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Laut Gemeindeordnung muss in jeder bayerischen Kommune mindestens eine Bürgerversammlung pro Jahr stattfinden – in Wolnzach wird seit vielen Jahren immer wieder dagegen verstoßen

Von Tobias Zell

Die Bayerische Gemeindeordnung lässt hier wenig Spielraum. „In jeder Gemeinde hat der erste Bürgermeister mindestens einmal jährlich, auf Verlangen des Gemeinderats auch öfter, eine Bürgerversammlung zur Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten einzuberufen“, heißt es in Artikel 18, Absatz 1. In Wolnzach dagegen nimmt man das ganz offensichtlich nicht so genau. Das wurde im Wahlkampf auch Bürgermeister Jens Machold (CSU) vorgehalten – allerdings nicht so laut. Denn viele Gemeinderäte haben offenbar all die Jahre stillgehalten und wenn, dann offenbar nur hinter vorgehaltener Hand, gemosert. Über die Jahre scheint jedenfalls in Wolnzach Artikel 18 der Gemeindeordnung etwas in Vergessenheit geraten zu sein – Macholds Vorgänger Josef Schäch (damals FW) handhabte das mindestens ebenso locker.

Beleuchtet man die vergangenen 19 Jahre (1995 bis einschließlich 2013), dann stellt man schnell fest: Bürgerversammlungen sind in Wolnzach keineswegs wohlgepflegte Praxis. In diesen besagten 19 Jahren hat es nur in zehn Jahren überhaupt Bürgerversammlungen gegeben. Das geht aus den Informationen aus der Gemeindeverwaltung hervor, die unserer Zeitung jetzt auf Anfrage hin erteilt wurden. 

Der derzeitige Bürgermeister Jens Machold (CSU), seit 2008 im Amt, hat demnach in den Jahren 2010, 2012 und 2013 zu (jeweils zehn) Bürgerversammlungen eingeladen. Keine dieser Veranstaltungen gab es dagegen in den Jahren 2008, 2009 und 2011.

Nicht abgehaltene Bürgerversammlungen im Jahr 2009 erklärt Machold mit der Wolnzacher Finanzaffäre, die zu der Zeit ihren Höhepunkt erreicht habe. Damals habe man die Kripo, den Bayerischen kommunalen Prüfungsverband, die Landesanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft und diverse Anwälte im Haus gehabt. Da habe selbst er als Jurist  – Machold ist Anwalt – sich nicht mehr getraut, etwas zu dem Thema zu sagen. „Und die Fragen wären bei den Bürgerversammlungen gekommen“, ist er sich sicher. „Ich hätte dann immer nur antworten können: Das darf oder kann ich nicht sagen.“ Deshalb habe er im Jahr 2009 auf die Abhaltung von Bürgerversammlungen verzichtet. 

Dass es im Jahr 2011 keine Bürgerversammlungen gegeben hat, erklärt Machold so: „2011 wurde ein großer Erörterungstermin im Rahmen der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes abgehalten. Zu dieser Veranstaltung war die gesamte Bevölkerung eingeladen und hat diesen Termin auch in großer Anzahl wahrgenommen. In den Ortsteilen Oberlauterbach und Eschelbach wurden Teilnehmerversammlungen im Rahmen der Dorferneuerung durchgeführt. Im Ortsteil Niederlauterbach wurden Möglichkeiten  zum Neubau eines Radweges mit der Ortsbevölkerung diskutiert.“ Deshalb sei auf die Abhaltung von weiteren Bürgerversammlungen verzichtet worden.

Unterm Strich bleibt also – ungeachtet der Begründungen – festzustellen: In der aktuellen Amtsperiode von Machold wurden in den Jahren 2010, 2012 und 2013 Bürgerversammlungen abgehalten – in den Jahren 2008, 2009 und 2011 nicht.

Unter Macholds Amtsvorgänger Josef Schäch, der von 1990 bis 2008 im Amt war, ging es über viele Jahre ähnlich locker zu. Betrachtet man den Zeitraum ab 1995, so stehen nach Angaben aus dem Rathaus in folgenden Jahren Bürgerversammlungen zu Buche: 1995, 1997, 1999, 2000, 2001, 2004, 2005. Im beleuchteten Zeitraum gab es also in sieben Jahren Bürgerversammlungen und in sechs Jahren (mit 2008 sogar sieben) nicht. Auffällig ist dabei, dass es den vorliegenden Angaben zufolge mitunter sogar zwei Jahre hintereinander keine Bürgerversammlung gegeben hat; 2002 und 2003 sowie 2006 und 2007.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es im Schnitt also nur jedes zweite Jahr eine Bürgerversammlung in der Marktgemeinde Wolnzach. Obwohl die Gemeindeordnung besagt: „In jeder Gemeinde hat der erste Bürgermeister mindestens einmal jährlich, auf Verlangen des Gemeinderats auch öfter, eine Bürgerversammlung zur Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten einzuberufen.“ In Wolnzach wurde also offenbar in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die Gemeindeordnung verstoßen. Zuständige Aufsichtsbehörde für die Gemeinden im Landkreis Pfaffenhofen ist das Landratsamt.


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