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Gewerkschaft: "Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt."

(ty) "Supermarktkasse statt Biertheke: Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Kreis Pfaffenhofen eine dramatische Abwanderung von Fachkräften." Darauf hat die Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten" (NGG) heute unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur hingewiesen. Innerhalb des vergangenen Jahres haben demnach im Landkreis Pfaffenhofen rund 200 Köche, Service-Kräfte und Hotel-Angestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt – das sei jeder neunte Beschäftigte der Branche.

"Angesichts weiterer Lock-Downs bis in den Mai hinein dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt haben", befürchtet Rainer Reißfelder, der als NGG-Geschäftsführer der Region Oberpfalz auch das nördliche Oberbayern mitbetreut. "Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können", so der Gewerkschafter. Für die Lage macht er insbesondere die Einkommens-Einbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: "Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeiter-Geld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen."

Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arzt-Praxen die Büro-Organisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es – so Reißfelder weiter – niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten.

"Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeits-Bedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme." Reißfelder kritisiert: "Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt."

 

Wirte und Hoteliers hätten aus der Sicht der NGG nun die Chance, die Branche neu aufzustellen. Zwar seien viele Firmen nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen. Doch wer künftig überhaupt noch Fachleute gewinnen wolle, müsse jetzt umdenken und sich "zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeits-Bedingungen bekennen". Dazu seien Tarif-Verträge unverzichtbar, unterstreicht Reißfelder.

 "Am Ende geht es um einen Kulturwandel. Auch Service-Kräfte haben ein Recht darauf, vor dem Dienst zu wissen, wann Feierabend ist. Sie haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung – unabhängig vom Trinkgeld. Und auf eine faire Behandlung durch den Chef."

Gastronomen, die das Mittagessen so günstig anböten, dass sie davon das Personal nicht mehr bezahlen könnten, machten ohnehin grundsätzlich etwas falsch, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Gewerkschaft. "Viele Gäste sind durchaus bereit, ein paar Cent mehr für die Tasse Kaffee zu bezahlen – gerade jetzt, wo den Menschen bewusst geworden ist, dass der Besuch im Stammlokal ein entscheidendes Stück Lebensqualität ist", so Reißfelder.

"Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte das Hotel- und Gaststätten-Gewerbe im Landkreis Pfaffenhofen zum Jahreswechsel 1598 Menschen", so die NGG. "Genau ein Jahr zuvor – vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – waren es noch 1796. Damit haben innerhalb von zwölf Monaten elf Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen."

Die Gewerkschaft NGG verweist auf die umfassenden Finanzhilfen des Staates für angeschlagene Betriebe. So könnten sich Hotels und Gaststätten im Rahmen der Überbrückungshilfen in diesem Monat bis zu 60 Prozent der Personal-Kosten bezuschussen lassen, wenn sie Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholten – Stichwort: Restart-Prämie. "Klar ist: Köchinnen, Kellner & Co. freuen sich darauf, endlich wieder Gäste empfangen zu können", so Reißfelder. "Viele arbeiten mit großer Leidenschaft im Service. Auf diese Motiviation können die Betriebe bauen – und sollten das Personal nicht erneut durch prekäre Löhne und schlechte Arbeitszeiten verprellen."

Hier finden Sie alle wichtigen bisher veröffentlichten Beiträge über die Corona-Virus-Krise in der Region im Überblick 


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