Der 58-Jährige wurde verurteilt, weil er versucht hatte, seinen Gerichtsvollzieher zu erpressen – auf durchaus seltsame Art und Weise
(ty) Vor dem Landgericht Ingolstadt fand kürzlich die Berufungshauptverhandlung gegen einen 58-jährigen Ingolstädter statt, der wohl als Reichsbürger bezeichnet werden kann. Der Mann war in erster Instanz vom Amtsgericht wegen versuchter Erpressung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt worden. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der Angeklagte einen Gerichtsvollzieher zu erpressen versucht hatte. Diesen Urteilsspruch teilte die Berufungskammer und verwarf demgemäß die Berufung des Angeklagten, mit welcher dieser einen Freispruch erreichen wollte.
Skurrilität erfuhr das Verfahren dadurch, dass der Angeklagte nach seinen Worten als freier, lebendiger und beseelter Mann auftrat und damit zumindest landläufig als so genannter Reichsbürger bezeichnet werde kann – wobei nicht deutlich wurde, ob der Angeklagte sich auch selbst so nennen würde. Als Reichsbürger gelten jedenfalls diejenigen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und/oder die Legitimation ihrer handelnden Organe mit teils sehr nebulösen Argumenten nicht oder zumindest nur bedingt anerkennen. Auf den Angeklagten, der wenige Tage vor der Berufungshauptverhandlung seinem Anwalt gekündigt hatte und sich ohne anwaltlichen Rat verteidigen wollte, traf zumindest Letzteres zu. Aber der Reihe nach.
Ein Ingolstädter Obergerichtsvollzieher war im Rahmen seiner Amtstätigkeit damit befasst, ein rechtmäßiges Vollstreckungsersuchen des Bayerischen Rundfunks durchzusetzen. Der Angeklagte hatte seine Rundfunkgebühren in Höhe von etwa 200 Euro nicht bezahlt, die nunmehr der BR wie gesetzlich vorgesehen durch Erwirkung eines Titels und Einschaltung eines Gerichtsvollziehers beizutreiben versuchte. Wie in diesen Dingen üblich, lud der Gerichtsvollzieher den späteren Angeklagten wegen dessen Zahlungsverweigerung im Mai vergangenen Jahres zu der Abgabe einer Vermögensauskunft vor, um zu prüfen, ob der Angeklagte Mittel hat, um seine Schuld zu begleichen.
Da der Mann aber offenbar nicht zahlen wollte, verstieg er sich darin, nicht nur vom Gerichtsvollzieher die Vorweisung einer amtlichen Legitimation zu fordern, sondern zugleich sollte der auch eine Gründungsurkunde des Staates, des Bundeslandes und der Stadt vorlegen, wozu der Gerichtsvollzieher – durchaus nachvollziehbar – wenig Veranlassung sah.
Bis dahin mag das Verhalten des Angeklagten auch nur skurril erscheinen. In den strafbaren Bereich begab er sich – wie das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht feststellte – jedoch, als er seine Aufforderung mit der Androhung verband, dass bei nicht fristgerechter Übersendung der von ihm eingeforderten Unterlagen zulasten des Gerichtsvollziehers und bei Weiterbetreiben des Vollstreckungsverfahrens ein Pfandrecht über 500 000 Euro sowie die Zahlung von Silberunzen im umgerechneten Wert von 750 000 Euro vermeintlich fällig würden. Zudem würde die Eintragung in einem Schuldnerverzeichnis veranlasst.
Dies hatte der Angeklagte in – eigens angelegten – Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergeschrieben und sie dann dem Gerichtsvollzieher übersandt. Nur bei Verzicht auf die weitere Forderungsbeitreibung wollte der Angeklagte auch von der Geltendmachung seiner willkürlich aufgestellten Forderungen absehen.
Und diese Androhungen sind tatsächlich ernster, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn vergleichbare Vorgehensweisen der so genannten Reichsbürger gerade auch gegenüber Justizangehörigen sind durchaus bekannt. Wenn es gelingt, einen wenngleich in der Sache unrichtigen Titel zu erlangen, sind für den Betroffenen jedenfalls nicht nur unerhebliche Unannehmlichkeiten damit verbunden. „Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt“, gab so auch der als Zeuge geladene Gerichtsvollzieher vor der Berufungskammer an.
