Thomas Pilawa (34) hat sich als Hobby-Brauer ein breites Wissen über den Gerstensaft angeeignet. Als Mitglied des deutschen Nationalteams bereitet er sich auf die nächste WM vor, die im September in München stattfindet.
(ty) "Sie schaffen Wertschätzung für Bier-Vielfalt, machen handwerklich gebraute Spezialitäten erlebbar und vermitteln mit Enthusiasmus und Wissen die sensorischen Besonderheiten." Eine Arbeits-Beschreibung von Nicola Buchner, der Geschäftsführerin des Verbandes der Diplom-Bier-Sommeliers, wie sie auch auf Thomas Pilawa zutrifft. Der 34-Jährige aus Geisenfeld ist einer von bundesweit knapp 3000 Experten, die sich offiziell Sommelier für Bier nennen dürfen. Mehr noch: Aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten, die er sich über Jahre erarbeitet hat, zählt Pilawa zu den Besten seines Faches in Deutschland. Als Mitglied des 16-köpfigen Nationalteams wird er im September in München um den Weltmeister-Titel kämpfen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er, wie er zu diesem außergewöhnlichen Hobby gekommen ist und was ihn daran so fasziniert.
"Aus einer Laune heraus" und weil ihn die Hintergründe des Handwerks interessierten, habe er 2015 damit begonnen, sein eigenes Bier zu brauen, erzählt Pilawa zu den Anfängen. Die Thematik habe ihn so gefesselt, dass er sich bei der IHK zum Bier-Botschafter, wie diese Art Vorstufe zum Sommelier genannt wird, ausbilden ließ.
Die Qualifikation zum Bier-Sommelier habe er dann im Jahre 2018 bei Doemenz, einem in München ansässigen internationalen Kompetenz-Zentrum für Brau-, Getränke- und Lebensmittel-Technologie, erworben. Dieses Hobby sei "ein schöner Ausgleich zum kopflastigen Job", sagt Pilawa, der hauptberuflich als Controller in einer Spedition beschäftigt ist.
In Diensten des "Sulzberger"-Bierhauses in Pfaffenhofen habe er sein Wissen über die Jahre verfeinert und auf verschiedenste Weise weitergegeben. Ein bis zwei Mal pro Monat veranstaltet er eigenen Angaben zufolge Verkostungen für Privatleute und Firmen. Was die Auswahl der Biere angeht, sei er für Wünsche völlig offen, berichtet Pilawa.
Mal spiele sich das Ganze in kleiner Runde in einem Wohnzimmer ab, mal stelle er die Biere – wie neulich mit etwa 65 Gästen – einem größeren Publikum auf einer Bühne vor. In der Regel kredenze er an so einem Abend acht verschiedene Biere, samt jeder Menge Informationen und Anekdoten zum den unterschiedlichen Bierstilen und -sorten. Und da ist der 34-Jährige nach eigenen Worten kaum zu bremsen. "Ich rede einfach gerne über Bier", sagt er. "Das können schon mal 20 Minuten je Probe sein."
Einmal im Monat trifft sich Pilawa mit anderen Hobby-Brauern zum Stammtisch in Wolnzach, um sich auszutauschen, beispielsweise über Entwicklungen und Neuerungen auf dem Biermarkt oder über eigene Versuche bei der Herstellung des Gerstensaftes. Pilawa verfügt bei sich zuhause, im Geisenfelder Ortsteil Parleiten, nicht nur über eine eigene Anlage, mit der er drei bis vier Mal pro Jahr jeweils rund 100 Liter Sud ansetzt.
In seinem Garten baut er an drei Stöcken sogar eigenen Hopfen an. Darunter sei auch eine englische Sorte, wie er gegenüber unserer Redaktion berichtet. Denn er sei ein absoluter Fan von englischen Bier-Stilen. Sein Favorit sei "Bitter". Dabei handele es sich um ein bernstein-farbenes, leichtes Bier mit Restsüße. Er liebe die leicht erdigen Noten mit einem Hauch von Minze-Geschmack, schwärmt der 34-Jährige.
Ob Honig-Bier, wie man es beispielsweise in Polen gerne braut, oder belgische Sauer-Biere mit Aromen, die an Balsamico-Essig erinnern – der internationale Bier-Markt biete eine unendliche Vielfalt. Jeder solle einfach probieren, was ihm besonders munde, empfiehlt der Sommelier. Er selbst sei da offen und "kein Verfechter des bayerischen Reinheits-Gebots". Aber er lege Wert darauf, dass nur natürliche Zutaten verwendet werden.
