Logo
Anzeige
Anzeige

Der heutige Verhandlungstag im Geiselnehmer-Prozess dürfte als der Tag der ausufernden Beleidigungen in die Geschichte des Landgerichts Ingolstadt eingehen 

(ty) Eigentlich sollte am heutigen Verhandlungstag  im Geiselnehmerprozess die Zeugen das Interessanteste sein. Immerhin waren drei der Geiseln und der Schütze geladen, der den Angeklagten Sebastian Q. damals mit ein paar Schüssen neidergestreckt hatte. Denen aber hat Geiselnehmer Sebastian Q. nachhaltig die Show gestohlen. So häufig dürfte an einem Verhandlungstag am Landgericht das Wort „Arschloch“ bislang kaum gefallen sein.

Gleich zu Beginn verweigerte Sebastian Q. erst einmal die Untersuchung beim Landgerichtsarzt Roman Steinkirchner. Und als der versuchte, ihn im Gerichtssaal zu beurteilen, wurde er vom Angeklagten mit dem Wort „Abflug“ gleich wieder in die Wüste geschickt.

Das war indes lediglich der Auftakt. Als der Richter den Saal betrat und alle Anwesenden sich erhoben, blieb der Angeklagte demonstrativ sitzen. Und auf die Aufforderung, doch bitte ebenfalls aufzustehen, meinte der nur lakonisch: „Heute nicht.“

Aber auch das war erst das Vorspiel zu dem, was noch kommen sollte. „Werf mich doch raus, blödes Arschloch“, meine Sebastian Q. Und als der Richter zu Protokoll nehmen wollte, dass der Angeklagte soeben den Staatsanwalt beleidigt habe, meinte Sebastian Q. trocken: „Nein, da waren Sie gemeint.“ Schob aber gleich in Richtung Staatsanwalt nach: „Und Du bist auch ein blödes Arschloch.“ Bei ihm legte Sebastian Q. dann noch einmal richtig nach. Vom blöden Depp über Schwachkopf bis zum Wichser durfte der sich heute die ganze Palette an Nettigkeiten anhören. Danach saßen sich dann beide gegenüber und starrten sich wie bei einem Duell im Wilden Westen in die Augen. Dieses Duell indes ging eindeutig zugunsten des Angeklagten aus. Was den Staatsanwalt in der Pause dazu veranlasste, zum Pflichtverteidiger zu sagen: „Ich wusste gar nicht, dass Ihr Mandant unbedingt in die Psychiatrie will.“

Der Angeklagte hatte einfach keine Lust, am heutigen Verhandlungstag teilzunehmen. Doch bis er wirklich aus der Verhandlung ausgeschlossen wurde, sollte es noch einige Unterbrechungen der Verhandlung und einige „Arschlöcher“ dauern.

 Viermal unterbrach der Vorsitzende Jochen Bösl insgesamt die Verhandlung, dreimal verhängte er eine Ordnungshaft gegen Sebastian Q., die sich allerdings kaum so wesentlich von der Untersuchungshaft unterscheidet, als dass sie Sebastian Q. hätte beeindrucken können.

Nach dem xten „zähen Arschloch“ für Richter Jochen Bösl verhängte der nach der vierten Unterbrechung dann endlich den Ausschluss des Angeklagten, was der ja von Anfang an wollte. „Ich halte das den ganzen Tag durch“, hatte er noch nach der dritten Ordnungshaft gedroht und jede wiederkehrende Belehrung mit den Worten gekonterte: „Halten Sie doch das Maul, das kennen wir schon.“ Stand auf und wollte auch ohne den offiziellen Ausschluss den Saal verlassen. Den bekam er aber dann. Und verließ fröhlich pfeifend den Gerichtssaal.

Ein für die Zuschauer zumindest doch recht amüsanter Verhandlungstag. Da konnten die geladenen Zeugen kaum mithalten. Sowohl der Schütze 133, der erste, der beim so genannten Zugriff den Raum betrat, in dem sich der Geiselnehmer befand und der auch geschossen hatte, als auch Bürgermeister Sepp Mißlbeck brachten denn auch kaum neue Fakten ins Spiel.

Der Schütze vom Sondereinsatzkommando wollte sich gerade noch daran erinnern, dass er sich bedroht gefühlt habe durch die Spielzeugwaffe in der Hans des Geiselnehmers und deswegen gefeuert und Sebastian Q. so handlungsunfähig geschossen habe. Wie viele Schüsse er abgegeben hatte, das wusste er offenbar nicht mehr. Es waren fünf, wie im Lauf der Verhandlung bekannt geworden war. „Ich wollte die Bedrohung beseitigen“, meinte er nur, hatte darüber hinaus nichts beizutragen, was auch nur ansatzweise interessant gewesen wäre. Lediglich daran konnte er sich erinnern, dass Sebastian Q. von dem Einsatz des SEK „relativ unbeeindruckt“ war.

Zur Aussage von Bürgermeister Mißlbeck wurde der Angeklagte dann auch schon wieder in den Gerichtssaal geführt. Und hielt sich erstaunlicher Weise ruhig. Die prominenteste Geisel schilderte die Geiselnahme noch einmal aus Betroffenensicht, wobei die meisten Fakten im Laufe der Verhandlung bereits zur Sprache gekommen waren.

Auch die markanten Zitate wie „Alter Mann, Du bis der erste, der eine Kugel in den Kopf bekommt“ sind bekannt. Mißlbeck habe, wie er erzählte, immer wieder versucht, die Situation nicht eskalieren zu lassen, habe versucht, in die „Beschützerrolle“ zu schlüpfen. Zum Geiselnehmer habe sich im Lauf jenes 19. September 2013 sogar so etwas wie eine menschliche Beziehung entwickelt. „Ich habe versucht, den ruhigen älteren Herren zu spielen“, meine Mißlbeck, der auch nicht verhehlte, dass ihn die Geiselnahme bei aller äußeren Ruhe schon auch mitgenommen habe. Zumal am Tag der Geiselnahme ja immer die Rede von finalen Showdown war.  „Was der Geiselnehmer damit meinte, das haben wir gar nicht gefragt.“

Er war etwa gegen 16 Uhr aus der Geiselhaft entlassen worden, um den von Sebastian Q, geforderten Entschuldigungsbrief der Stadt auf den Weg zu bringen. „Ich hatte versprochen, mit dem Brief zurückzukommen“, so Mißlbeck. Das indes habe ihm die Polizei damals untersagt.

Wenig Neues also. Und auch die Fragen des Staatsanwaltes, wer wann wohin seine Notdurft verrichtet habe, dürfte dem Verfahren keine wirklich neue Richtung geben.

Weitere Berichte:

„Ich habe den mehr oder weniger ehrenhaften Beruf des Geiselnehmers ergriffen“

„Game over“

Der Geiselnehmer zeigt Reue

 

 

 


Anzeige
RSS feed