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Zur Eröffnung einer ungewöhnlichen Ausstellung, die sich mit dem Thema Autismus befasst, waren am Freitagabend über 100 Leute in die städtische Galerie von Pfaffenhofen gekommen

(ty) Die Organisatoren des Pfaffenhofener Arbeitskreises Inklusion nahmen den Satz „Der Autismus ist das Gefängnis des denkenden Menschen“ als Ausgangspunkt einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Autismus. Für die Ausstellung in der städtischen Galerie im Haus der Begegnung sind verschiedene Künstler gebeten worden, auf den Satz zu reagieren und ihn in ihre Arbeit einfließen zu lassen. Zur Vernissage waren am Freitagabend mehr als 100 Leute gekommen – das ist ebenso bemerkenswert wie die Ausstellung an sich.

Bereits im Foyer begrüßt die "Prinzessin mit autistischen Gedanken" von Laura Lange das Publikum. Auch der Satz "Der Autismus ist das Gefängnis des denkenden Menschen" stammt von Lange. Er bildete den Gedankenimpuls für die Annäherung und Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Inklusion-Kunst-Autismus“ für die speziell in Pfaffenhofen gezeigte Gruppenausstellung, die wiederum Bestandteil einer durch die "Aktion Mensch" geförderten dreiteiligen Ausstellungs-Projektreihe in der Region 10 ist.

 

Initiatoren und Träger der Ausstellung sind der Pfaffenhofener Arbeitskreis Inklusion, „pro familia“ und die Offenen Hilfen des Landkreises, Regens Wagner Hohenwart, Lebenshilfe-Werkstätten der Region 10 und das Heilpädagogische Zentrum Pfaffenhofen. Insgesamt 23 Künstler und Künstlerinnen mit 28 Exponaten waren dem Aufruf des Arbeitskreises gefolgt, dieses Leitmotiv aus ihrer individuellen Perspektive umzusetzen: Wacky Singer, Tita Heydecker, Kollektiv ag hohe warthe, Tatti und Bruni Auberer, Laura Lange, Manfred Mensch Mayer, Helene Charitou, Natalie Ponsot, Tita Heydecker, Ulrike Blechschmidt, Stefan Egerer, Günter Merkl, habl-kunst, Dagmar Strumiensky, Kiki Mittelstaedt, Brigitte Bieber, Manfred Bergmeier, Markus Döring, Daniela Koch, Alfred Kügler, Florian Sturm, Caroline Jung und Richard Kienberger. 

Die in großer Zahl erschienenen Besucher wurden mit leisen Gongschlägen auf den offiziellen Beginn der Vernissage eingestimmt. Diese wurde durch Texte von Raphael Müller, ein im Rollstuhl sitzender jungen Mann, eröffnet. Mittels Prosa und Lyrik schildert er aus der eigenen Perspektive das Leben und die Gedankenwelten eines Menschen mit Autismus. Da er nicht sprechen kann, wurde ihm von seiner Mutter gefühlvoll die Stimme geliehen und die mittels der Technik der "Gestützten Kommunikation" entstandenen Texte vorgelesen. Der junge Mann verfügt mittlerweile über ein beeindruckendes Oeuvre von fünf erschienenen Büchern. Die vorgetragenen Passagen stammten aus seiner Autobiographie "Ich fliege mit zerrissenen Flügeln" und einer aktuellen Reflexion über das vorgegebene Motto der Ausstellung.

 

Eva Sindram vom Arbeitskreis Inklusion und von „pro familia“ begrüßte die Besucher, unter denen auch die städtische Referentin für Senioren- und Behindertenbelange, Verena Kiss-Lohwasser (SPD), war. Sindram berichtete über die Vorgeschichte der Ausstellung und würdigte den Gedankenimpuls von Lange, die selbst der Vernissage beiwohnte.  

Eine wohltuend unkonventionelle und überzeugende Laudatio hielt die Kunstpädagogin Anna-Maria Schirmer. „Inklusion bedeutet nicht, dass wir an unseren Vorstellungen von normal festhalten und Menschen, die unsere Normvorstellung aus welchen Gründen auch immer nicht erfüllen können trotzdem einen Platz unter uns gewähren“, führte sie aus. Nehme man das Projekt Inklusion ernst, dann bedeutet das, „dass wir die Bereitschaft aufbringen müssen, immer wieder neue Entwürfe voneinander zu machen“. Es bedeute, „dass wir Unterschiedlichkeit zur Normalität erklären, und alles, von unserer Haltung bis hin zu unseren Institutionen so formen, dass Diversität möglich und gewünscht ist“. In der Kunst könne, so Schirmer weiter, nie sicher sein, schon alles wahrgenommen zu haben. „Vorsichtige Annäherungen zeigen uns die Werke der Ausstellung. Sie zeigen uns, wie wir versuchen können, Fäden – nicht des Verstehens, aber des Verstehen-wollens – zu spinnen zwischen.“ Und: „Wenn wir gut genug geübt haben, Fäden zu spinnen, dann können wir vielleicht auch Inklusion.“

 

Es gilt, mit den Mitteln der Kunst der künstlerischen Aufmerksamkeit zu diesen autistischen Welten in Beziehung zu kommen. Die Ausstellung zeigt individuelle Auseinandersetzungen und Sichtweisen von verschiedenen Künstler-Menschen – alle mehr oder weniger autistisch – auf, sich diesem geheimnisvollen, labyrinthischen Zustand mit den Ausdruckmitteln der Kunst anzunähern. Dies geschieht durch Malerei, Fotografie, Skulptur und Objekt-Kunst. Alles Gezeigte und Nichtgezeigte sind Deutungsversuche. Sind persönliche Reflexionen: Was ist Autismus? Wie ist Autismus? Was kann der Satz „Der Autismus ist das Gefängnis des denkenden Menschen“ bedeuten? 

Die Ausstellung läuft bis einschließlich 12. Februar. Die Öffnungszeiten der städtischen Galerie im Haus der Begegnung: Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und 13.30 bis 16.30 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am Sonntag, 12. Februar, wird im Rahmen einer Finissage ab 14.30 Uhr eine Kurzlesung sowie von Manfred „Mensch“ Mayer (mitausstellender Künstler und Mitglied des Arbeitskreises Inklusion) eine Führung angeboten. 


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