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Nach dem Landgerichts-Urteil gegen den Scheyerner Ex-Bürgermeister Albert Müller, der Frauen unter den Rock fotografiert hat, haben beide Seiten Revision eingelegt

Von Tobias Zell 

(ty) Dass Albert Müller, der Ex-Bürgermeister von Scheyern, Frauen unter den Rock fotografiert hat, ist nach dem jüngsten Urteil des Münchner Landgerichts nicht strafbar, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit – die in diesem Fall mit einer Geldbuße von 750 Euro geahndet wurde. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung wurde Müller aber zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch das letzte Wort ist offenbar in dieser Spanner-Affäre noch nicht gesprochen. Denn nun haben sowohl die Staatsanwalt als auch Müllers Verteidigerin Regina Rick Revision eingelegt. Der Fall ist also noch nicht erledigt.

"Fakt ist aber, dass die Staatsanwaltschaft die treibende Kraft ist“, sagte Rick unserer Zeitung mit Blick auf die von beiden Seiten eingelegte Revision. „Die wollen vom Oberlandesgericht unbedingt hören dass das eine Beleidigung ist.“ Mit „das“ meint sie: Frauen unter den Rock zu fotografieren. Denn die zentrale Frage in dem ganzen Prozess war die juristische Einordnung: Ist es eine Straftat, Frauen unter den Rock zu knipsen, oder eben nicht? Das Landgericht sagte kürzlich: Nein. Es sieht nämlich den Straftatbestand der Beleidigung nicht erfüllt und bescherte Albert Müller damit einen Teil-Erfolg.

Teil-Erfolg deshalb, weil Müller ja wegen des Widerstands gegen die Beamten, die ihn nach der Spanner-Aktion gefasst haben, in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. „Wir hätten uns mit dem Urteil des Landgerichts wohl abgefunden“, sagt Müllers Verteidigerin. „Aber wenn die Staatsanwaltschaft es halt unbedingt wissen will, dann bitte...“ 

Albert Müller mit seiner Verteidigerin Regina Rick.

In dem ganzen Fall ging es bekanntlich von Anfang an nicht darum, ob Albert Müller Frauen unter den Rock fotografiert oder gefilmt hat. Das hat nicht einmal er selbst bestritten und zudem fanden sich zahlreiche entsprechende Aufnahmen auf dem Chip seiner Kamera. Es ging auch nicht um die moralische Frage, ob es sich gehört, Frauen unter den Rock zu knipsen. Es ging einzig und allein um die juristische Frage: Ist es eine Straftat? Oder anders gesagt: Gibt es einen Paragrafen, auf dessen Grundlage man Müller dafür strafrechtlich belangen kann? Das Münchner Landgericht sagte unlängst: Nein! Es hob damit das Urteil des Münchner Amtsgerichts auf, das den Tatbestand der Beleidigung sehr wohl verwirklicht sah, und verhängte lediglich eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit für die Spanner-Aktion.

Damit folgte das Landgericht im Grundsatz einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg aus dem Jahr 2010, das in einem nahezu identisch gelagerten Fall den Straftatbestand der Beleidigung ebenfalls nicht verwirklicht sah. Damit hatte Müllers Verteidigerin Regina Rick Recht behalten, die von Anfang an unter anderem auf dieses OLG-Urteil verwiesen und stets betont hatte: Selbst wenn ihr Mandant getan habe, was ihm vorgeworfen wurde, sei das nicht strafbar. Denn der Beleidigungs-Paragraf dürfe kein „Auffang-Tatbestand“ sein.

Jedenfalls sah das Landgericht den Straftatbestand der Beleidigung auch nicht erfüllt und bescherte Müller damit bei der Urteilsverkündung an dessen 57. Geburtstag einen juristischen Teil-Erfolg. „Ich bin froh, dass der Beleidigungs-Vorwurf vom Tisch ist“, sagte Anwältin Rick nach dem Urteil gegenüber unserer Zeitung. „Aber das war mir von Anfang an klar, sonst wäre ich mit meinem Mandanten nicht durch zwei Instanzen gegangen.“

