Mit einem Millionen-Darlehen hat der Kreis Pfaffenhofen seine Klinik davor bewahrt, Löhne nicht mehr bezahlen zu können - auch in Ingolstadt schlägt man Alarm
Von Tobias Zell
Der Landkreis Pfaffenhofen hat der Ilmtalklinik mit einem Darlehen über eine Million Euro aus einer finanziellen Schieflage geholfen. Dem Vernehmen nach hätte das Krankenhaus sonst schon im Februar die Löhne nicht mehr zahlen können. Landrat Martin Wolf (CSU) bestätigte auf Anfrage unserer Zeitung, dass es bei der Klinik immer wieder zu Liquiditäts-Engpässen kommt. Er habe als Kreischef das „Überbrückungsdarlehen“ per Eilbeschluss genehmigt; inzwischen sei das auch von der Kreispolitik abgesegnet worden. Als Hauptgrund für die schwierige Finanzlage nennen sowohl Wolf als auch Klinik-Geschäftsführer Marco Woedl ausstehende Zahlungen der Krankenkassen. Woedl spricht von aktuell fünf Millionen Euro an offenen Forderungen. Wolf moniert zudem die Unterfinanzierung der Krankenhäuser – und steht keineswegs alleine da. Auch Heribert Fastenmeier, der Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums, schlägt Alarm: „Wir sind im Kern gesund. Aber wenn die Krankenhausfinanzierung so weitergeht, gefährden wir schrittweise unsere Substanz.“
Der Landkreis Pfaffenhofen hat sich als Gesellschafter der Ilmtalklinik bereit erklärt, den finanziellen Engpass des Krankenhauses aus eigenen Rücklagen zu überbrücken, erklärt Wolf. Er verweist auf einen entsprechenden „Grundsatzbeschluss“ des Kreistags, der bereits im vergangenen Jahr gefasst worden sei. Im vergangenen Jahr sei das Geld dann aber nicht gebraucht worden. „Bislang war das nicht nötig, weil das Krankenhaus immer in den schwarzen Zahlen war“, so Wolf.
Fünf Millionen Euro offene Forderungen an Krankenkassen
Das hat sich nun geändert. „Im vergangenen Jahr haben wir ein Defizit von 1,6 Millionen Euro erzielt, das natürlich auch die Liquidität beeinträchtigt“, sagt Klinik-Geschäftsführer Woedl. Das ist einer der beiden Hauptgründe dafür, dass der Kreis nun einspringen muss. Der zweite Grund schlägt noch deutlicher zu Buche: „Die Krankenkasse zahlen mit großer Verzögerung“, erklärt Wolf. Und Woedl liefert die Dimension: „Gegenüber den Krankenkassen haben wir derzeit etwa fünf Millionen Euro Forderungen, was für unsere Verhältnisse sehr viel ist.“ Bei dieser Summe handle es sich um noch nicht bezahlte Rechnungen – „und das Geld fehlt dann aktuell auf unserem Bankkonto“. Mit der Folge, dass nun der Kreis aushelfen musste. Dass sei „völlig normal“, findet Woedl. „Das würde jeder Eigentümer eines Unternehmens tun, wenn es notwendig ist.“
Der Kreis Pfaffenhofen verfügt laut Wolf über Rücklagen von rund fünf Millionen Euro. Eine Million davon wurde nun der Klinik als Darlehen gegeben. Immerhin, so Wolf, sei das ganze für beide Seiten noch die wirtschaftlich beste Lösung: Die Klinik zahle weniger Zinsen, als wenn sie sich das Geld von einer Bank geliehen hätte. Und der Landkreis bekomme höhere Zinsen, als wenn er die Million auf dem Festgeldkonto hätte. Dennoch: Diese Finanzspritze ist nur eine Übergangslösung. Ein Überbrückungskredit „längstens für drei Monate“, sagt Wolf - und auf einen Schlag zurückzuzahlen.
Danach müsse man die Situation neu beurteilen. Der Landrat, der auch Chef des Aufsichtsrats der Klinik ist, denkt bereits über eine Erhöhung der Eigenkapital-Ausstattung der Ilmtalklinik GmbH nach. Im Moment sei die mit 50 000 Euro „ganz gering“. Um das zu ändern, bräuchte es einen Kreistagsbeschluss. Wenn es nach Wolf geht, wird dieses Thema aber erst im nächsten Jahr auf die Tagesordnung kommen.
