Ein inzwischen geklärter Fall zeigt auch, wie aus berechtigter Sorge zunächst beängstigende Gerüchte und letztlich Fake-Botschaften entstehen können.
Von Tobias Zell
Am Freitag war das Mädchen aus Gerolsbach auf dem Heimweg von der Schule von dem fremden Mann angesprochen worden. „Er sagte wohl zu ihr, dass er ihr einen Teddy schenken möchte“, heißt es in einer Nachricht, die über soziale Netzwerken die Runde machte. „Bitte haltet auch die Augen offen“, so der Appell. Die Botschaft klingt höchst alarmierend. „Zufällig fuhr gerade der Vater von dem Mädchen mit dem Bulldog vorbei und sah das Auto, einen dunkelgrauen VW Caddy mit SOB-Kennzeichen, stehen. Der Mann stieg daraufhin fluchtartig ins Auto und fuhr davon.“ Die Eltern des Kindes haben sich an die Pfaffenhofener Polizei gewendet, wie man dort bestätigt. Aber was ist dran an der so bedrohlich wirkenden Geschichte, die schlimmste Befürchtungen aufkommen lässt?
Gleich vorweg: Die Polizei hat inzwischen Entwarnung gegeben. „Der vorerst unbekannte Mann bekam ebenfalls von der kursierenden Warnmeldung mit und meldete sich selbstständig bei der Polizei“, teilte das Polizeipräsidium Oberbayern-Nord mit. Nach Prüfung durch die Pfaffenhofener Inspektion „stellte sich der Sachverhalt als harmlos dar“, heißt es weiter. Und: „Es bestand somit keine Gefahr für das Mädel.“
Auch unserer Redaktion war die Warnmeldung übermittelt worden. Natürlich ist in solchen Fällen höchste Sorgfalt geboten. Nichts soll verharmlost werden, keinesfalls möchte man allerdings Panik schüren. Vergangene Fälle, auch bundesweit, zeigen, wie schnell solche Meldungen eine unglaubliche Dynamik erfahren und ungeahnte Dimensionen entfalten können. Zumal in Zeiten von Internet, Whats-App und sozialen Netzwerken. Das kann von Vorteil sein, wenn gefahndet oder um Hinweise gebeten wird. Das kann zum Problem werden, wenn Falschmeldungen sich im Schneeball-System zur Fake-Lawine entwickeln.
Im vorliegenden Fall liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Gut, dass die Menschen wachsam sind, heißt es von der Polizei. Lieber einmal zu oft angerufen als weggeschaut. Doch dann ist da noch die andere Seite der Medaille. Von „Auswüchsen“, spricht man bei der Pfaffenhofener Inspektion. Denn bald machte sozusagen ein Update zu dem Fall in Gerolsbach die Runde. In Weilach, so wurde kolportiert, habe es ein ähnliches Vorkommnis gegeben. Wieder sei es ein VW Caddy mit Schrobenhausener Kennzeichen gewesen. Dann angeblich auch in Scheyern, wo ebenfalls ein Mädchen an der Mittelschule von einem Mann angesprochen worden sein soll. „Vermutlich derselbe wie am Freitag in Gerolsbach“, wurde gemutmaßt. Weitere angebliche Fälle sind der Polizei aus Reichertshausen und Rohrbach zu Ohren gekommen.
An mehreren Orten in der Region soll der Unbekannte – den kursierenden Mutmaßungen und Warnungen zufolge – in diesen Tagen aufgetaucht sein. Dabei wurden die Botschaften offenbar immer dramatischer, schaukelten sich möglicherweise hoch. Laut Pfaffenhofener Polizei hat letztlich sogar das Gerücht die Runde gemacht, dass ein Mädchen von dem Unbekannten in ein Auto gezerrt worden sein soll. Gesehen hat das freilich keiner. Nur davon gehört. Dran war nichts. Deshalb mahnt die Polizei: „Man sollte solche Meldungen nicht weiterverbreiten, ohne den Wahrheitsgehalt geprüft zu haben.“
Bei der Pfaffenhofener Polizeiinspektion hatte man – so wurde unserer Zeitung auf Anfrage erklärt – direkt nach der Meldung über den Fall in Gerolsbach die Ermittlungen aufgenommen. Letztlich war auch eine Fahndung nach dem besagten VW Caddy herausgegeben worden. Die Gesetzeshüter in der Region hielten nicht nur die Augen offen, auch weitere Nachforschungen wurden angestoßen. Und während die Beamten ermittelten, unter anderem sämtliche Halter von in Frage kommenden Autos unter die Lupe nahmen, verbreiteten sich die Warnungen wie ein Lauffeuer.
Auch der ominöse Unbekannte hatte schließlich mitbekommen, dass nach ihm gesucht wird. Er habe sich daraufhin selbst bei der Polizei gemeldet. Die Beamten nahmen ihn umfassend ins Visier, prüften intensiv. Wie ein Polizei-Sprecher nun erklärt, seien dem Mann – der sicher nicht gerade geschickt agierte – keine bösen Absichten zu unterstellen. „Er wollte dem Kind in Gerolsbach offenbar tatsächlich nur eine Freude machen.“ Nach umfangreichen Recherchen sei alles Weitere auszuschließen. Die angeblichen anderen Fälle in der Region, von denen in den sozialen Netzwerken die Rede war, wurden der Polizei so nie gemeldet.