging letztendlich glimpflich aus, aber es hätte auch Schluss sein können. Und so bin ich dann auch auf diese Textidee gekommen. Aber das tragische Ende des Liedes hat dann in diesem Fall keinen realen Hintergrund.
Deine Solo-CD „Habe die Ehre“ war nicht ganz so kommerziell erfolgreich, wie sich das die Plattenfirma wohl erhofft hatte. Wird es da jetzt kein weiteres Album geben?
Sigl: Doch, doch. Ich schreibe schon wieder neue Songs für die nächste Solo-CD. Und im kommenden Jahr feiern wir mit den „Spiders“ am 28. Oktober mit vielen Gästen in der Münchner Olympiahalle unser 40-jähriges Bandjubiläum. Zu diesem Anlass will ich dann mit den „Spiders“ auch mal wieder eine CD machen.