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Der Ingolstädter Comedian Chris Boettcher über sein neues Programm, Bockfotzn-Gesichter, Rassismus und fragwürdige Preisverleihungen.

(ty) Selbst Herbert Grönemeyer ist für ihn nicht unantastbar. Und so veralbert er einen der beliebtesten Künstler Deutschlands dermaßen, dass sich selbst der treueste Gröni-Fan kaum ein Lachen verkneifen kann. Zu komisch sind einfach die frei erfundenen pseudo-intellektuellen Textfetzen, die Chris Boettcher ins Mikro nuschelt. Wenn dann noch Peter Maffay und Udo Lindenberg dazustoßen und dabei sozusagen ihre eigenen Klischees erfüllen, dann biegt sich der ganze Saal vor Lachen. Dieses Promi-Treffen ist eines der vielen Highlights von "Freischwimmer", dem neuen Programm des Kabarettisten. Auch in seiner aktuellen Show setzt der 54-Jährige auf einen bunten Mix aus Parodie, eingängiger Musik und heiteren Blick in so manchen Abgrund. Wir haben ihn zum Gespräch getroffen.

 

Chris, Du hast Dein neues Programm "Freischwimmer" genannt. Von was willst du Dich denn da freischwimmen?
Chris Boettcher:
Von allem, was mich stört. Und mich stört einiges. Am liebsten würde ich mich ja freischwimmen von Kim Jong Un, Trump, Putin und ein paar anderen Konsorten. Aber von der Weltpolitik kann man sich ja leider nicht freischwimmen. Aber in deinem persönlichen Umfeld kannst du dich eben schon glücklicher schwimmen. Dazu gehört: Scheidung, Bockfotzn-Gesichtern aus dem Weg gehen oder den nervigen Job hinschmeißen. Ich habe ja zum Beispiel mein Studium erfolgreich abgebrochen. Und das war auch gut so! Dann bin ich damals von Antenne-Bayern weg, weil es mir dort nicht mehr gefallen hat. Und bin dann eben bei Bayern-3 gelandet. Auch ein richtiger Schritt! Und so möchte ich den Leuten Mut machen, sich frei zu schwimmen von diversen Dingen. Wir halten alle viel zu viel fest. Es gibt natürlich Konstanten im Leben, die man auch halten muss. So sollte man seine Liebe finden, gut zu seinen Kindern sein. Klar! Aber sonst haben wir – im Gegensatz zu früheren Generationen – viel mehr persönliche Freiheiten. Und die sollten wir auch nutzen!

Hast Du eigentlich tatsächlich das Freischimmer-Abzeichen?
Boettcher:
Ja, den Frei- und den Fahrtenschwimmer habe ich gemacht. Das war im Hallenbad Ingolstadt.

 

Wie unterscheidet sich Dein aktuelles Programm von Deiner letzten Show "Schluss mit frustig"?
Boettcher:
Bei meinen Programmen bin ich auch Freischwimmer. Meine Show ist fast nie gleich. Ich habe zwar einen programmatischen Überbau, variiere aber häufig. Mal lasse ich wo was weg, mal füge ich etwas dazu. So habe ich zum Beispiel bei meinem Auftritt in Ingolstadt etwas anderes gespielt als kürzlich in Schwabhausen. Wobei ich schon immer in der ersten Hälfte meinen Song "Freischwimmer" spiele. In der zweiten Hälfte schieße ich mich dann auf menschliche Beziehungen ein. Was den Leuten erst nicht immer gefällt, da sie oft mit ihrem Partner da sind. Es muss schon auch immer ein bisschen weh tut – und das mag das Publikum dann am Schluss doch am liebsten.

"Der Trump in mir", so heißt ein Stück von Dir. Gerhard Polt hat einmal zugegeben, dass bei jeder seiner Figuren in seinen Nummern auch immer ein gewisser Teil von ihm selber steckt.  Also zum Beispiel auch, wenn er einen Spießer spielt. Ist das bei Dir auch so?
Boettcher:
Ja, ganz klar! Wir haben ja doch alle auch irgendwo eine spießige Seite in uns. Und wir haben auch alle eine rassistische Seite in uns.  Dieses bayerische "Mir san mir" gegenüber Preußen ist ja auch  eine Form von Rassismus. Der Mensch grenzt eben nun mal gern aus. Das haben wir alle irgendwo drin. Man darf den Rassisten einfach nur nicht rauslassen.

Eine deiner bekanntesten Nummern ist "Zehn Meter geh". Das wird immer noch gern auf Volksfesten gespielt oder auch manchmal von drittklassigen Hochzeits-Bands auf fragwürdige Weise interpretiert. Schmerzt Dich das dann, wenn du so etwas hörst?
Boettcher:
Da hatte ich mal ein Erlebnis. Ich war auf dem Oktoberfest und mir sind zehn betrunkene junge Burschen entgegengekommen. Fast wie eine Gang. Sie hatten sich untereinander eingehakt und haben lautstark "Zehn Meter geh" gesungen. Das fand ich irgendwie schön! Ich habe auch einmal eine CD mit dem Titel "Hoaß und koid" aufgenommen. Darauf sind bayerische Popsongs von mir, die ich zum Teil mit den "Banana Fishbones" eingespielt habe. Da ist auch ein Liebeslied dabei, auf welches ich wirklich stolz bin. Als das dann öfter im Radio lief, kamen etliche Leute auf mich zu und erzählten mir, dass dies ihr Hochzeitslied sei. Und das war der Wahnsinn für mich. Einfach schön.

Ein weiterer Hit von dir ist "In der Pubertät". Nun kommen Deine eigenen Kinder in dieses Alter. Bewahrheitet sich das nun auch alles für Dich selbst?
Boettcher:
Ja, ein bisschen schon. Wobei ich da noch Glück habe. Die sind noch nicht ganz so wild. Meine Buben sind elf und fast 14. Und der Ältere macht schon sehr auf cool! Und er ist auch einer der Größeren in der Klasse. Das gefällt ihm natürlich. Aber er beschützt gleichzeitig auch die Kleineren. Es ist also nicht so unangenehm. Ich hoffe, dass ich weiterhin damit umgehen kann.

Nun hat es ja vor ein paar Wochen diesen Skandal um den "Echo" gegeben. Auch du bist ja schon mit dem "Schlappmaulorden" ausgezeichnet worden. Bedeutet dir so eine Ehrung etwas?
Boettcher:
Jaja, ach Gott! Das war eine größere Sache damals. Da waren bedeutende Politiker wie Helmut Kohl da. Aber eigentlich bedeutet mir eine Auszeichnung gar nichts. Sonst hätte ich mich bei diesen Kabarett-Preisen zur Wahl gestellt. Aber ich finde das inzestuöse Veranstaltungen. Gerade im Fernsehen schustert doch einer dem anderen den Preis zu. Und so ist dann jeder mal dran. Ich merke auch, dass viele Preisträger kein Publikum haben. Ich denke, dass ich das Drei-, Vierfache an Publikum habe als so mancher Preisträger. Mir geht es darum, dass ich mein Publikum gut bespiele und weniger die Preisverleiher.

Die weiteren Termine der aktuellen Tour unter www.chris-boettcher.de


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