Nach einem Brandbrief des überlasteten Personals schlugen die Wellen hoch: Veränderte Strukturen und ein neues Konzept auf der Intensivstation sollen nun Abhilfe schaffen. Und eine Transparenz-Offensive soll helfen, aus den Negativ-Schlagzeilen zu kommen.
Von Tobias Zell
Die zuletzt in die Negativschlagzeilen geratene Ilmtalklinik hat sich selbst eine Image-und Reform-Kur verpasst. Eine Transparenz-Offensive soll den Qualitätsanspruch deutlich machen. Und aus der öffentlich gewordenen Dauer-Überlastung des Personals wurden Konsequenzen gezogen: Ein Maßnahmenkatalog soll für besseres Belegungs-Management und weniger Bürokratie auf der Intensivstation sorgen. Ein neues Personal-Konzept soll die Aufgaben der Pflegekräfte neu ordnen und diese durch die Einstellung von zusätzlichen Kräften für pflegefremde Tätigkeiten entlasten.
Klinikgeschäftsführer Marco Woedl segelt in seiner Freizeit gern. In den vergangenen Wochen aber blies ihm der Wind eher im Job gehörig ins Gesicht. Ein Brandbrief des Personals an die Geschäftsleitung von Ende Februar war öffentlich geworden. Dessen Inhalt hatte für einen Sturm der Aufregung und Wellen der Empörung gesorgt. Geschildert wurde die „dramatische Situation“ in der Intensivpflege. Das Hauptproblem demnach: Viel zu wenig Personal. Die Folge: Seit Monaten fast durchgehende Überlastung.
Hilfeschrei der Belegschaft
Die Folgen wurden ausführlich geschildert: eine massive Gefährdung der Patienten könne immer weniger ausgeschlossen werden, Patienten in Isolierzimmern seien nicht zu 100 Prozent isoliert, Kontrollen von Verbänden erfolgten nur noch unzureichend, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter sei ungenügend, Medikamente seien immer öfter nicht vorrätig, Patienten sähen ungepflegt aus, hieß es unter anderem. Aus dieser Dauer-Überlastung resultierten zudem „Beinahe-Unfälle“ ebenso wie körperliche und physische Erschöpfung sowie krankheitsbedingte Ausfälle beim Personal.
Kurzum: Der Brief war der ultimative Hilfeschrei der Belegschaft. Nun war man freilich weder in der Klinik-Leitung noch im Aufsichtsrat begeistert, dass der Brandbrief öffentlich wurde. Andererseits hat das wohl dazu beigetragen, die Bemühungen in der Klinikleitung zu beschleunigen. Das ohnehin gestresste Pflegepersonal fühlte sich aber erst recht abgewatscht, als aus dem Aufsichtsrat der Klinik verlautete, man sei enttäuscht, dass sich die Belegschaft auf diese Weise an die Öffentlichkeit gewandt habe. Und dass der Pfaffenhofener Bürgermeister Thomas Herker (SPD) seinen Rückzug aus dem Gremium erklärte, verlieh dem ganzen Wirbel auch noch eine politische Dimension.
Zuletzt immer wieder in den Schlagzeilen: Die Pfaffenhofener Ilmtalklinik.
Landrat Martin Wolf (CSU), der Chef des Aufsichtsrats, wollte Herkers Rückzug zwar nicht kommentieren. Doch das ist auch nicht nötig. Denn erstens sind Wolf und Herker ohnehin nicht gerade dicke Freunde. Und wenn sich zweitens der Rathauschef der Kreisstadt aus dem Aufsichtsrat des Kreiskrankenhauses verabschiedet, ist das nichts anderes als ein Beleg dafür, dass da einiges nicht zusammenpasst. Herker hat jedenfalls schon einmal durchblicken lassen, sich künftig offensiver und lautstärker zum Thema Ilmtalklinik äußern zu wollen. „Durch mein Amt und der damit verbundenen Schweigepflicht war ich in der Vergangenheit daran gehindert, öffentlich meine Meinung und Position zu vertreten, da ich immer Gefahr lief, in Konflikt mit der Ausübung meines Mandats zu kommen“, wurde er in einem Medienbericht zitiert.
Nun hat sich in der Zeit zwischen dem Verfassen des Brandbriefs und dessen Auftauchen in der Öffentlichkeit offenbar die Situation an der Klinik bereits entschärft. Doch es herrscht immer noch unruhige See. „Wir müssen die Transparenz hier verbessern, das haben wir erkannt“, räumte Woedl am Freitag in einem Pressegespräch selbstkritisch ein. Der ganze Wirbel offenbar nämlich auch ein Kommuniaktions-Debakel. Denn es gibt ja durchaus Gründe für den Personalmangel und die daraus folgende Überlastung – und Woedl schaute ja angeblich auch nicht tatenlos zu. Er bastelte nach eigenen Angaben schon Monate vor dem Brandbrief an einer Lösung – doch kommuniziert wurde das halt offensichtlich nicht oder unzureichend. Und so schlugen die Wellten immer höher, bis am Ende ein Tsunami über die Klinik hereinbrach.
Sechs Kündigungen – und Fachkräftemangel
Hintergrund des Personalmangels sind zum Beispiel sechs Kündigungen zum Ende vergangenen Jahres. Und angesichts des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt sind diese Lücken eben nicht leicht und schon gar nicht schnell zu schließen. Laut Woedl haben sich durch diesen Engpass bis heute 800 Überstunden angesammelt. Hinzu kommt, dass die Ilmtalklinik bei den Patienten sehr gefragt ist – also eigentlich eine gute Nachricht. Doch durch die Kündigungen und das darüberhinaus steigende Patientenaufkommen habe sich eben diese „zugespitzte Situation“ ergeben, so Dr. Martin Lampen, stellvertretender Organisatorischer Leiter der Intensivstation und Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie.
