Heute waren im Rentnermord-Prozess die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an der Reihe
(ty) „Ja, gibt’s denn no Gerechtigkeit?“ Ein emotionaler Ausbruch einer Zuhörerin im Prozess gegen Heinz Josef M., im so genannten Rentnermord-Prozess. Nach den Plädoyers konnte die Frau nicht mehr an sich halten, forderte, man solle den Angeklagten bei Wasser und Brot halten. Und Schlimmeres. Provoziert hatte sie wohl auch das Verhalten des Angeklagten, der nach den Plädoyers lässig rauchend vor dem Gerichtsgebäude stand und mit seiner Verteidigerin parlierte.
Vielleicht auch die Plädoyers selbst. Denn gerade das des Staatsanwalts Jürgen Staudt klang nicht so, als sei eine Verurteilung von Heinz Josef M. ausgemachte Sache. Im Gegenteil. In Ermangelung des einen „unumstößlichen Beweises“, wie es Staudt formulierte, verließ sich der Staatsanwalt auf eine akribische Zusammenfassung der Obduktionsergebnisse und auf eine detaillierte Reproduktion der Zeugenaussagen.
Zwar meinte Staudt, aufgrund der vorliegenden Indizien gebe es keinen „vernünftigen Zweifel“, dass Heinz Josef M. es war, der Helmut P. am 13. August vergangenen Jahres in dessen Wohnung halb erschlagen und dann erwürgt hätte. Darauf weise auch hin, dass man in der Wohnung außer den Spuren des Opfers und denen des vermuteten Täters keine DNA-Spuren oder Fingerabdrücke Dritter gefunden habe.
Spuren, ob nun Fingerabdrücke oder auch DNA, seien in „Hülle und Fülle“ gefunden worden. Sie seien zwar „höchsttheoretisch“ auch anders zu erklären. Andere Erklärungsversuche aber seien höchst unwahrscheinlich. „Theoretisch kann es im August auch schneien“, bekräftigte er seine Aussagen. Die Erklärungsversuche der Verteidigung jedenfalls hält er für „lächerlich“. Auch die Aussagen des Hauptbelastungszeugen, der den Angeklagten nach der Tat vor der Wohnung getroffen hatte, hält Staudt für überzeugend, wiewohl der bei der Polizei was ganz anderes ausgesagt hatte und erst beim Prozess zu der Überzeugung gekommen war, Heinz Josef M. sei es mit 90-prozentiger Sicherheit gewesen.
„Vieles spricht für eine Beziehungstat“, meinte der Staatsanwalt, räumte indes in seinem Plädoyer ein, dass es zum Motiv keinerlei Erkenntnisse gäbe. Und die Tatsache, dass Heinz Josef M. nach der Tat seelenruhig im Gasthaus Schwalbe seinen Presssack verzehrt habe, deute lediglich auf eine „Neigung zur Verdrängung“ hin, welche die Psychologen Heinz Josef M. attestiert hätten. Zudem habe M. zwei Gesichter und eben nicht nur das des „sympathischen Underdogs“. Und wenn ihm auch weder Mordlust noch Habgier oder Heimtücke zu unterstellen seien, so forderte der Staatsanwalt doch eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren wegen Totschlags.
„Das Verfahren hat viele Erkenntnisse gebracht. Nur eine nicht: Dass mein Mandant die Tat begangen hat.“ So eröffnete die Pflichtverteidigerin Andrea Kremer ihr Plädoyer. Die vorhandenen Indizien jedenfalls reichten bei weitem nicht für eine Verurteilung aus, befand sie. Zumal der Hauptbelastungszeuge der Anklage eigentlich ein Zeuge für den Angeklagten gewesen sei. „Alle Zeugen, die im Verlauf des Verfahrens ausgesagt und meinen Mandanten auch nur kurz gesehen haben, die haben ihn ohne Ausnahme sofort wieder erkannt. Nur der Hauptbelastungszeuge nicht“, so Kremer. Zudem habe der in seiner ersten Aussage zu Protokoll gegeben, der Mann, den er vor der Tatwohnung getroffen habe, sei deutlich jünger gewesen als er. Und Heinz Josef M. sei nun einmal nicht jünger.
Souverän zerlegte Andrea Kremer auch die Indizien, die sich auf die gefundenen Fingerabdrücke beziehen. „Wir wissen nicht einmal, wann die auf die Flasche oder den Teller in der Küche gekommen sind.“ Sie besagten lediglich, dass Helmut P. und Heinz Josef M. irgendwann mal miteinander gegessen hätten. Zudem sei eben auch nicht bewiesen, dass die gefundenen DNA-Spuren durch die Tat entstanden seien.
„Kein Mensch weiß, wann mein Mandant am Tag der Tat die Wohnung verlassen hat“, so Kremer. Den „positiven Indizien“ stünde immer auch eine plausible Erklärung gegenüber, wie sie zu werten sein könnten, ohne auf die Schuld ihres Mandanten hinzuweisen.
Mit einer Erklärung, warum ihr Mandant über das gesetzliche Recht hinaus im gesamten Verfahren geschwiegen habe – nämlich aus Angst, dass er als Lügner gesehen werde und man ihm das Wort im Mund herumdrehe, wie es bereits während der Überführung aus Spanien passiert sei – schloss Andrea Kremer ihr knappes Plädoyer und forderte – wie kaum anders zu erwarten – Freispruch für Heinz Josef M.
Das Urteil wird am Donnerstag, 12. Dezember, um 11.30 Uhr am Landgericht verkündet.
Weitere Artikel zum Thema:
„Du feige Sau, jetzt sag’ endlich was“
Noch immer bleiben letzte Zweifel
Wird das ein Freispruch „zweiter Klasse“?
Wenn er nicht so „ehrlich und lieblich“ wäre
Was kann an jenem Nachmittag im August passiert sein?