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Das in Pfaffenhofen ansässige Netzwerk für Bürgerenergie in Bayern übt massive Kritik an dem heute im Landtag verabschiedeten Gesetz zur 10H-Abstandsregelung bei Windkraftanlagen

(ty) Das in Pfaffenhofen ansässige bayerische Landesnetzwerk für Bürgerenergie verurteilt das heute vom Landtag verabschiedeten Gesetz zur 10H-Regelung bei Windkraftanlagen als „überflüssigen politischen Aktionismus“, der in den Kommunen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten werde. Die Staatsregierung gefährde damit nicht nur die energetische Wertschöpfung vor Ort, sondern werde den weiteren Windkraft-Ausbau im Freistaat nahezu zum Erliegen bringen, prophezeit die Landesvereinigung in einer Pressemitteilung. 

Das heute beschlossene Gesetz schreibt größere Abstände zwischen Windrädern und Wohngebäuden vor: Der Abstand einer Anlage zur nächsten Wohnbebauung muss demnach künftig das Zehnfache der Windrad-Höhe betragen. Die von der CSU-Fraktion entworfene 10H-Regelung soll dafür sorgen, dass Anlagen mit einem geringeren Abstand nicht gegen den Willen der Bevölkerung in der Nähe der Wohnbebauung oder in einer besonders sensiblen Landschaft errichtet werden.

Das Landesnetzwerk für Bürgerenergie kann diesem Gesetz indes nicht viel Gutes abgewinnen. „Einzig positiver Umstand der 10H-Regel ist, dass eventuell energie-aktive Kommunen in Kooperation mit Bürger-Energie-Genossenschaften gegenüber Heuschrecken-Investoren den Vorteil der Regionalität besser ausnutzen können“, sagt der Vorstandsvorsitzende Markus Käser, der auch Chef des SPD-Kreisverbands Pfaffenhofen ist.

Das Netzwerk „Bürgerenergie Bayern e. V.“, dem Käser vorsteht, ist ein kürzlich aus der Taufe gehobener landesweiter Zusammenschluss mit Sitz in Pfaffenhofen. Er bündelt nach eigenen Angaben die gemeinsamen wirtschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Interessen aller Bürgerenergie-Akteure. Dazu zählen in erster Linie rund 250 bayerische Bürgerenergiegenossenschaften – rund ein Viertel aller deutschen – und Stadtwerke, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, aber auch andere Gesellschaften, die dezentrale und regenerative Bürgerenergieprojekte betreiben.

In einer Presseerklärung geht das Landesnetzwerk hart ins Gericht mit der 10H-Regelung und der CSU-Politik dahinter. Im Jahr 2011 habe Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dick aufgetragen und Bayern zum „Land der Bürgerenergie“ erklärt. Er habe gewollt, dass alle im Freistaat von der Energiewende profitieren, nicht nur die Konzerne. Pathetisch habe er den Ausstieg Bayerns aus der Atomkraft als Teil eines neuen Gesellschaftsvertrags für den Freistaat umgedeutet.  Das Landesnetzwerk erinnert an Seehofers Worte: „Ein schneller Ausstieg bis zum Jahr 2022 ist machbar, wirtschaftspolitisch vertretbar und ethisch geboten.“

Von dieser Botschaft hat sich die Staatsregierung mit der heutigen Änderung der Bauordnung zu den Abstandsflächen von Windrädern aber nach Ansicht des Landesnetzwerks ebenso größtenteils verabschiedet, wie vom eigenen, 2011 in Kraft gesetzten Energiekonzept „Bayern innovativ“. Und dies aller Experten-Meinungen zum Trotz, wie Käser betont. Er verweist unter anderem auf die Sichtweisen von IHK, bayerischem Landkreistag, bayerischem Städtetag, bayerischem Gemeindetag und Bund Naturschutz. „Da sind sich alle Experten einig: Die 10H-Regel ist unnötig, der Gesetzentwurf war unausgereift.“ Viele Klagen werden die Folge sein, prophezeit Käser. Einige Organisationen hätten bereits eine Verfassungsbeschwerde angekündigt.

