Konzertierte Aktion im Freistaat: Über 50 Durchsuchungs-Beschlüsse vollzogen, auch Datenträger-Spürhunde im Einsatz. Hintergründe und Details.
(ty/zel) In einer gemeinsamen Aktion gegen Kinderpornographie haben Polizei und Justiz am gestrigen Dienstag im Freistaat mehr als 50 Durchsuchungs-Beschlüsse vollzogen. Das wurde heute aus dem bayerischen Innenministerium bekannt gegeben. Auch Datenträger-Spürhunde seien bei den Razzien im Einsatz gewesen. Den Angaben zufolge gab es Durchsuchungen in allen Regierungsbezirken. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord gegenüber unserer Zeitung erklärte, wurden die Ermittler auch im Gemeinde-Gebiet von Pfaffenhofen vorstellig und stellten umfangreiches Material sicher. Nachfolgend die Details zu der Razzia in Pfaffenhofen sowie zu der gesamten Aktion.
Die konzertierte Aktion richtete sich laut bayerischem Innenministerium gegen insgesamt 55 Beschuldigte im Alter zwischen 20 und 79 Jahren – davon seien drei Beschuldigte nicht angetroffen worden. "Die Beschuldigten stehen unter dem Verdacht, kinderpornographische Inhalte besessen, erworben und/oder verbreitet zu haben", heißt es weiter. Rund 270 Polizeikräfte seien im Einsatz gewesen. Koordiniert worden sei die Aktion vom Cybercrime-Dezernat des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) sowie vom Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet, das bei der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angesiedelt ist.
Im Zuständigkeits-Gebiet des in Ingolstadt ansässigen Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord seien im Zuge der Aktion am gestrigen Tage insgesamt fünf Objekte durchsucht worden, wurde auf Anfrage unserer Redaktion erklärt – unter anderem im Gemeinde-Bereich von Pfaffenhofen an der Ilm sowie im Gemeinde-Gebiet von Neuburg an der Donau. In Pfaffenhofen habe sich für die angerückten Ermittler dabei auch eine neue Erkenntnis ergeben: Demnach seien die im Raum stehenden Taten nach jüngstem Stand nicht von dem Mann begangen worden, der ursprünglich als Beschuldigter gegolten habe, sondern mutmaßlich von dessen Vater.
Wie es weiter heißt, wohnen Vater und Sohn zusammen und nutzen auch einen Internet-Anschluss gemeinsam. In den Räumlichkeiten der beiden Pfaffenhofener wurden nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord jedenfalls zahlreiche Geräte und Datenträger sichergestellt. Ein Sprecher erklärte, dass es sich dabei konkret um Computer, Laptops, Handys, Tablets, Festplatten und Speichermedien handele. Insgesamt seien von den angerückten Einsatzkräfte hier im Zuge der Durchsuchungs-Maßnahmen rund 30 Gegenstände sichergestellt worden. Die Auswertung dauere derzeit noch an, wurde am heutigen Nachmittag gegenüber unserer Zeitung mitgeteilt.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach nach dieser landesweiten Durchsuchungs-Aktion, die unter dem Schlagwort "Operation Weckruf 2023" stattfand, von einem empfindlichen Schlag gegen die Täter. "In vielen Fällen ist den zumeist virtuellen Inhalten ein ganz realer schwerer Missbrauch von Kindern vorangegangen", erklärte er und kündigte zugleich an: "Polizei und Justiz werden deshalb den Kampf gegen Kinderpornographie und Kindesmissbrauch verstärkt fortsetzen." Jede Durchsuchungs-Aktion kann laut Herrmann neue Ermittlungs-Ansätze ergeben, die möglicherweise zu neuen Beschuldigten führen. "Täter können sich nie in Sicherheit wiegen", prophezeite er.
Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornographischer Inhalte nehmen nach Angaben des bayerischen Innenministeriums stark zu. Die Polizei des Freistaats habe im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg der Fallzahlen um rund 27 Prozent verzeichnet, im Vergleich zu 2019 sogar um mehr als 270 Prozent (2019: 1735 Fälle; 2021: 5070 Fälle; 2022: 6460 Fälle). Herrmann bezeichnete diese Entwicklung als erschreckend. "Wir müssen deshalb alles unternehmen, um Kinderpornographie und den dahinterstehenden Kindesmissbrauch zu bekämpfen", unterstrich er. Und es sei ein Unding, so der Minister weiter, dass Strafverfolger Hinweise auf Kindesmissbrauch nicht weiterverfolgen könnten, weil in Deutschland keine Daten mehr gespeichert seien.
Der CSU-Politiker verwies dabei auf das EuGH-Urteil vom September vergangenen Jahres, das die Sicherung von IP-Adressen ausdrücklich erlaube. "Über die Notwendigkeit der IP-Adressen-Speicherung sind wir uns in der Innenminister-Konferenz absolut einig", erklärte er heute. "In der Bundesregierung sind FDP und Grüne gefordert, schleunigst ihre ideologischen Vorbehalte abzulegen und endlich die gesetzlichen Regelungen zu schaffen." Wie Herrmann in diesem Zusammenhang außerdem deutlich machte, komme auch der Sicherung von strafrechtlich relevanten Datenträgern eine besondere Rolle zu. Dazu gehörten unter anderem Smartphones, USB-Sticks, SIM-Karten und Laptops.
"Die bayerische Polizei bildet deshalb seit Februar 2021 als Pilot-Projekt spezielle Datenträger-Spürhunde aus", so Herrmann weiter. Aktuell stehen laut Meldung aus seinem Ministerium bereits 13 geprüfte Datenträger-Spürhunde zur Verfügung. Seit Dezember 2021 seien diese Vierbeiner in Bayern bereits 138 Mal im Einsatz gewesen; dabei seien 65 Beweismittel aufgefunden worden. Herrmann spricht von einem hohen Einsatzwert der Spürhunde: "Denn gerade im Kampf gegen Kinderpornographie haben es unsere Ermittler häufig mit gut versteckten Datenträgern zu tun."