Müller hatte im vergangenen Sommer auf einer Rolltreppe am Münchner Stachus Frauen mit einer Digitalkamera unter den Rock gefilmt beziehungsweise fotografiert. Auf der Speicherkarte seiner von der Polizei sichergestellten Kamera fanden sich 99 entsprechende Bilder und 27 Videos. Die von einem Zeitungsverkäufer verständigten Polizisten konnten Müller „in Aktion“ antreffen und ihn stellen. Er sei auf der Rolltreppe „auffällig nahe“ bei der jungen Frau gestanden, also praktisch eine Stufe hinter ihr. In der rechten Hand die Kamera, in der linken einen Stoffbeutel, offenbar um den Fotoapparat zu verdecken. Als die junge Frau, die Müller ins Visier genommen hatte, dann – oben angekommen – den Schritt von der Rolltreppe auf den festen Boden machte, soll sich Müller regelrecht nach unten gebeugt und den rechten Arm nach vorne gestreckt haben, um ihr die Kamera unter den Rock oder das Kleid zu halten. So wurde es von einem als Zeugen geladenen Beamten geschildert.

Den Polizisten, die ihn daraufhin stellten, soll Müller sich dann widersetzt, sich losgerissen, unkontrolliert um sich geschlagen haben. Ein Beamter wurde dabei verletzt. Erst als Müller zu Boden gebracht worden war und ihm Handschellen verpasst wurden, habe er sich kooperativ gezeigt. Seine Kamera soll er zuvor fallen lassen haben; und mit dem Fuß soll er noch versucht haben, sie wegzustoßen oder auf sie zu treten.

Dieser Vorfall vom 20. Juni 2013 brachte Albert Müller zunächst vors Münchner Amtsgericht. Hier war er am 11. März wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen zu jeweils 70 Euro verurteilt worden. Damit hatte das Amtsgericht exakt die Höhe der Geldstrafe bestätigt, die auch der von der Staatsanwaltschaft erwirkte Strafbefehl vorgesehen hatte – den Müller aber nicht akzeptiert hatte, weshalb der Fall überhaupt erst vor Gericht ging.

Mit diesem Amtsgerichts-Urteil aber waren letztlich beide Seiten nicht zufrieden: Der Staatsanwaltschaft, die 90 Tagessätze gefordert hatte, war die verhängte Geldstrafe zu niedrig und Müllers Anwältin hatte auf Freispruch plädiert – aus genanntem Grund.

Und so gingen beide Seiten in Berufung, weshalb man sich vor dem Landgericht mit dem Fall befasste. Ausgerechnet am 57. Geburtstag von Albert Müller sprach das Landgericht dann das Urteil. Und der Angeklagte konnte durchaus aufatmen. Zwar wurde er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung zu 60 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt – doch den zentralen Vorwurf der Beleidigung sah das Landgericht eben nicht bestätigt. Mit anderen Worten: Es wertete – anders als zuvor das Amtsgericht – nicht als Straftat, dass Müller Frauen unter den Rock fotografiert hat. Vor dem Landgericht wurde dieses voyeuristische Treiben lediglich als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ gesehen und als Ordnungswidrigkeit eingestuft; dafür bekam Müller eine Geldbuße von 750 Euro aufgebrummt. Die Richterin erklärte allerdings auch, dass dieses Urteil nicht als Freibrief zu sehen sei. In bestimmten Fällen könne so etwas durchaus eine Straftat sein. 

Die Staatsanwaltschaft hatte 90 Tagessätze zu je 80 Euro beantragt und wollte vor allem die Straftat der Beleidigung in der Spanner-Aktion bestätigt wissen. Nun haben also beide Seiten Revision eingelegt. Die Spanner-Affäre ist also noch nicht beendet.

Abzuwarten bleibt auch, wie die Landesanwaltschaft mit dem Fall umgeht. Denn die hat nach Müllers vorläufiger Dienstenthebung die Angelegenheit erst einmal auf Eis gelegt und will zunächst die strafrechtliche Dimension abwarten. 

Seine politische Karriere hat Müller der Vorfall am Stachus ungeachtet des juristischen Ausgangs bereits gekostet. Denn er wurde damals wegen dieser Vorwürfe von der Landesanwaltschaft vorläufig seines Bürgermeisteramts enthoben – und inzwischen ist er ohnehin nicht mehr Rathauschef. Denn seine Wählergruppe hatte ihn angesichts der Vorwürfe gar nicht mehr als Bürgermeisterkandidat nominiert. Bei der Wahl im März setzte sich dann der FW-Mann Manfred Sterz durch, der seither im Rathaus sitzt.


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