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Die Reihe der Gewalttaten in Ingolstadt scheint nicht abzureißen. Welche Fälle die Schanzer seit der Geiselnahme im Rathaus in Atem hielten

(ty) Die Reige von Gewalttaten in Ingolstadt scheint nicht abzureißen. Erst am Sonntag gab es zwei weitere erschütternde Fälle: In Ringsee hat ein 43-Jähriger zuerst mit neun Schüssen den 48-jährigen Familienvater Albert R. getötet und sich dann im Treppenhaus des Polizeipräsidiums selbst das Leben genommen. Nur wenige Stunden später hat ein 41-Jähriger in der Hindenburgstraße versucht, seine 35-jährige Ex totzufahren.

Begonnen hat die schreckliche Serie auf der Schanz mit der Geiselnahme im Rathaus am 19. August, als ein psychisch kranker und mehrfach vorbestrafter 24-Jähriger mehrere Menschen stundenlang in seiner Gewalt hatte. Am 3. September lag dann der 50-jährige Boxpromoter in der Streiterstraße tot in seinem Blut. Am 10. September wurde der 33-jährige wohnsitzlose Hans-Jürgen B. in der Alban-Berg-Straße umgebracht. Am 24. September kam die Polizei zufällig vorbei, als ein 52-Jähriger in Manching auf einem Supermarkt-Parkplatz seine 48-jährige, getrennt von lebende Frau mit einem Meißel erschlagen wollte. Und am vergangenen Sonntag nun geriet Ingolstadt schon wieder wegen schrecklicher Taten in die Schlagzeilen.

 

19. August: Geiseldrama im Alten Rathaus

An dem Tag, als eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Rahmen des Wahlkampfs auf dem Ingolstädter Rathausplatz sprechen sollen, kommt alles anders. Ein 24-jähriger Mann dringt am Morgen ins Alte Rathaus ein und nimmt im zweiten Stock vier Geiseln – darunter den Dritten Bürgermeister Sepp Mißlbeck (FW) und eine 25-Jährige Angestellte, auf die er es schon seit Längerem abgesehen hat. Bewaffnet ist er mit einer Pistole, die sich später als täuschend echtes Imitat herausstellen wird, und einem großen Messer. 

Bei dem Geiselnehmer handelt es sich um einen mehrfach vorbestraften und psychisch kranken Mann, der als Stalker die 25-jährige Rathaus-Angestellte schon länger im Visier hat. Erst kurz davor stand er deswegen vor Gericht, kam aber mit einer Bewährungsstrafe davon. Seine Gefährlichkeit wurde offensichtlich nicht erkannt. Die Ingolstädter Rathäuser durfte er wegen mehrerer Vorfälle nicht mehr betreten. Seine Forderung lautet offenbar auf Rücknahme dieses Hausverbots.

Ein neunstündiger Nervenkrieg beginnt. Als das SEK schließlich gegen 17.30 Uhr dem Drama mit einem Zugriff ein Ende setzt, sind noch zwei Personen in der Gewalt des Geiselnehmerns, die anderen beiden ließ er vorher gehen. Durch gezielte Schüsse in Schulter und Bein wird der 24-Jährige außer Gefecht gesetzt, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Die Geiseln bleiben körperlich unversehrt.

 

3. September: Mario Wrede wird in der Streiterstraße getötet

Der 50-jährige Boxpromoter Mario Wrede liegt am 3. September gegen 8 Uhr in der Streiterstraße im Ingolstädter Westen in seinem Blut. Die Leiche weist sowohl eine tödliche Schussverletzung im Bereich des Oberkörpers auf als auch tödliche Kopfverletzungen, die auf „stumpfe Gewalt“ schließen lassen. Das wird später die Obduktion ergeben. Noch am Tatort wird der 45-jährige Peter F. festgenommen. Er gilt als dringend tatverdächtig, Mario Wrede getötet zu haben.

Woher die Waffe kam, ist unklar: Keiner der beiden Männer hat die Pistole der Marke Ceska vom Kaliber 7,65 legal besessen. Rätselraten herrscht auch über das Motiv: Warum musste Wrede sterben? Warum kam es überhaupt zu der tödlichen Auseinandersetzung? Möglicherweise ging es um Vertragsangelegenheiten – doch die hätten sich freilich auch auf juristischem Wege klären lassen.

Peter F. landet jedenfalls in Untersuchungshaft. Inzwischen ist der Haftbefehl aber außer Vollzug gesetzt worden und der zunächst als dringend tatverdächtig geltende 45-Jährige ist wieder auf freiem Fuß. Das spricht dafür, dass sich die Indizien verdichten, dass Peter F. doch – wie er selbst sagt – in Notwehr gehandelt hat. Sein Anwalt, Klaus Wittmann, hatte von Beginn an erklärt: „Ich sehe nichts, was man ihm vorwerfen könnte, außer dass er sich verteidigt hat – und das ist nicht strafbar.“

Möglicherweise hat sich das Ganze also ganz anders abgespielt, als es zunächst den Anschein hatte. Wie Wittmann ausführte, sei Peter F. von Mario Wrede zu einem Gespräch in die Streiterstraße bestellt worden. Die Unterhaltung – wohl über vertragliche Angelegenheiten bezüglich eines Sportstudios in der Goethestraße – eskalierte, es sei zum Streit und zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen. Der Schuss habe sich dann „in einer  Auseinandersetzung um die Waffe gelöst“. Laut Wittmann hätte Peter F. überhaupt kein Motiv gehabt, Wrede zu töten. Zudem sieht er keine weiteren Spuren, die den Tatverdacht gegen seinen Mandanten stützen.