Für die Kammer stand daher fest: Einen Anspruch auf die Einstellung des Verfahrens hatte der Angeklagte nicht; trotzdem versuchte er auf den Gerichtsvollzieher mit einer unberechtigten Zahlungsforderung Druck auszuüben, damit dieser das Vollstreckungsverfahren ohne eine sachlichen Grund einstellt. Dies stelle ein empfindliches Übel und die Erfüllung des Tatbestands der versuchten Erpressung dar, so der Vorsitzende Richter. Dessen sei sich der Angeklagte auch zweifellos bewusst gewesen.
Die Berufungskammer prüfte aber ferner weitere, für einen rechtlichen Laien möglicherweise krude anmutende Einwände des Angeklagten wie in jedem anderen Fall auch mit derselben sorgfältigen Art. So wurden im Rahmen der Beweisaufnahme mit dem betroffenen Gerichtsvollzieher und weiterhin dem ermittelnden Beamten nicht nur zwei Zeugen vernommen, sondern die Berufungskammer verlas über eine Stunde lang den fraglichen Schriftverkehr und nahm diesen sodann auch in Augenschein. Der Angeklagte selbst hatte seine Urheberschaft in Bezug auf die Schriftstücke in einer kurzen, von ihm verlesenen Einlassung gar nicht in Abrede gestellt. Aber nach den von ihm aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe er so handeln dürfen.
So konzentrierte sich die Berufungskammer am Ende vor allem auf eine Rechtsfrage: Kann auch derjenige mit der Absicht zur rechtswidrigen Bereicherung handeln, der die Regeln des Staates bricht, an deren Existenz er nicht glaubt und die er gerade durch seine eigenen „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ abbedungen habe? Das Landgericht bejahte diesen Vorsatz und begründete es gleichsam ausführlich. Auch wenn der Angeklagte nämlich noch so überzeugt von seinem Weltbild der fehlenden Legitimation der staatlichen Organe sei, so wisse er dennoch, dass er hiermit gegen die Regeln des Staates, in dem er nun einmal lebe, verstößt. Nur dadurch, dass einzelne Personen oder Gruppierungen ihre eigene Rechtsordnung schaffen, um damit staatlichem Handeln etwa in Form der Anwendung von Strafgesetzen zu entgehen, lasse einen entsprechenden Vorsatz in die Rechtswidrigkeit ihres Handelns nicht entfallen. Ein geordnetes Zusammenleben wäre sonst ja schlechthin unmöglich, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Einwand fehlenden Vorsatzes könne in diesem Kontext daher nicht anerkannt werden.
Der zuständige Gerichtsvollzieher hatte letztlich Glück. Denn bevor der Angeklagte weitere Schritte unternehmen konnte, wurde er aufgrund der Anzeige des Gerichtsvollziehers schon zur Polizei vorgeladen und an einem weiteren Handeln gehindert. Das vom Amtsgericht gefundene Strafmaß erachtete das Landgericht letztlich für zutreffend – deutete aber auch an, dass es sich um ein eher mildes Urteil handele, welches berücksichtige, dass der Angeklagte bislang noch keine Vorstrafen hatte.
Zugleich wies der Vorsitzende Richter abschließend aber auch darauf hin, dass gerade im Wiederholungsfalle mit einem solch milden Urteil nicht mehr gerechnet werden könne. Zumal dann auch sicher an eine möglicherweise gewerbsmäßig erpresserische Begehungsweise gedacht werden müsse, wofür das Gesetz Mindeststrafen von sechs Monaten Freiheitsstrafe vorsähe. Dem Angeklagten legte er daher nahe, sich künftig von derartigen gegebenenfalls im Internet angepriesenen Methoden zur vermeintlichen Verhinderung staatlichen Handelns zu distanzieren.
Denn Recht und Gesetz gelten nun einmal für jeden – und auch selbst geschaffene Regeln machten ein strafbares Verhalten nicht straflos. Ungeklärt blieb am Ende nur die Frage, ob und wie nun der Bayerische Rundfunk doch noch zu seinem Geld kommen kann – dies zu klären, war aber auch nicht Aufgabe des Berufungsgerichts.