1500 IG-Metaller protestierten heute in Manching gegen Sparpläne für Cassidian im Zuge des EADS-Konzernumbaus. Sie fordern den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und ein Eingreifen der Politik
Von Tobias Zell
Rund 1500 Menschen sind heute Vormittag dem Aufruf der IG Metall zur Protestkundgebung bei Cassidian in Manching gefolgt. Hintergrund ist die Angst vor der Streichung von Arbeitsplätzen durch den groß angelegten Konzern-Umbau bei EADS. Manching ist mit rund 4400 Beschäftigten der weltgrößte Cassidian-Standort und man muss davon ausgehen, dass die Umstrukturierung auch an ihm nicht spurlos vorübergeht. In deutlichen Worten kritisierten mehrere Redner den Sparkurs, machten sich für den Erhalt der Arbeitsplätze stark und forderten unter Applaus ein Eingreifen der Politik.
„Es wird Zeit, dass wir den Konzernlenkern zeigen, was wir von zehn Prozent Rendite auf Kosten unserer Arbeitsplätze halten“, rief Tobias Weber, Vertrauenskörperleiter der IG Metall im Militärischen Luftfahrtzentrum, vor den Toren Ingolstadts in die trotz der Eiseskälte aufgeheizte Stimmung. Weber begrüßte auch Kollegen von MDBA aus Schrobenhausen, von Cassidian Unterschleißheim und vom EADS-Hauptquartier in Ottobrunn.
Thomas Pretzl, Betriebsratsvorsitzender bei Cassidian in Manching und Gesamtbetriebsratschef von EADS Deutschland, nahm EADS-Chef Tom Enders unter Beschuss. Der habe bei der Sitzung des europäischen Betriebsrats einen „signifikanten Personalabbau“ angekündigt und in derselben Veranstaltung erklärt, Cassidian werde heuer wieder die profitabelste Division in der EADS-Gruppe sein. „Uns rauszuschmeißen, die die höchsten Gewinne machen, das ist blanker Unsinn“, wetterte Pretzl. „Wegen dieser Maßlosigkeit müssen wir und unsere Familien zu Weihnachten um unsere Existenz bangen.“
Bernhard Stiedl (links) von der IG Metall und Betriebsratschef Thomas Pretzl.
„Wir sagen heute Nein zu diesem Arbeitsplatzabbau. Wir sagen heute Nein zu dieser Gier! Und wir sagen Nein zu diesem Stil“, proklamierte Pretzl. “Wir wollen einfach nur unsere Arbeit machen – mit Perspektive, in einer stabilen Organisation.“ Seine Botschaft: Cassidian sei kein Sanierungsfall. „Wir machen genug Gewinn. Wir hatten genug Arbeitsplatzabbau. Und wir haben genug Angst um unsere Arbeitsplätze. Dr. Enders, es reicht!“
Außerdem verweist Pretzl darauf, dass bis Mitte nächsten Jahres in Manching ohnehin 224 Arbeitsplätze abgebaut werden. „Wir sind mit dem einen Personalabbau noch nicht fertig, da kommt der nächste schon obendrauf.“ Betriebsbedingte Kündigungen seien bisher weder von EADS-Chef Enders noch von Cassidian-Boss Bernhard Gerwert ausgeschlossen worden. “ Deshalb verschaffen wir uns heute Gehör. Wir sitzen nicht wie die Maus vor der Schlange und warten, was passiert.“
In scharfen Worten kritisierte Pretzl auch die Kommunikation im Zusammenhang mit dem Konzern-Umbau. „Wir sind es leid, aus den Zeitungen mehr zu erfahren als von unserem Management. Die sollen erst mit uns reden. So ein Vorgehen ist weder professionell, noch wertschätzend gegenüber den Belegschaften. Das ist schlicht und einfach schlechter Stil.“
Nicht weniger deutlich war die Ansprach von Jürgen Wechsler, dem Bezirksleiter der IG Metall Bayern. Er zeigte die Dimension der Umbau-Pläne und der daraus resultierenden Verunsicherung auf: Enders habe harte Einschnitte angekündigt und darüber hinaus eine Umsatzrendite von zehn Prozent als Ziel gesetzt. „Wenn diese Rendite von oben nach unten durchgedrückt werden soll, dann trifft das nicht nur ,Defence & Space’. Das trifft genauso Airbus und Eurocopter. Es geht also um die Zukunft des Konzerns, um 50 Standorte und 50 000 Beschäftigte“, betonte er.
Auch hier in Manching seien rund 4 400 Beschäftigte von den Umbau-Plänen betroffen, so Wechsler. Die Betriebsräte von Cassidian und die IG Metall hätten Enders frühzeitig signalisiert, dass sie den Umbau konstruktiv begleiten, um Arbeitsplätze und Standorte zu sichern. Wechsler rät deshalb dem EADS-Chef: „Nehmen Sie diese Handreichung an und zerstören sie nicht das Vertrauen. Was wir nicht mitmachen, ist, dass Rendite vor den Beschäftigten kommt, um den Finanzmärkten zu gefallen. Für uns gilt die Reihenfolge: Mensch vor Marge.“
Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, forderte einen Schutzschirm für Standorte und Arbeitsplätze.
