Es geht um so genannte Hass-Postings in Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2021. Allein in Bayern gibt es 17 Beschuldigte.
(ty) Ab dem heutigen Morgen haben deutschlandweit unter Koordinierung des Bundeskriminalamts zahlreiche Durchsuchungen wegen so genannter Hass-Postings im Internet stattgefunden, die in Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2021 standen. Dabei seien zahlreiche Datenträger und Beweismittel sichergestellt worden. Bayerische Ermittler vollzogen dabei heute 14 Durchsuchungs-Beschlüsse in fast allen Regierungsbezirken. Wie ein Sprecher des in Ingolstadt ansässigen Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord gegenüber unserer Zeitung erklärte, gab es Razzien auch in Neuburg an der Donau und in Freising.
Insgesamt richten sich die Ermittlungen im Freistaat nach Angaben des bayerischen Innenministeriums gegen 17 Beschuldigte – dabei handle es sich um 13 Männer und vier Frauen im Alter zwischen 33 und 69 Jahren. "Durch die akribische Auswertung der Beweismittel erhoffen wir uns auch neue Ermittlungs-Ansätze zu weiteren Taten und Tätern", so der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. "Unsere Ermittler gehen hochengagiert jedem Hinweis auf strafbare Hetze nach." Er kündigte an: "Als Vorsitzender der Innenminister-Konferenz mache ich den verstärkten Kampf gegen Hass im Netz zu einem Schwerpunkt der diesjährigen Sitzungen."
Wie Herrmann deutlich machte, könnten Hass-Postings die Vorstufe für weitere Eskalationen sein. Das könne bis hin zu Handgreiflichkeiten oder Tötungs-Delikten reichen. "Hass-Postings sind keine Kavaliersdelikte", betonte Herrmann. "Mit unseren verstärkten Durchsuchungs-Aktionen wollen wir auch potentielle Hetzer abschrecken." Ein Problem ist seinen Worten zufolge das nach wie vor große Dunkelfeld. Er appelliert deshalb an alle von Hass und Hetze Betroffenen, sich umgehend an die Polizei zu wenden, um den Urhebern und Hintermännern auf die Schliche zu kommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität (ZIT) – und das Bundeskriminalamt (BKA) sowie weitere Strafverfolgungs-Behörden der Bundesländer gingen heute bei einem gemeinsamen Aktionstag gegen Verfasser von gezielt gegen Politikerinnen und Politiker gerichteten Hass-Postings vor. Laut BKA-Mitteilung fanden ab 6 Uhr Durchsuchungen bei und Vernehmungen von über 100 Beschuldigten in folgenden Bundesländern statt: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen.
Ausgangspunkt dieses Aktionstags seien Initiativ-Ermittlungen von ZIT und BKA zu Äußerungen auf Social-Media-Plattformen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr. Dabei wurden laut BKA-Angaben über 600 Äußerungen analysiert und auf strafbare Inhalte überprüft. Im Rahmen dieses Ermittlungs-Komplexes seien über 100 mutmaßliche Verfasser von Hass-Postings identifiziert und Ermittlungs-Verfahren eingeleitet worden. "Die Bearbeitung der einzelnen Ermittlungs-Verfahren gegen identifizierte Beschuldigte ist anschließend durch die zuständigen Staatsanwaltschaften der Bundesländer übernommen worden", erklärt das BKA.
Grundlage für diese Ermittlungs-Verfahren bildet laut BKA der im Frühjahr 2021 neu gefasste Paragraf 188 des Strafgesetzbuchs (StGB), der die Beleidigung, die üble Nachrede und die Verleumdung von Personen des politischen Lebens besonders streng unter Strafe stellt. Dabei sei es unerheblich, ob Geschädigte auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene tätig seien: "Amts- und Mandatsträger werden von § 188 StGB ungeachtet der politischen Ebene gegen Hass-Postings strafrechtlich besonders geschützt", so das BKA. Die Gesetzes-Novelle sehe darüber hinaus in Paragraf 194 des StGB vor, dass die zuständigen Behörden in besonders gravierenden Fällen öffentlicher Tatbegehung nicht auf Strafanträge der Betroffenen warten müssten, sondern wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung von Amts wegen einschreiten könnten.
Bei den von ZIT und BKA festgestellten Taten im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2021 handelt es sich laut heutiger Mitteilung des Bundeskriminalamts einerseits um Beleidigungen gegen bundesweit bekannte Politikerinnen und Politiker. Andererseits enthielten die Hass-Postings irreführende Falschmeldungen und öffentlich dokumentierte Falsch-Zitate, die zur Diffamierung und Diskreditierung der Betroffenen geeignet erschienen. Geschädigte in den aktuell laufenden Ermittlungs-Verfahren gegen identifizierte Beschuldigte seien Politikerinnen und Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien. Zwei Drittel der Betroffenen seien Frauen.
"Die Meinungsfreiheit stößt an Grenzen, sobald es um Verleumdung, Beleidigung und Bedrohung geht", erklärte Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts. "Mit dem Aktionstag machen wir klar: Wer Hass-Botschaften postet, muss damit rechnen, dass danach die Polizei vor der Türe steht." Aber auch außerhalb solcher Aktionstage setze sich das Bundeskriminalamt intensiv gegen Hass und Hetze im Internet ein. "Mit unserer Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet, kurz ZMI, verfolgen wir strafbare Inhalte im Netz seit Februar dieses Jahres noch intensiver", so Münch.
"Viele Engagierte in den Kommunen werden beschimpft und bedroht. Die Hass-Delikte gegen Politiker haben gerade in Zusammenhang mit der Bundestagswahl zugenommen", erklärte Harald Pickert, der Präsident des bayerischen Landeskriminalamts. "Die Grenze von unerträglichen Pöbeleien hin zu Straftaten ist fließend", sagt er: "Wer sie überschreitet, darf sich nicht von vermeintlicher Anonymität des Netzes geschützt fühlen, sondern muss die ganze Härte des Gesetzes fürchten."