Doch nun soll Schluss sein mit den Negativ-Schlagzeilen. Deshalb haben Woedl und Lampen sowie Dr. Reinhard Lange als Vertreter der Chefärzte und Pflegedirektorin Marianne Sigl-Wilke jetzt erläutert, was passieren soll, damit so etwas eben nicht mehr passiert.
Der Maßnahmenkatalog für die Intensivstation steht seit April, die Umsetzung sei in Gange. „Das Belegungsmanagement wurde deutlich verbessert“, sagte Woedl. „So stellen wir sicher, dass Patienten schnell ihr endgültiges Zimmer bekommen und kaum Wartezeiten entstehen.“ Um weniger Kapazitäten zu binden und mehr Zeit für die Patienten zu gewinnen, gebe es eine wesentliche Verbesserung auf der Station: Bisher wurden Überwachungspatienten, die nur etwa vier Stunden auf der Station sind, geführt wie Intensivpatienten. „Hier haben wir viel unnötige Büroarbeit gestrichen“, so Woedl.
"Wir hatten früher auch Besprechungen"
Um die Abläufe und Belegungen auf der Intensivstation besser zu koordinieren, wurde der Posten eines organisatorischen Leiters geschaffen. Der bespricht nun mit den maßgeblichen Kollegen drei Mal am Tag die Situation. Wie viele Betten sind frei? Wie viele Beatmungsgeräte sind frei? Müssen nicht so dringende Operationen verschoben werden, um freie Kapazitäten für Notfälle zu haben? Sollten Patienten ins Verbundkrankenhaus Mainburg verlegt werden, um Wartezeiten zu verringern? Darum geht es unter anderem. Freilich drängt sich da die Frage auf, ob man sich denn diese Gedanken zuvor nicht gemacht hat. „Wir hatten früher freilich auch Besprechungen, aber es ändert sich eben vieles“, so Lange. Und irgendwie drängt sich eben das Gefühl auf, dass es einfach Zeit war, manche Abläufe einmal grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.
Die sechs Kündigungen vom Jahresende sind laut Woedl inzwischen kompensiert, so dass aktuell wieder 22 Vollzeitkräfte auf der Intensivstation tätig sind. Dennoch fehlen noch fünf, sechs Pflegekräfte. „Wir haben nach wie vor große Probleme bei der Personalakquise“, räumt Woedl ein. Das gilt aber bekanntlich für die gesamte Branche, Stichwort: Fachkräftemangel. Die Ilmtalklinik sucht deshalb sogar über Headhunter nach möglichen Kräften für die Intensivstation und zahlt angeblich sogar Prämien, um Fachkräfte zu bekommen.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, wurde auch das Konzept „MixPro“ entwickelt. Das heißt, es werden zusätzlich zehn bis 15 Leute eingestellt, die dann pflegefremde Tätigkeiten (wie Bettwäsche wechseln und Regale auffüllen) übernehmen. Weil für solche Aufgaben eben keine examinierten Pflegekräfte nötig sind, hofft man, diese Stellen rasch zu besetzen und damit das Personal zu entlasten. „Dafür fallen zwar Investitionen an, die uns angesichts eng gesteckter Rahmenbedingungen nicht leicht fallen“, sagt Woedl. „Aber sie sind dringend nötig, um die sehr gute Arbeit unserer Pflegekräfte zum Wohl der Patienten zu sichern.“
"Mitarbeiter leisten Überdurchschnittliches"
Nach einer Konsolidierungsphase sei jetzt der Punkt erreicht, an dem die Belegschaft deutlich entlastet werden müsse, betont Woedl. „Unsere Mitarbeiter leisten Überdurchschnittliches. Das geht unter erschwerten Bedingungen für eine bestimmte Zeit – aber nicht auf Dauer.“ Auch Pflegedirektorin Marianne Sigl-Wilke verspricht sich vom Mix-Pro-Konzept eine deutliche Entlastung der Pflegekräfte.
Änderungen auf der Intensivstation, das neue Mix-Pro-Konzept und eine Transparenz-Offensive. Woedl spricht von einer „kleinen Revolution“. Es werde „ganz neue Strukturen mit neuen Kompetenzen und Tätigkeitsprofilen“ geben. Damit will der Hobby-Segler sein Haus wieder in ruhiges Fahrwasser bringen. Und mit einer besseren Öffentlichkeitsarbeit soll das auch publik werden. „Als kommunales Krankenhaus stehen wir unter besonderer Beobachtung der Politik“, hat Woedl erkannt. Deshalb lade er alle Kreisräte und Bürgermeister ein, sich selbst ein Bild von der Arbeit in der Klinik zu machen. Und den Pfaffenhofener Bürgermeister hat Woedl nach dessen Rückzug aus dem Aufsichtsrat um ein Gespräch gebeten. „Der gehört eigentlich da rein“, findet Woedl.
Laut einer von Woedl veröffentlichten Patientenbefragung würden 97 Prozent wieder in die Ilmtalklinik gehen. Nun soll offensichtlich alles dafür getan werden, dass auch das Personal und die Kreispolitik mit dem Krankenhaus zufrieden ist.