Der Augsburger Bischof Bertram Meier zu Fronleichnam: Die Gesellschaft von heute – die Menschen nach der Pandemie, mitten in ihren Ängsten um Krieg, Inflation und Rezession – brauche die Stimme der Kirchen.
(pba) Blumenteppiche und Blasmusik, farbenfrohe Fahnen, Gemeinschaft im Gebet: das Fronleichnams-Fest wie viele es kennen, lieben und in den vergangenen Jahren vermisst haben. So zeigten an diesem sonnigen Tag – nur kurz vor der Prozession kamen ein paar Regentropfen vom Himmel – rund 1000 Gläubige während Gottesdienst und der anschließenden Prozession durch die Augsburger Innenstadt gemeinsam mit Bischof Bertram Meier, dem Domkapitel und Priestern der Innenstadt-Pfarreien am Hochfest des Leibes und Blutes Christi ihren Glauben in der Öffentlichkeit. "Schön, dass wir heuer wieder größer Fronleichnam feiern können, nachdem wir wegen Corona eine Zwangspause einlegen mussten", so der Oberhirte der Diözese Augsburg, zu der auch Teile des Landkreises Pfaffenhofen gehören. Dieses Fest sei für ihn eine Glaubens-Demonstration, mehr als nur Folklore. "Danke für dieses starke Zeugnis!", sagte er zu den Dom-Besuchern.
In seiner Predigt betonte der Bischof den Auftrag, der sich aus der Wandlung des eucharistischen Brotes für alle Getauften ergebe. "Jede und jeder von uns soll im eigenen Leben, im Beruf und Stand für die Mitmenschen ein anderer Christus sein." Der Entlassungs-Ruf "Gehet hin in Frieden" am Ende des Gottesdienstes sei nicht der Schlusspunkt, sondern vielmehr der Startschuss, sich selber verwandeln zu lassen, um für die Mitmenschen ein anderer Christus zu sein. "Wir alle sind Repräsentanten Christi", so Meier. "Wir vertreten Christus – freilich auf je eigene Weise": Frauen und Männer, Ordens-Christinnen und -Christen, nicht zu vergessen die Priester und Bischöfe sakramental am Altar, wenn sie im Namen Christi des Hauptes seiner Gemeinde handelten, so der Bischof. Dies erfordere aber vor allem dreierlei: Glaubwürdigkeit, Transparenz und Konsequenz. "Das ist die Nagelprobe für unsere Nachfolge."
Bischof Meier zeigte sich allen kritischen Stimmen, die mehr Zurückhaltung von Kirchen in der Öffentlichkeit fordern, zum Trotz kämpferisch: "Die Kirche ist nicht tot, sie lebt!" Die Gesellschaft von heute – die Menschen nach der Pandemie mitten in ihren Ängsten um Krieg, Inflation und Rezession – brauche die Stimme der Kirchen. Denn die Politik allein schaffe es nicht, die Krisen zu lösen. "Wir haben das Evangelium, die frohe Botschaft, die über diese Welt hinausweist. Deshalb bitte ich Sie, liebe Christinnen und Christen: Treten Sie nicht zurück! Zeigen Sie: Wir sind da, um bei den Menschen zu sein." Religion sei keine Privatsache – der Glaube gehöre ins öffentliche Leben und sei kein Grund abzutauchen. "Deshalb freue ich mich, für Jesus Christus in dieser Kirche zu arbeiten. Trotz allem bin ich stolz, katholisch zu sein."