Betriebsräte und IG Metall fordern langfristige Perspektiven für die Belegschaften, unterstrich Wechsler und appellierte: „Aktuell brauchen wir einen Schutzschirm für Standorte und Beschäftigung.“ Es dürfe keine Entlassungen bei EADS/Airbus geben.
Die Unternehmen im EADS-Konzern seien Innovationsführer in der Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsbranche, sie stünden international an der Spitze und seien Zukunftsmotoren für Deutschland, so Wechsler weiter. Er forderte klare Ansagen statt Salamitaktik. „Streichkonzerte helfen dem Konzern nicht weiter. Wenn die Airbus-Group erfolgreich sein soll, geht das nur mit nachhaltiger Investition und Sicherheit für die Beschäftigten.“ Alle Standorte bräuchten langfristig angelegte Entwicklungskonzepte, an deren Erarbeitung die Beschäftigten und Betriebsräte qualifiziert beteiligt werden müssten. “ Dazu reichen wir die Hand – nicht dazu, dass die Shareholder befriedigt werden.“
Auch die Politik nahm Wechsler unmissverständlich in die Pflicht. In den Bereichen Luft-, Raumfahrt und Verteidigung habe sich in den vergangenen Jahren vieles geändert. Deshalb sei es richtig zu überlegen, wie sich der Konzern hier künftig aufstellt. „Gleichzeitig müssen wir vor allem jetzt darauf drängen, dass die Politik einen Umbau nur zulässt, wenn dadurch Standorte, Innovationskraft und qualifizierte Beschäftigung erhalten werden.“
Wechsler forderte die politisch Verantwortlichen im Bund, aber auch in Bayern auf, jetzt handelnd einzugreifen. „Wir alle wissen, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie als Wehrtechnische Industrie größtenteils von politischen Entscheidungen und Aufträgen abhängen.“ Dazu gehörten auch Forschung und Entwicklungsprojekte, die lange Vorlaufphasen haben. Deshalb müsse jetzt mindestens gelten: „Gemachte Zusagen müssen eingehalten werden. Die Standorte und die Beschäftigten brauchen Planungssicherheit.“ Außerdem fragt Wechsler: „Warum sind eigentlich Banken systemrelevant und werden gestützt? Warum gilt das nicht für die Luft- und Raumfahrtindustrie?“
Man müsse auch die bayerische Staatsregierung in Verantwortung nehmen, betonte Wechsler. „Die Staatsregierung kann sich jetzt nicht mehr zurücklehnen und auf die FDP-Minister verweisen.“ Ilse Aigner (CSU) als Wirtschaftsministerin sei jetzt gefordert. „Wir erwarten, dass alle Standorte und Beschäftigung in Bayern erhalten bleiben, das gilt auch für Unterschleißheim.“
Auch Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt und Unternehmensbeauftragter der IG Metall für EADS Deutschland, verlieh seinem Unverständnis über die drohenden Stellenstreichungen Ausdruck: „Was soll das? Die Auftragsbücher bei Cassidian sind noch die nächsten 2,5 Jahre voll, dennoch will man Personal einsparen.“ Er kritisierte „Managerwillkür“ und „Profitwahn“ und sprach den Verantwortlichen eine zukunftsorientierte Unternehmensstrategie ab. Denn eine solche schaffe neue Programme, Absatzmärkte und Arbeitsplätze.
Auch Stiedl forderte Unterstützung aus der Politik. Mit 1,5 Milliarden Euro seien die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie mit der Umweltprämie gesichert worden. Mit vier Milliarden Euro würden die Jobs in der Automobilindustrie mit der Förderung der Elektromobilität gesichert. „Warum lässt man diese Logik nicht auch für unsere Arbeitsplätze gelten“, fragte er und schrieb der Regierung ins Stammbuch: Wolle Bayern, wolle Deutschland seine Zukunft als Hightech-Standort erhalten, müssten Staatskanzlei und Ministerien auch dafür sorgen, dass wehrtechnische Projekte angeschoben werden.
Vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) fordert Stiedl, er müsse in die Fußstapfen von Franz Josef Strauß treten. Der habe Bayern zum wichtigen militärischen Luftfahrtstandort gemacht. „Dieses Erbe darf nicht kaputtgespart werden. Dieses Erbe lassen wir uns aber auch nicht kaputtmachen. Wir sind es leid, wieder und wieder die Zeche zu zahlen für falsche Entscheidungen der Politik und der Manager. Wir haben keine Fehler gemacht, deshalb wollen wir auch hier weiter arbeiten.“
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