Mit einem Stummel-Maibaum vor dem Rathaus prangern Unbekannte an, dass man hier seit Jahren keinen mehr hochgekriegt hat
(ty) Würde man es im Freistaat Bayern wagen, ganz im Ernst einen solch kümmerlichen Maibaum in die Vertikale zu hieven, man wäre der Lächerlichkeit preisgegeben und würde zum Gespött der umliegenden Ortschaften. Aber was da in Wolnzach in der vergangenen Nacht von Unbekannten aufgestellt wurde, dieses Stummelchen von einem Maibaum, soll offenbar ganz bewusst so etwas wie die „Schande von Wolnzach“ symbolisieren.
Direkt vor dem Rathaus wurde der Mini-Maibaum platziert, geschätzte vier Meter hoch und weiß-blau angemalt. Mit bayerischen Fahnen dekoriert und mit einem kleinen Nadelbäumchen oben drauf. Versehen außerdem mit einer Tafel, auf der mehrere Zettel mit Botschaften befestigt sind. Zu erfahren ist unter anderem, dass im Rathaus drinnen angeblich keiner einen „Arsch in der Hose“ hat. Ob sich Bürgermeister Jens Machold (CSU) angesprochen fühlen sollte, kann jeder für sich entscheiden.
Beklagt wird aber vor allem, dass es im sonst so stolzen Wolnzach („Es gibt Schwarze, Weiße und Wolnzacher“) seit Jahren keinen Maibaum mehr vor dem Rathaus gibt. So mancher sieht in diesem Zustand offenbar nicht weniger als die Kastration des Brauchtums – nicht selten werden Maibäume ja auch als Phallus-Symbole gedeutet.
Die sexuelle Dimension muss an dieser Stelle nicht vertieft werden. Nur so viel noch: Unbekannte haben sich über Nacht aufgemacht, um anscheinend genau diese Traditions-Impotenz in Wolnzach anzuprangern. Der Miss-Stand, dass man hier vor dem Rathaus seit Jahren keinen mehr hochkriegt, wird karikiert durch einen Stummel-Maibaum.
Die satirische Installation taugt jedenfalls dazu, die Hoffnung zu nähren. Darauf, dass nach der Umgestaltung des Rathaus-Vorplatzes die Wolnzacher Maibaum-Kultur vielleicht doch wieder eine Renaissance erfährt. Die SPD blitzte ja schon zwei Mal mit einem Antrag ab.