Es geht um einen historischen Brauch, heilende Kräfte, den Volksglauben, das Abwenden von Unwettern – und um die Frage: Was gehört überhaupt in ein richtiges Kräuterbüschel?
(ty) Die Kräuterweihe zum bevorstehenden Fest "Mariä Himmelfahrt" am 15. August hat eine lange Tradition. Schon in vorchristlicher Zeit seien den Göttern Heilkräuter geopfert worden – viele erhofften sich davon Schutz oder Gnade. "Aus der Literatur ist zu entnehmen, dass sich der jetzige Brauch bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen lässt", berichtet Andreas Kastner, Kreisfachberater für Gartenbau und Landschaftspflege am Landratsamt von Pfaffenhofen. Der Brauch einer Kräuterweihe zu Mariä Himmelfahrt dürfte seinen Worten zufolge entstanden sein, um heidnische Bräuche abzuwehren beziehungsweise zu verchristlichen. Aus dieser Zeit finde sich in einem römisch-deutschen Pontifikalbuch bereits ein Segensgebet über die Kraft der Heilkräuter.
Zu dem Fest gebe es auch eine schöne Legende, berichtet Kastner: "Als Maria in den Himmel aufgefahren war, strömten aus dem leeren Grab die Düfte von Rosen, Lilien und Heilkräutern. Nach altem Brauch werden die gesammelten Kräuter als Kräuterbüschel gebunden und von den Gläubigen zur Weihe in die Kirche getragen." Mit der Weihe solle Gottes Segen ins Haus gebracht werden, weshalb den Kräuterbuschen auch heute noch in manchen Familien ein besonderes Ansehen beigemessen werde. In bäuerlichen Anwesen wurden die geweihten Kräuter nach dem Trocknen gut aufbewahrt: Sie kamen in den so genannten Herrgottswinkel – aber auch über Türen, unters Dach und in den Stall.
Früher habe man bei heranziehenden Gewittern oder drohendem Unwetter einige der geweihten Kräuter in das offene Feuer geworfen, um es abzuwenden. Zum Schutz vor Krankheiten im Stall habe man einige Kräuter unter das Viehfutter gemischt. Und: Wenn ein Familien-Mitglied erkrankte, habe man vom entsprechenden Heilkraut etwas abgezupft und es es dem Tee beigefügt. "Traditionsgemäß soll sich der Kräuterbuschen aus lebensnotwendigen und heilkräftigen Pflanzen sowie Brotgetreide, Heil- und Gewürzpflanzen zusammensetzen", erläutert Kastner. Den Mittelpunkt bildet seiner Schilderung zufolge dabei in der Regel die Königskerze, auch Wetterkerze oder Muttergotteskerze genannt.
In einigen Gegenden würden anstatt der Königskerze oder zur Ergänzung auch Rosen oder Lilien verwendet. Hinzugeordnet werden laut Kastner der Rohrkolben, der Rainfarn oder das Muttergotteskraut sowie auch das Johanniskraut. Als Heil- oder Gewürzpflanzen fänden außerdem Verwendung: Alant, Arnika, Frauenmantel, Baldrian, Dost, Ringelblume, Melisse, Wegwarte, Holunder, Schafgarbe, Kamille, Salbei, Lavendel, Thymian, Minze, Liebstöckel, Bibernelle und viele mehr. "Nicht fehlen sollten die Hauptgetreidearten Hafer, Gerste, Weizen und Roggen", erklärt Kastner. "Einen farbigen Akzent setzen beim Kräuterbuschen Malven oder Glockenblumen."
Kastner weiß: Nicht jeder fühlt sich der Tradition oder dem Glauben verbunden – dennoch seien die Kräuterbüschel ein schöner Brauch, der die Wertschätzung für die Natur ausdrücke. Außerdem biete es sich an, die eigenen Pflanzen-Kenntnisse zu erweitern sowie sich auf die Kräfte der Natur zu besinnen. "In der aktuellen Thematik wie Klima, Unwetter und Gesundheit, kann das Binden eines Kräuterbuschen auch ein schönes Ritual ohne religiösen Hintergrund sein", findet Fachberater Kastner.