Logo
Anzeige
Anzeige

Wie sich das Klinikum Ingolstadt unendgeldlich um die kleine schwerverletzte Amina aus Afghanistan gekümmert hat – Und jetzt wird sie bald wieder laufen können 

(ty) Es ist eine Art medizinische Odyssee, die die kleine Amina hinter sich hat. Bei einem Autounfall in ihrer Heimat Afghanistan wurde sie schwer verletzt und verlor dabei auch noch ihre Eltern. Was folgte, ist eine lange Leidensgeschichte, die im Krankenhaus in Kabul begann und erst jetzt nach monatelanger Spezialbehandlung im Klinikum Ingolstadt ein kleines Happy End gefunden hat. 

Endlich steht Amina wieder auf eigenen Beinen – ein Gefühl, das wohl niemand wirklich nachvollziehen kann, der nicht weiß, was es bedeutet, seine Beine zu verlieren. So wie das kleine Mädchen aus Afghanistan. Die Beine, mit denen sie derzeit in der Rehaklinik in Bad Soden-Salmünster wieder laufen lernt, sind allerdings nicht ihre natürlichen, sondern Hightechprothesen, die speziell für sie angefertigt wurden. Denn ihre eigenen mussten die Mediziner am Ende einer langen Leidensgeschichte amputieren.

Dabei hatte das Ärzteteam um Matthias Bühler, Oberarzt in der Chirurgischen Klinik II des Klinikums und ein erfahrener Spezialist für septische Chirurgie, viele Monate lang alles dafür getan, um die Beine des jungen Mädchens und vielleicht auch noch weit mehr zu retten. Denn dem jungen Mädchen sei es sehr, sehr schlecht gegangen, als sie im August 2013 ins Klinikum gekommen sei, sagt Agnes Steinweg, Stationsleiterin auf der Kinderstation im Klinikum. Sie war so etwas wie Aminas zweite Mutter in den schwierigen letzten Monaten als schwer kranke Patientin alleine in einem fremden Land. 

Bei einem Autounfall in ihrer Heimat Afghanistan hatte das 14-jährige Mädchen nicht nur seine Eltern verloren, sondern war selbst schwerstverletzt und hatte enorme Schmerzen. Im Krankenhaus in Kabul versorgte man ihre zahlreichen Brüche und Verletzungen notdürftig, aber wirklich helfen konnte man ihr dort nicht. Vor allem die zahlreichen Infektionen bekam man nicht in den Griff und hatte das Mädchen mehr oder weniger seinem Schicksal überlassen. Erst als die Hilfsorganisation „Friedensdorf International“ Amina dort entdeckte, begann eine Wende zum Besseren. Sie fragte bei Kliniken in Deutschland nach, die eine solch komplexe Behandlung übernehmen konnten. Und fanden im Klinikum Ingolstadt Unterstützung, das mit der Chirurgischen Klinik II unter der Leitung von Michael Wenzl und seinem Team um Oberarzt Bühler auch über einen Schwerpunkt in septischer Chirurgie verfügt.

„An die Grenzen geführt“

„Die Geschäftsführung hat sofort ‚ja‘ gesagt“, sagt Bühler dankbar. Denn das kleine Mädchen ist längst auch ihm ans Herz gewachsen. Immer wieder hatte das Ingolstädter Schwerpunktkrankenhaus in der Vergangenheit bedürftige Patienten aus Dritte-Welt-Ländern unentgeltlich behandelt. Der „Fall Amina“ aber dürfte durchaus einzigartig sein. „Man wurde ständig an die therapeutischen Grenzen geführt“, bilanziert der erfahrene Spezialist für septische Chirurgie, der schon vielen Menschen mit schwersten Verletzungen und Infektionen geholfen hat. Es sei schon eine Belastung, „wenn man alle medizinischen Register zieht, und es passiert kaum etwas. So etwas geht einem schon sehr nahe, einen jungen Menschen zu sehen, der so viel zu leiden hat“, so der Oberarzt.