Die 10H-Regelung ist nach Dafürhalten des Landesnetzwerks eine Gesetzesänderung, die nicht nur Wettbewerbsnachteile für private Investoren, lokale Bürgerenergie-Projekte und Genossenschaften schafft, sondern auch den weiteren Windkraftausbau im Freistaat nahezu zum Erliegen bringt. „Denn faktisch verbleibt in Bayern nach Schätzung noch 0,05 Prozent der Landesfläche für den Bau von Windkraftanlagen“, heißt es aus dem Landesnetzwerk. Die noch im Jahr 2011 angestrebten 1500 Anlagen und ein Anteil der Windkraft von zehn Prozent an der bayerischen Stromerzeugung bis 2021 würden so in weite Ferne rücken. Und ohne Windkraft fehle eine wesentliche Säule zur Umsetzung der Energiewende in Bayern.

Nicht zuletzt sehen Käser & Co. mit der Verabschiedung der 10H-Regelung den Energie-Dialog des bayerischen Wirtschaftsministeriums ad absurdum geführt, weil aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen für die Windkraft keine Ergebnisoffenheit mehr gegeben sei.

CSU: Gemeinden können von 10H abweichen 

Bei der CSU ist man freilich der Meinung, mit der 10H-Regelung den richtigen Schritt getan zu haben. „Es ist nötig, dass wir den Schutz der Betroffenen verbessern“, sagte Otmar Bernhard in der heutigen Debatte. Es gehe um einen vernünftigen Interessensausgleich zwischen denen, die Windräder bauen wollen, und denen, die von Windrädern betroffen seien. Daher könne auch jede Gemeinde von der 10H-Regelung abweichen, wenn sie das wolle. Kommunen sollen die Möglichkeit haben, in ihren Bebauungsplänen von 10H abzurücken und geringere Abstände festzulegen, wenn die Beteiligten vor Ort einverstanden sind. 

„Wir entscheiden heute nicht über Ja oder Nein der Windkraft in Bayern“, wollte Erwin Huber betont wissen. „Wir entscheiden hier über eine Verfahrensfrage.“ Man sorge für die Beteiligung der Gemeinden. „Bisher können die Gemeinden zwar reden, aber es entscheidet der Staat. In der Zukunft entscheiden die Gemeinden.“ Huber sprach von einer „kommunalfreundlichen Regelung, die auch die Bürgerbeteiligung verbessert.“ Ähnlich äußerte sich der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Dieses Gesetz ist kein Windkraftverhinderungsgesetz, sondern ein Bürgerbeteiligungsgesetz. Es verbessert die Beteiligung der Menschen in der Gemeinde sowie in der Nachbargemeinde.“ 

Anders sieht man das beim Landesnetzwerk für Bürgerenergie. „Wir erachten 10H als überflüssigen politischen Aktionismus, der zudem durch nicht ausreichenden Bestandsschutz für Bürgerenergie-Anlagen und durch zusätzliche oder erneute Konzentrationsflächenplanungen in den Kommunen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen wird“, heißt es in dem aktuellen Statement. Und: 10H verschlechtere die Rahmenbedingungen für die Energiewende massiv.

Als weitere Folgen von 10H prophezeit das Landesnetzwerk unerwünschte Alternativen, zum Beispiel in Form von Gaskraftwerken, und einen zwangsläufig erweiterten Übertragungsnetzausbau. „Zudem wurden mit einem weiteren Hindernis für die bayerische Windkraft zahlreiche Chancen für Bürgerenergie-Projekte und damit für regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Klimaschutzfortschritte sehenden Auges verspielt", erläutert Käser das Fazit des Landesnetzwerks aus dem heutigen Beschluss. 

Das Bürgerenergie-Netzwerk erinnert an die Worte von Erwin Huber bei der Anhörung zu 10H im Wirtschaftsausschuss, als der CSU-Politiker sagte: "Der Atomausstieg ist irreversibel." Deshalb appelliert die Landesvereinigung für bayerische Bürgerenergie: „Wir bitten die Staatsregierung, wieder auf ihren selbst gesetzten Kurs in Richtung Bürgerenergieland und Energiewende zurückzukehren und nicht der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken den Weg zu bereiten.“


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