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Wie Richter Paul Weingartner im Rentnermord-Prozess das Urteil gegen Heinz Josef M. begründete 

„Ja Herr M., Sie wissen ja selbst am besten, dass sie es waren.“ Mit diesen Worten schloss Richter Paul Weingarnter heute seine Urteilsbegründung. Und mit der Empfehlung an den Verurteilten, er möge doch die Zeit nutzen, um mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen. Und diese Zeit ist lang. Denn 12 Jahre hat Weingartner dem jetzt wegen Totschlags verurteilten Heinz Josef M. ins Stammbuch geschrieben. Und das sind selbst bei guter Führung mindestens neun Jahre Haft. Ob die Verteidigern Andrea Kremer in Absprache mit ihrem Mandanten Revision beantragen wird, dass – so Kremer – könne sie heute noch nicht sagen. Für diese Entscheidung müsse man auch erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. So lange ist das Urteil auch noch nicht rechtskräftig.

Die mündliche Begründung bekam Pflichtverteidigerin Andrea Kremer heute schon mal zu hören. Und das eine gute Stunde lang. Das Urteil war zwar mit 12 Jahren wegen Totschlags knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft geblieben, von dem von ihr geforderten Freispruch indes meilenweit entfernt.

Dabei gab auch Weingartner zu, dass der eine unwiderlegbare Beweis für die Schuld von Heinz Josef M. nicht vorhanden sei. Und auch die Indizien für sich genommen ließen sich durchaus in Zweifel ziehen. Nicht aber in der Zusammenschau. Da sei das Bild doch recht eindeutig. „Man sagt im Zweifel für den Angeklagten“, so der vorsitzende Richter, „aber wir haben keinen Zweifel. Die Gesamtschau auf alle Indizien lässt nicht den geringsten Zweifel zu.“

In allen Details schilderte Weingartner noch einmal den Prozessverlauf und konzentrierte sich in seiner Urteilsbegründung auf einige Kernpunkte. So sei es zum einen zweifelsfrei erweisen, dass Heinz Josef M. am Tag der Tat in der Wohnung gewesen und mit dem Opfer Helmut P. gegessen habe. Fingerabdrücke auf dem Geschirr und die Untersuchung der Magenrückstände beim Opfer seien eindeutig. Auch dass die Limoflasche das Tatwerkzeug war, sei nachgewiesen. Der Fingerabdruck des Mittelfingers der linken Hand des Angeklagten, der sich auf der Flasche fand, ein weiteres „ganz starkes Indiz“ für dessen Täterschaft.

Auch was die am Opfer gefundenen DNA-Spuren betriff, ließ sich Weingartner nicht auf abstruse Spekulationen ein, auf welche Weise die Spuren eventuell auch zustande  gekommen sein könnten. Theoretische Möglichkeiten gebe es immer. In der Häufung aber spräche die Spurenlage eindeutig für ein Kampfgeschehen.

Schließlich relativierte Weingartner auch die doch stark divergierenden und letztlich nicht schlüssigen Aussagen des Hauptbelastungszeugen, der Heinz Josef M. zu 90 Prozent unmittelbar nach der Tat aus der Wohnung hatte kommen sehen. Auch seine Aussage sei isoliert betrachtet kein Grund für eine Verurteilung. In doch ein weiterer wesentlicher Mosaikstein.

Da es schließlich „null Anhaltspunkte“ dafür gebe, dass ein unbekannter Dritter für die Tat in Frage kommen könnte, und auch das Verhalten von Heinz Josef M. nach der Tat – „ein typisches Fluchtverhalten“ – für dessen Täterschaft spreche, befand ihn die Strafkammer schließlich des Totschlags für schuldig.

Wie gesagt: „Für sich alleine betrachtet reicht keiner der Umstände aus für eine Verurteilung“, so Weingarnter, „wohl aber in der Gesamtschau.“ Zumal auch das Vorstrafenregister von Heinz Josef M. erkennen lasse, dass er nicht immer der nette Zeitgenosse sei, sondern durchaus eine zweite, dunkle Seite habe. Und einige seiner früheren Vergehen – Erpressung, Bedrohung – , das seien schon „ganz üble Geschichten“.

Nachdem er noch erläutert hatte, warum eine Verurteilung wegen Mordes nicht zur Debatte stand, erläuterte der Vorsitzende der Strafkammer, was man zugunsten des Angeklagten in die Wagschale geworfen hatte. Und das waren zum einen die Spontaneität der Tat und zum anderen die Tatsache, dass Heinz Josef M. mit 64 Jahren schon etwas „haftempfindlicher“ sei. Gegen ihn indes sprachen die Brutalität, mit der er die Tat ausgeführt habe und auch das Register an Vorstrafen.

Den Zuhörern in dem heute wieder ziemlich gut besetzten Auditorium des Gerichtssaales war die Strafe von 12 Jahren eher zu milde. Forderungen wie lebenslänglich waren zu hören, aber auch Einverständnis mit dem Strafmaß  oder das Bedauern, dass „so einer“ nach neun Jahren ohnehin wieder auf freien Fuß käme.

Nachdem Andrea Kremer, die Pflichtverteidigerin von Heinz Josef M. unmittelbar nach der Urteilsbegründung fand, man könne so ein Urteil sprechen, wenn man nur alle negativen Punkte in Betracht ziehe, könnt es durchaus ein, dass sie ihrem Mandanten empfehlen wird, Revision zu beantragen. Das stellt sich spätestens in einer Woche heraus. Denn bis dahin muss Revision beantragt sein. Ansonsten wäre das heutige Urteil rechtskräftig.

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Zwölf Jahre Haft für Heinz Josef M.

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