Der Biss-Verkäufer Günter Holzer, den man mit der Polizei vom Ingolstädter Christkindlmarkt vertreiben ließ, müsste eigentlich ins Krankenhaus – Aber dann hat er das Geld nicht mehr, um sein Zimmer zu heizen – Jetzt kann er gehen, weil die Hair&Beauty-Galerie die Rechnung übernimmt
(ty) Es heißt zwar Christkindlmarkt. Aber so richtig christlich geht es zwischen Currywurst und Glühwein doch nicht immer zu. Das hat jetzt Günter Holzer erfahren, der Biss-Verkäufer, der seit März in Ingolstadt die Obdachlosenzeitung verkauft und ebenso wie sein Hund Snoopy in der ganzen Stadt bekannt ist. Weil er zum einen als so genannter wilder Verkäufer gehandelt wird und andererseits mit seinem Verkaufswagen – einem umgebauten Rollator, der er als Gehhilfe braucht – und seinem Klappstuhl, auf dem er oft einmal Platz nimmt, etwas Raum beansprucht, hat man den „Störfaktor“ vorgestern kurzerhand mit der Polizei vom Christkindlmarkt vertreiben lassen. Und das mit städtischem Segen.
Und dem von Glühwein-Verkäufer Robert Eckl, der den Verweis von Günter Holzer ins Rollen gebracht hatte. Weil er sich „brettlbreit“ mit seinem Klappstuhl in den Eingang gesetzt habe, wie es von städtischer Seite hört. Und überdies habe es Beschwerden von Passanten gegeben. Sein Verhalten sei eine Provokation, meint die Stadt. „Ich bin kein Verbrecher, den man mit der Polizei jagen muss“, meint Holzer.
Gerade der Christkindlmarkt war für Holzer schon ein kleines, bescheidenes Paradies, weil er von vielen Standbetreibern etwas geschenkt bekommen habe. Manche hätten ihm auch ein Essen ausgegeben. Dieses Paradies indes setzte Robert Eckl ein Ende, indem er die Polizei informierte, um den Störfall Holzer entsorgen zu lassen. Weil er im Eingangsbereich auf seinem Klappstuhl eine Steaksemmel verzehrte, die ihm ein anderer Standbetreiber ausgegeben hatte.
Die tragische Geschichte hinter diesem Vorfall: Günter Holzer, der früher einmal selbstständiger Unternehmer war, lebt nach drei schweren Herzinfarkten und einer Herzleistung von gerade einmal noch 29 Prozent vom Verkauf der Obdachlosen-Zeitschrift „Biss“. Keine Sozialhilfe, kein Hartz IV. Wenn er keine Zeitungen verkaufen kann, ist er absolut mittellos.
Deswegen ist der schlagfertige und eloquente Biss-Verkäufer auch nicht da, wo er eigentlich sein sollte: Im Krankenhaus. Denn er hat wegen seiner Herzschwäche Wasser in der Lunge und müsste dringend behandelt werden. Der 62-Jährige mit dem weißen Vollbart war auch schon im Klinikum, hat sich aber auf eigene Verantwortung selbst entlassen, weil er die Adventszeit nutzen muss, um ein paar Zeitungen mehr zu verkaufen als sonst.
Nicht etwa, weil er nicht krankenversichert wäre, sondern weil er sonst den Strom für die Heizung in seinem kleinen Zimmer in einem Hinterhof der Theresienstraße nicht mehr bezahlen kann. „In meinem Zimmerchen hat es zwei Grad über null“, sagt der kranke Mann, „das Zimmer hat aber keine Heizung und so muss ich es mit einem elektrischen Gerät beheizen.“ Das Geld dafür aber kann er nicht aufbringen, wenn er ins Krankenhaus geht. Ein tödlicher Teufelskreis. Und das wegen einem Betrag um die 500 Euro.
Diesen Teufelskreis haben Marco Slavulj und Helmut Schmid von der Hair&Beauty-Galerie heute durchbrochen. Nachdem sie in Facebook über sein Schicksal gelesen haben, haben sie sich spontan entschlossen, Günter Holzers Stromrechnung zu übernehmen, damit er beruhigt ins Krankenhaus gehen kann. Und der wäre heute vor Rührung beinahe zusammengebrochen, als ihm die beiden eröffneten, für die Stromkosten aufzukommen.
Nun wird er also doch wieder ins Krankenhaus gehen und sich behandeln lassen mit seinem Wasser in der Lunge, den Beinen, in denen sich ob der schwachen Herzleistung derart das Blut staut, dass er sich oft spontan auf seinen Klappstuhl setzen muss. Eine Provokation, wie die Stadt in den Medien zitiert wird? Ganz sicher aber kein leuchtendes Beispiel für Mitmenschlichkeit und Erbarmen. Und ganz sicher auch kein Vorfall, der einem Christkindlmarkt gut zu Gesicht steht.
Nach Veröffentlichung dieses Berichts hat eine Welle der Hilfsbereitschaft eingesetzt; lesen Sie dazu: So geht Weihnachten!