Pilawas breites Wissen über die Welt des Bieres wird auch im deutschen Nationalteam geschätzt. 2022 habe er erstmals an der WM der Bier-Sommeliers teilgenommen, berichtet er. Qualifiziert habe er sich damals, weil er bei den deutschen Meisterschaften 2021 unter die besten Zehn gekommen sei. Diesmal reichte ihm bei den nationalen Titel-Kämpfen im vergangenen Jahr der 15. Platz für die Nominierung. Bereits zum achten Mal wird in einem internationalen Wettbewerb die Weltmeisterin oder der Weltmeister der Bier-Sommeliers gesucht. Vorab finden weltweit in vielen Ländern nationale Meisterschaften statt.
Zum Finale der Weltmeisterschaft am 13. und 14. September in der Messe in München reisen Teams aus der ganzen Welt an. Bis zu 100 Bier-Experten aus 15 Ländern werden erwartet. Das deutsche Team gehört nach Einschätzung von Verbands-Geschäftsführerin Nicola Buchner zu den Favoriten. Denn mit Sebastian Priller aus Augsburg (2011), Oliver Wesseloh aus Hamburg (2013), Stephan Hilbrandt aus Bonn (2017) und Elisa Raus aus Stralsund (2019) haben deutsche Sommeliers bereits vier Mal den Weltmeister-Titel geholt.
Dem aktuellen deutschen Nationalteam der Bier-Sommeliers gehören an: Jutta Knoll (Bonn), Florian Bauer (Berlin), Martin Blickhan (Grafing bei München), Markus Fohr (Lahnstein), Peter Heßler (Fürth), Sebastian Hohentanner (Tokio), Philipp Ketterer (Hornberg, Schwarzwald), Dang-Stefan La Hong (Hamburg), Melanie Leutenegger (Leipzig), Thomas Pilawa (Geisenfeld), Thorsten Sander (Hannover), Franz van Hops (Leipzig), Matthias Willig (Aschaffenburg), Jürgen Wöhrle (Schenkenzell), Andreas Wölker (Alpirsbach) und Karsten Zinsik (München).
Jutta Knoll.
Die amtierende deutsche Meisterin und Team-Kapitänin Jutta Knoll ist zuversichtlich, dass das Nationalteam im September erneut erfolgreich abschneiden und den fünften WM-Titel nach Deutschland holen kann. Das Team bildet sich beispielsweise bei Online-Seminaren gemeinsam fort und absolviert zur Vorbereitung auch zwei Trainings-Lager – eines im Schwarzwald, das andere in Berlin. "Wir haben längst mit den Vorbereitungen begonnen und trainieren sehr hart und mit viel Hingabe für die Meisterschaft", sagt Jutta Knoll. "Das Training ist abwechslungsreich, anspruchsvoll und fordert all unsere Sinne heraus."
Denn Bier-Sommeliers seien weit mehr als nur Verkoster. "Wir sind Geschichten-Erzähler und Botschafter des Genusses", sagt die Expertin aus Bonn. Die Unterschiede zwischen den internationalen Bierstilen seien oft nur feinste Nuancen. "Deshalb schärfen wir gezielt unsere Sensorik und erarbeiten im Team die Besonderheiten jeder Kreation – von ihrer Geschichte über die passenden Food-Pairings bis hin zum perfekten Genuss-Erlebnis", erklärt die deutsche Meisterin.
Der deutsche Brauer-Bund (DBB) als Dachverband der 1500 Brauereien in der Bundesrepublik begleitet und unterstützt die Bewegung der Sommeliers seit Jahren. "Bier ist weit mehr als nur ein Getränk, es ist ein Kulturgut mit einer faszinierenden Vielfalt an Aromen, Braustilen und Traditionen", sagt DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. "Bier-Sommeliers sind die Experten, die diese Welt für Genießer, Gastronomen und die gesamte Bierbranche erschließen." Der DBB blicke positiv in die Zukunft, was das Berufsbild betrifft, denn die Nachfrage nach hochwertiger Beratung, sensorischer Expertise und der Entwicklung neuer Biere wachse stetig.
Diesen Trend bestätigt auch Nicola Buchner vom Verband der Diplom-Bier-Sommeliers. Nach ihren Angaben eröffnet die Ausbildung zum Bier-Sommelier vielfältige Karriere-Wege – von der Bier-Beraterin in der Gastronomie über die Produkt-Entwicklung in Brauereien bis hin zum Event-Management und zur Weiterbildung von Fachkräften. "Besonders die große Bandbreite an Bierstilen, Aromen und Einsatz-Möglichkeiten eröffnet Bier-Sommeliers unzählige Möglichkeiten, Bier erlebbar zu machen."