"Sind auf einem guten Weg"
Woedl beruhigt indes: „Die finanzielle Situation hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert, da die Mainburger Klinik mit dem neuen Ärzteteam endlich wieder gut belegt ist.“ Das Mainburger und das Pfaffenhofener Krankenhaus haben 2007 fusioniert. GmbH-Geschäftsführer Woedl sagt: „Wir sind auf einem guten Weg.“
Landrat Wolf sieht die Lage skeptischer. „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation nicht grundlegend entspannt“, sagt er und verweist auf zunehmende Sach- und vor allem Personalkosten. „Die Steigerungen werden von den Krankenkassen nicht in vollem Umfang aufgefangen, sondern nur zum Teil.“ Das solle zu Effizienzsteigerungen führen. Doch der Faktor ist nach Ansicht von Wolf zu streng angelegt. Er moniert eine Unterfinanzierung der Krankenhäuser.
Und mit dieser Sichtweise steht der Pfaffenhofener Landrat keinesfalls alleine da. Auch Heribert Fastenmeier, der Geschäftsführer des Ingolstädter Klinikums, warnt: „Wenn die Krankenhausfinanzierung so weitergeht, gefährden wir schrittweise unsere Substanz.“ Wenn er über dieses Thema spricht, steht ihm bisweilen die eine oder andere Sorgenfalte auf der Stirn. Und da geht es ihm nicht anders als ganz vielen seiner Kollegen in der Republik.
Auch im Klinikum Ingolstadt schlägt man Alarm: „Wenn die Krankenhausfinanzierung so weitergeht, gefährden wir schrittweise unsere Substanz", sagt Geschäftsführer Heribert Fastenmeier.
Jedes zweite Krankenhaus schreibe rote Zahlen, „und die Schere geht weiter auf“, bilanziert zum Beispiel der Clinotel-Verbund, in dem viele Krankenhäuser, darunter das Klinikum Ingolstadt, organisiert sind. Weiteres Sparen sei nicht mehr möglich, ohne die medizinische Qualität mittelfristig zu gefährden, heißt es da. „Wir können uns das so nicht mehr gefallen lassen“, wettert Fastenmeier. „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Und eine Besserung der finanziellen Situation sei nicht in Sicht. Im Gegenteil: Neue Tarifabschlüsse machten die Situation nicht einfacher.
Denn die Forderungen der Ärzte und des medizinischen Personals gingen weit über das hinaus, was die Krankenhäuser an Budgetzuwächsen zu erwarten hätten. Für 2012 und 2013 etwa erhalten sie – gesetzlich vorgeschrieben – eine maximale Erhöhung von rund zwei Prozent. Damit sollen sämtliche Kostensteigerungen aufgefangen werden, wie es heißt. Zugleich sehe aber der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst lineare Entgelterhöhungen in drei Stufen um insgesamt 6,3 Prozent vor. Allein die dadurch entstehende Finanzierungslücke könne sich bei einem durchschnittlichen Krankenhaus auf einen Millionenbetrag summieren, rechnet Clinotel vor. Denn Personalkosten machen mindestens zwei Drittel der Gesamtausgaben aus. Schon die Tariferhöhungen machten die mageren Budgeterhöhungen also zur Makulatur, kritisiert daher der Krankenhausverband.
"Immer mehr Patienten mit immer mehr Personal"
„Um die dadurch entstehende Finanzierungslücke zu decken, muss an anderer Stelle gespart werden – wieder einmal“, heißt es aus dem Klinikum Ingolstadt. Schon seit Jahren bewirkten die Finanzierungslücken einen finanziellen Kostendruck auf die einzelnen Häuser, der Jahr für Jahr zu neuen Sparmaßnahmen führe. Dabei seien bereits viele Möglichkeiten ausgereizt, sagt Fastenmeier. „Es ist in den letzten Jahren zu einer starken Verdichtung von Arbeit gekommen“, betont auch Prof. Dr. Günter Ochs, der Ärztliche Direktor des Klinikums. „Wir müssen immer mehr Patienten mit immer weniger Personal behandeln.“
Ochs sieht nicht weniger als einen Zielkonflikt. Die Anforderungen an die Behandlungsqualität würden immer höher, die Behandlung werde immer teurer, aber die Finanzierung entwickle sich nicht im gleichen Maße mit. „Man kann die Medizin schon noch billiger machen, aber dann müssen viele, vor allem kleinere Krankenhäuser schließen.“ Im Klinikum verweist man auf Studien, wonach viele Krankenhäuser in Deutschland vor dem Aus stehen. Das habe auch der jüngste „Krankenhaus Rating Report“ ergeben hat. Jedes zehnte Haus ist demnach von der Schließung bedroht. Und die Situation werde sich für die rund 2000 Kliniken in Deutschland noch verschärfen, befürchtet Ochs. Es geht also um viel mehr, als um eine Million Euro, die in Pfaffenhofen der Landkreis übergangsweise seiner Klinik borgt.