Um den komplizierten Fall zu besprechen, trafen sich regelmäßig Ärzte aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen des Klinikums zu gemeinsamen Sitzungen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Über 20 Mal mussten sie das Mädchen operieren. Das Problem waren dabei nicht so sehr die komplizierten Brüche, sondern vor allem die zahlreichen Infektionen, die sich an verschiedenen Stellen in ihrem geschundenen Körper festgesetzt hatten und die Heilung enorm erschwerten. Mit speziellen Therapieformen wie etwa desinfizierenden Bädern, bei denen mehrere Fachkräfte die betroffenen Stellen reinigten, konnten die Mediziner viel erreichen.

„Angst vor den Ärzten“

Ein Ende aber war auch nach Monaten nicht abzusehen, und Amina hatte große Angst vor den Eingriffen. Wenn ein Arzt ihr Krankenzimmer betrat, begann sie manchmal zu schreien und zu weinen, weil sie sich vor der nächsten Operation fürchtete. So entschieden sich die Ärzte im Juni schweren Herzens doch, die ohnehin schwer beschädigten Beine am Kniegelenk abzunehmen. „Eine schwierige, aber richtige Entscheidung“, so Bühler. Seitdem ging es bergauf, Amina blühte auf und ist immer mehr zu dem fröhlichen Mädchen geworden, das das Team der Kinderstation längst ins Herz geschlossen hat. 

So planten nicht nur Bühler, sondern auch Agnes Steinweg einen Besuch bei ihrer ehemaligen Patientin in Bad Soden-Salmünster, wo Amina derzeit fleißig das Laufen übt, wie ihre ehemaligen Betreuer im Klinikum im regelmäßigen Kontakt mit der Reha gehört haben. Denn das ist gar nicht so einfach. „Das ist am Anfang im wahrsten Sinne des Wortes ein echter Balanceakt“, sagt Bühler. Denn durch die Unterschenkelamputation erfordere das Gehen etwa 70 Prozent mehr Kraftaufwand als mit normalen Beinen oder auch mit kürzeren Prothesen. Amina aber werde das sehr schnell lernen. Das aufgeweckte Mädchen, das längst sehr gut Deutsch spricht, habe ihre neuen Beine voll angenommen und sei sogar stolz auf sie.

Wissen, warum man Arzt geworden ist

Bald wird sie wieder normal laufen können. Nächstes Jahr wird Amina dann wieder in ihre Heimat Afghanistan zurückkehren, wo ihr Onkel und ihre beiden Geschwister bereits auf sie warten. Nur durch enorme Anstrengungen aller Beteiligten und echte Teamarbeit sei das Mädchen erst so weit gekommen, lobt Bühler alle Beteiligten im Klinikum und die Zusammenarbeit mit der Firma Spörer, die die Prothesen kostenlos zur Verfügung gestellt hat. „Wir sind froh, dass wir Amina noch so erleben durften. Das ist gelebte Menschlichkeit außerhalb der MDK-Prüfungen“, sagt er in Anspielung auf die sonst üblichen Kontrollen durch die Krankenkassen, wo oft jede einzelne Anwendung am Patienten geprüft wird. Die Kassen müssen hier keinen Cent bezahlen. Die hohen Kosten trägt das Klinikum selbst. 

„Natürlich kann man immer alles hinterfragen. Auch, ob dieses kleine Mädchen einen so hohen Aufwand rechtfertigt, und warum man ausgerechnet ihr von Millionen von notleidenden Kindern hilft“, so Bühler. „Sicher, sie ist nur ein Kind von vielen. Aber wenn niemand damit anfängt, dann ändert sich auch nirgendwo etwas.“ Gerade in der Medizin, der bisweilen vorgeworfen werde, sie sei zu technisch und schaue zu viel auf Kosten, sei es schön, dass so etwas möglich sei.

Dafür sei er auch der Geschäftsführung des Klinikums um Heribert Fastenmeier dankbar. Den „Fall Amina“ werde er jedenfalls nie vergessen – ein besonders nervenaufreibender, aber auch einer der ihn bei aller professionellen Distanz ganz besonders berührt hat. „Das sind die Momente, in denen man ganz besonders gut weiß, warum man Arzt geworden ist.“


Anzeige
RSS feed