Das fragte Weihbischof Wörner in seiner Predigt bei der Karfreitags-Liturgie im Augsburger Dom. Bischof Meier: "Das Kreuz steht, auch wenn Welt und Kirche sich dreht."
(pba) In seiner Predigt zum heutigen Karfreitag hat Weihbischof Florian Wörner hervorgehoben, dass es wesentlich zur christlichen Identität gehöre, für sich persönlich die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Kreuzes-Tod Jesu zu ziehen. Auf das enthüllte und erhöhte Kreuz mit den Augen des Glaubens schauen, vor ihm die Knie beugen und bekennen, dass er der Herr sei, und seine Maßstäbe anzuerkennen, die oft ganz anders seien als die eigenen, hob er in der Feier vom Leiden und Sterben Jesu an diesem Freitag im Augsburger Dom hervor. "In seinem Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens gelten andere Regeln", so Wörner. "Ihre Anwendung würde das Gesicht dieser Erde entscheidend verändern."
Für Jesus sei der Schwache stark, als Gewinner gälten nicht die Gewalttätigen, sondern die Friedensstifter. Die Armen würden von ihm zu den Reichen gezählt und die Letzten gehörten beim Herrn an die erste Stelle. In Anlehnung an die Selbstverleugnung des Petrus und der Verleugnung des Herrn in der Leidensgeschichte, gewährte Wörner tiefe Einblicke: "Manchmal denke ich mir: Wie oft muss der Hahn eigentlich noch krähen, damit wir aufwachen und das erkennen? Was muss noch alles passieren an Gewalt, Zerstörung und Leid?" Gerade die Frage nach der persönlichen Identität und dem eigenen Geltungsbedürfnis, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit anderer zu stehen, sei nicht selten Anlass zu Rivalität bis hin zu Kriegen und damit einhergehend Ursache für sehr viel Leid, wie wir es aktuell im Osten unseres Kontinents wieder erfahren, unterstrich der Weihbischof.
Er ermutigte die Gottesdienst-Besucher im Dom und vor den Bildschirmen dazu, die richtigen Schlüsse für ihr Leben und Glauben aus dem zu ziehen, was die Identität des Gekreuzigten und die eigene so wertvoll mache: "Wer sich Jesus, dem Herrn, zuwendet und seiner Spur folgt, braucht keine Angst mehr davor zu haben, dass er zu wenig Beachtung findet und kein Hahn mehr nach ihm kräht. Je mehr wir erkennen und bekennen, dass er es ist, desto klarer wird uns auch, wer wir sind: vom Herrn Geliebte und Erlöste. Und desto mehr werden wir dafür in Wort und Tat Zeugnis geben."
Auch, wenn es nach 2000 Jahren immer noch unbegreiflich erscheine, dass der, der von sich sagen könne "Ich bin es", verraten, ausgeliefert, verurteilt, gepeinigt und am Kreuz umgebracht werde, gerade durch die Liebe zu den Menschen seine Herrschaft begründe: "Das ist der tiefe Grund, warum wir heute hier zusammengekommen sind", so Wörner.
Nach der gesungenen Passion Jesu, den großen Fürbitten, in denen auch für die Menschen in der Ukraine und allen in Kriegs-Gebieten gebetet wurde, sowie der Erhebung und Verehrung des Kreuzes zog der Augsburger Bischof Bertram Meier gemeinsam mit den Weihbischöfen, dem Domkapitel, Priestern und Diakonen sowie den Rittern vom Heiligen Grab zu Jerusalem und dem Altardienst am Ende der Liturgie in Stille aus. Nicht jedoch, ohne einen letzten Blick auf den Ort des Martyriums Jesu zu richten.
Am Ende der Liturgie gab das Oberhaupt der Diözese Augsburg, zu der auch Teile des Landkreises Pfaffenhofen gehören, den Gläubigen noch aufbauende Worte mit auf den Weg: "Vieles bewegt sich, manches ist im Umbruch. Aber eines prognostiziere ich: Das Kreuz steht, auch wenn Welt und Kirche sich dreht. Und so wollen wir immer wieder auf das Kreuz schauen, es ist unser Fixpunkt." Der Bischof lud die Gottesdienst-Besucher dazu ein, das Kreuz auch als Lebensform zu begreifen, das Einfluss hat auf das Leben. "Ich wünsche uns allen die Erfahrung: Das Kreuz bewegt. Das Kreuz macht Beine. Es ist der Kompass für unsere nächsten Schritte."
Aufgrund der Aufbau-Arbeiten des Bayerischen Rundfunks für die Live-Übertragung der Osternacht an diesem Samstag um 22 Uhr musste die traditionelle Anbetung beim Heiligen Grab im Dom heuer entfallen. Musikalisch gestaltet wurde die Karfreitags-Liturgie vom Kammerchor der Domsingknaben sowie dem Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Stefan Steinemann. Neben der Johannes-Passion von Hermann Schroeder, die der Domchor bereicherte, sangen die Domsingknaben verschiedene Passions-Motetten, unter anderem das "Miserere" von Gregorio Allegri (1582-1652).