 

10. September: Hans-Jürgen B. wird in der Alban-Berg-Straße erschlagen

Eine Frau, die mit ihrem Hund Gassi geht, macht in den Morgenstunden auf einer Wiese an der Alban-Berg-Straße eine schreckliche Entdeckung. Da liegt die blutüberströmte Leiche eines jungen Mannes. Zunächst ist nicht klar, um wen es sich handelt. Doch bald steht fest: Der Tote ist der 33-jährige Hans-Jürgen B., der bis Juli noch in Haft saß und seither ohne festen Wohnsitz ist.

Die Ermittler gehen schnell von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt aus. Die Obduktion erbringt als Todesursache „massive Einwirkung stumpfer Gewalt gegen Kopf und Körper“. Die Polizei bittet um Hinweise aus der Bevölkerung, will das Umfeld des Toten aufhellen, veröffentlicht Bilder von Hans-Jürgen B., dessen Kleidung und Rucksack.  Mit Erfolg. 

Nach Hinweisen auf mögliche Kontaktadressen des Opfers und weiteren Recherchen der Kriminalbeamten kommt es zur Festnahme eines tatverdächtigen 18-Jährigen. Er und das Opfer waren im Vorfeld der Tat bei einer gemeinsamen Zechtour unterwegs. Die Staatsanwaltschaft beantragt Haftbefehl gegen den Beschuldigten. Er sitzt seither in U-Haft und hat bereits eingeräumt, in eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Opfer verwickelt gewesen zu sein.

  

24. September: 52-Jähriger will seine getrennt lebenden Frau (48) erschlagen

Als gegen 22.15 Uhr eine uniformierte Streife der Verkehrspolizei Ingolstadt im Industriegebiet von Manching unterwegs ist, werden die Beamten zufällig Zeugen eines Mordversuchs. Ein 52-jähriger Mann will gerade seine 48-jährige, von ihm getrennt lebende Frau auf dem Parkplatz eines Supermarkts mit einem Meißel erschlagen.

Die Polizisten eilen dem Opfer zur Hilfe. Der Täter will flüchten, wird gefasst – auch, weil Passanten helfen. Die Frau erleidet Kopfverletzungen, ist jedoch nicht in Lebensgefahr.

Der 52-Jährige sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Neben dem versuchten Mord an seiner Frau wird ihm zur Last gelegt, im August den geparkten Pkw eines Bekannten in Manching in Brand gesteckt zu haben. Dabei wurden insgesamt drei Fahrzeuge beschädigt.

 

6. Oktober: Tödliche Schüsse in Ringsee und im Polizeipräsidium

Der 43-jährige Raimund H. aus Großmehring taucht gegen 19 Uhr in der Klein-Salvatorstraße in Ringsee auf. Aus geringer Entfernung schießt er aus einer Pistole neun Mal auf den 48-jährigen Familienvater Albert R., richtet ihn regelrecht hin. Mehrere Kugeln landen im Kopf des Opfers.

Nach der Bluttat steigt Raimund H. in seinen VW-Bus und fährt ins Polizeigebäude an der Esplanade. Dort schießt und bricht er die Tür zum Sicherheitsbereich auf und gelangt ins Treppenhaus. Als er von Beamten bemerkt wird und diese ihn auffordern, die Waffe wegzulegen, erschießt er sich mit seinem Revolver.

Raimund H. war Jäger und Sportschütze. In seiner Wohnung haben die Beamten gestern 20 Schusswaffen gefunden. Die waffenrechtlichen Hintergründe werden derzeit abgeklärt. Unklar sind nach wie vor die Hintergründe der Tat. Da es sich bei dem Todesschützen um den Mann der Ex-Frau seines Opfers handelt, ist eine Beziehungstat nicht unwahrscheinlich. Die Polizei spricht davon, dass „zwischen dem Täter und dem Opfer ein komplexes privates Beziehungsgeflecht“ bestanden habe. Zudem war Raimund H., der früher – wie auch sein Opfer – bei Audi gearbeitet hat und später auch im Sicherheitsdienst des ERC, seit Längerem krank. Von Depressionen ist die Rede. 

 

6. Oktober: 41-Jähriger will seine Ex-Freundin totfahren

Ein 41-Jähriger zieht am Sonntag gegen 23.30 Uhr in der Hindenburgstraße mit seinem Auto ganz bewusst auf den Fußgängerweg. Dort geht gerade seine Ex-Partnerin mit einem Begleiter. Der Wagen erfasst beide. Die Frau wird vorsätzlich angefahren und schwer verletzt; ihr 34-jähriger Bekannter erleidet leichte Verletzungen.

Gegen den 41-Jährigen wurde Haftantrag wegen versuchten Mordes gestellt. Laut Polizei steuerte der Mann seinen Wagen vorsätzlich auf den Fußgängerweg und erfasste die Frau frontal. Der Mann konnte noch am Tatort festgenommen werden. Aufgrund der bisher bekannten Umstände gehen die Kripo und die Staatsanwaltschaft Ingolstadt von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Die Staatsanwaltschaft hat Haftantrag gegen den Mann beantragt. Der Beschuldigte wurde am späten Dienstagnachmittag dem Ermittlungsrichter vorgeführt, der dem Haftbefehlsantrag wegen versuchten Mordes stattgab.


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