Was es denn konkret bedeute, ein "anderer Christus" zu sein, stellte Meier als Frage in den Raum. So wie derzeit in Oberammergau bei den Passionsspielen ein ganzes Dorf die frohe Botschaft verkünde und damit evangelisiere, so stehe an diesem Tag auch jeder Gottesdienst-Teilnehmer im Verkündigungs-Dienst. Denn: "Fronleichnam ist Evangelisierung." Alle getauften und gefirmten Kinder Gottes seien dazu aufgefordert, im Geiste Jesu dem Nächsten gegenüber Liebe zu zeigen und in Wort und Tat gleichermaßen "Anteil am ganzen Christus zu vermitteln". Das heiße für den Bischof, sein Gegenüber dementsprechend auf das ewige Ziel auszurichten. "So wichtig die irdischen Dinge sind, so notwendig unser Engagement für Kirche und Welt auch sein mag, haben wir tatsächlich immer auch das im Blick, was wir als das ewige Heil bezeichnen, den Himmel? Heute feiern wir das Brot vom Himmel – in der kleinen Hostie."
Nach der Aussetzung des Allerheiligsten zum Ende der Eucharistie-Feier im Dom nahm Bischof Bertram Meier die Monstranz auf und reihte sich in den Prozessionszug ein, der erstmals seit den witterungs- und corona-bedingten Absagen in den vergangenen drei Jahren wieder am Rathaus vorbei in Richtung Maximilianstraße zum Herkules-Brunnen und zurück zum Domplatz führte. Jede der vier Stationen stand jeweils unter einem besonderen Gebets-Anliegen. So beteten die Prozessions-Teilnehmer für die Stadt und ihre Bewohner, für die Schöpfung und alle Völker der Erde, für Menschen in verschiedenen Lebens-Situationen und für die Kirche sowie für alle, die an Christus glauben.
Am Ende des Gottesdienstes mit sakramentalem Segen und dem "Te Deum" dankte das Oberhaupt des Bistums Augsburg allen, die den festlichen Tag vorbereitet und ermöglicht haben. Neben den Augsburger Innenstadt-Pfarreien, Mitgliedern des Ritter-Ordens und von Studenten-Verbindungen, Vertretern des öffentlichen Lebens, der diözesanen Räte und der Universität nahmen an der Prozession auch Gläubige der ausländischen katholischen Missionen teil, die der Bischof herzlich und vielsprachig begrüßte. Diese trugen an den vier Stationen einen Teil der Fürbitten in ihren Muttersprachen vor und legten damit ein Zeugnis ab, wie sie als Christen in die Stadtgesellschaft hineinwirken.
Im Blick auf die Regenbogen-Fahnen, die auf dem Domplatz in Verantwortung der Stadt Augsburg gehisst waren, sagte der Bischof: "Die vielen Generationen, Geschlechter, Sprachen und Kulturen, die sich heute um Jesus Christus im Allerheiligsten versammelt haben, zeigen, dass die Kirche keine Monokultur ist, sondern ein farbenfroher Garten." Weiter erklärte Meier: "Die Kirche ist bunt. Ich freue mich sehr, dass wir im Regenbogen ein Zeichen dafür haben, dass Gott in der Geschichte von der Arche Noah seinen Bund mit der Welt geschlossen hat: nicht nur mit uns Menschen, sondern mit der ganzen Schöpfung." Der Regenbogen stehe auch für den Frieden. "Wir alle sind Geschwister. Das ist Geschenk und Verpflichtung."
Musikalisch gestaltet und begleitet wurden Gottesdienst und Prozession von den Chören der Augsburger Domsingknaben, die unter anderem die "Missa de Angelis" von Wolfram Menschick (1937-2010) sangen, und dem Bläser-Ensemble der Dommusik sowie von der Musik-Kapelle Haldenwang, die wieder traditionell aus dem Allgäu angereist war.
Der Begriff "Fronleichnam" leitet sich vom mittelhochdeutschen "vrône lîcham" ("des Herren Leib"), ab. Gleich doppelt stand die Eucharistie im Mittelpunkt dieses Festes: Die liturgischen Texte des Tages bezogen sich in besonderer Weise auf das Geheimnis der Eucharistie. In der Prozession, in der die Hostie in einer Monstranz mitgetragen wurde, bezeugten die Christen öffentlich ihren Glauben an Gott. Sie ist zugleich ein Bild des "wandernden Volkes Gottes" mit Christus in seiner Mitte.