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Der Alltag des blinden Paul Trautner wird durch das Ende der Ingolstädter Mobilitätshelfer ein Stück schwieriger – und ein Stück einsamer 

 (ty) Die Schönheiten der Stadt, die kennt er nur aus Erzählungen, der Lichterglanz der weihnachtlichen herausgeputzten Innenstadt existiert nur in seiner Fantasie, die sich von den entzücken Ausrufen der Passanten nährt. Paul Trautner ist blind. Eine Erbkrankheit hat seine Welt von Kindheit an immer enger und enger werden lassen – bis zu jenem Tag, da er nur noch hell und dunkel unterscheiden konnte.

"Retinitis Pigmentosa" heißt dieser Gen-Defekt, der ihm nicht nur sein Augenlicht geraubt hat, sondern sein halbes Leben. Wenn er am Leben teilhaben will, wie er es nennt, dann ist er auf Hilfe angewiesen. 56 Jahre ist der gebürtige Franke alt, wohnt im Ingolstädter Piusviertel. Und die sozialen Kontakte, die schwanden mit seiner Sehkraft. Bis er auf die Mobilitätshelfer stieß. „Da begann für mich ein neuer Lebensabschnitt“, sagt Paul Trautner, der im Augenblick keine Ahnung hat, wie es für ihn weitergehen soll. Jetzt, da das Projekt Bürgerarbeit ausgelaufen ist und es auf einmal keine Mobilitätshelfer mehr geben soll.

Bis 2009 war Trautner verheiratet. Seine Frau war zwar auch sehbehindert. „Aber als Ingolstädterin hat sie die Stadt gekannt wie ihre Westentasche.“ Später habe ihm dann sein ehemaliger Schwiegervater geholfen, wenn er zum Arzt musste oder zum Einkaufen. Aber der ist im vergangenen Jahr gestorben.

„Ab da hing ich in der Luft“, sagt er. Deswegen war es wie ein kleines Wunder für Paul Trautner, als er auf die Mobilitätshelfer stieß. „Es war ein neuer Lebensabschnitt für mich. Ich bin Woche für Woche von denen abgeholt worden. Sie haben mich zum Arzt gebracht, sind mit mir zum Einkaufen gegangen, haben mir die Haltbarkeitsdaten vorgelesen.“ Das seien so Kleinigkeiten, von denen sich ein Sehender keinen Begriff mache. Haltbarkeitsdatum, Preise vergleichen. „Früher habe ich oft jemanden gefragt, der zufällig am Regal stand. Aber viele sind einfach weitergegangen.“

Gut 30 Mal hat Paul Trautner die Mobilitätshelfer ins Anspruch genommen. „Das war für mcih ja auch die Chance, aus meiner Wohnung rauszukommen, am Leber teilzuhaben“, sagt der Blinde, der einen innigen sozialen Kontakt zu seinen persönlichen Engeln aufgebaut hat. „Sie waren überaus menschlich, haben sich so viel Zeit für mich genommen, wie ich gebraucht habe. Wir haben viel geredet, viel gelacht.“

Das Lachen, das wird er vermissen. Aber auch die Einkäufe, die Arztbesuche, die Gespräche. „Ich verstehe das nicht, dass sich eine reiche Stadt wie Ingolstadt so eine segensreiche Einrichtung nicht leisten kann“, meint Trautner, „für mich ist das ein großer Einschnitt in mein Leben, ein Verlust an Lebensqualität. Die Mobilitätshelfer fehlen mir schon sehr.“

Oft hat Paul Trautner mitbekommen, wie die Mobiliätshelfer zwischendrin mal eben einem alten Mann mit Rollator in den Bus geholfen haben, einer blinden Frau am Nordbahnhof das richtige Gleis gezeigt haben, wenn sie ihn begleitet haben. „Die waren ja nicht nur für mich da“, meint er.

„Es wäre eine so wichtige Sache, dass die bleiben“, sagt Paul Trautner, der im Augenblick nicht weiß, wie er zum Einkaufen kommt oder zu Arzt. Oder mit wem er lachen soll in seinem auf hell und dunkel reduzierten Leben. „Ich finde es schlimm.“

Und er weiß, dass er wie vor einem Jahr, als sein Schwiegervater gestorben ist, wieder einmal in der Luft hängt, allein gelassen mit seiner Krankheit. Dabei will Paul Trautner doch nur eines: Am Leben teilhaben.


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