Am Landgericht Ingolstadt sind heuer zahlreiche Aufsehen erregende Verfahren zu erwarten
(ty) Am Landgericht Ingolstadt stehen in diesem Jahre einige Aufsehen erregende Verfahren an. Zahlreiche Gewaltverbrechen hatten die Schanz im vergangenen Jahr bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. In einem der Fälle, der Geiselnahme im Ingolstädter Rathaus, ist, wie uns der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter bestätigte, jetzt Anklage erhoben worden. Wegen Geiselnahme in vier Fällen. Und auf Geiselnahme steht Haftstrafe nicht unter fünf Jahren. Der Geiselnehmer selbst schweigt weiterhin zu den Vorwürfen. Der 24-Jährige sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft.
Er hatte am 19. August im Alten Rathaus von Ingolstadt für Angst und Schrecken gesorgt, als er mehrere Geiseln neun Stunden lang in seiner Gewalt hatte. Unter anderem eine Rathaus-Angestellte, die er als Stalker schon seit Längerem im Visier hatte, und den Dritten Bürgermeister Sepp Mißlbeck (FW). Der Geiselnehmer, der am Tatmorgen trotz Hausverbots das Rathaus betreten hatte, war mit einem größeren Messer bewaffnet – vor allem aber hatte er ein täuschend echtes Imitat einer Pistole (Walther P99) bei sich.
Zuletzt waren es noch zwei Geiseln, die im zweiten Stock des Alten Rathauses von dem 24-Jährigen festgehalten wurden: die Sekretärin von Mißlbeck – sie war das eigentliche Ziel des Geiselnehmers – und der bei der Stadtverwaltung zuständige Beamte für das Beschwerde-Management. Mißlbeck war gegen 14 Uhr vom Geiselnehmer in die Freiheit entlassen worden. Zum einen, weil der Täter Zigaretten, Tabletten und Essen bekam. Zum anderen wollte er, dass Mißlbeck zu OB Alfred Lehmann (CSU) geht, um einen ihn entlastenden Brief zu schreiben. Die Forderung des Geiselnehmers lautete wohl, dass ein gegen ihn verhängtes Hausverbot für die Rathäuser der Stadt aufgehoben wird.
Eines der Opfer der Geiselnahme: Bürgermeister Sepp Mißlbeck (FW).
Gegen 17.30 Uhr beendete dann ein SEK-Zugriff das Geiseldrama. Die beiden verbliebenen Geiseln, der 37-Jährige und die 25-Jährige, konnten unverletzt befreit werden. Der Täter wurde durch gezielte Schüsse in Schulter und Bein außer Gefecht gesetzt, aber nicht lebensgefährlich verletzt.
Der 24-Jährige, der psychisch krank und vorbestraft ist, sitzt seither in Untersuchungshaft. Er habe zwar gegenüber den Ermittlern teilweise Angaben gemacht, ein Geständnis hat er allerdings bislang nicht abgelegt. Im Wesentlichen schweigt er sich weiterhin zu den konkreten Vorwürfen aus.
Der junge Mann, der sich auch in psychiatrischer Behandlung befand, stand im Juli 2013 vor Gericht – wegen Stalkings, Beleidigung, Körperverletzung und Bedrohung. Zudem hat er ein langes Vorstrafenregister, das auf Gewaltbereitschaft schließen lässt. Dennoch hatte das Gericht im Juli die von der Staatsanwaltschaft geforderte Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt abgelehnt. „Leider hat das Gericht damals nicht erkannt, dass von diesem Mann eine ganz erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann dazu.
„Der Geiselnehmer ist für uns kein Unbekannter“, erklärte auch Oberstaatsanwalt Helmut Walter. Er betonte ausdrücklich, dass er schon damals er Meinung gewesen war, dieser Mann sei ein Fall für eine Unterbringung. Das Gericht indes habe befunden, dass von diesem 24-Jährigen keine schwerwiegende Straftat mehr zu erwarten sei – und verurteilte ihn auf ein Jahr und acht Monate auf Bewährung. Die Unterbringung wurde abgelehnt. Ein dramatischer Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Der 24-Jährige hatte Hausverbot im Rathaus, das in der Woche vor der Geiselnahme auf alle Ingolstädter Rathäuser ausgedehnt worden war. Der Grund: Der Mann hatte immer wieder auch andere Mitarbeiter bedroht und Mitarbeiterinnen des Rathauses sexuell belästigt.