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Matthias Boeck von der FDP/UW-Fraktion hat gestern mal wieder eine Sitzung des Wolnzacher Gemeinderats vorzeitig verlassen – und sich zuvor möglicherweise strafrechtlich angreifbar gemacht 

(ty) Dass der Wolnzacher Gemeinderat Matthias Boeck (FDP/UW) mitunter eine recht exklusive Interpretation der demokratischen Grundregeln für sich beansprucht, ist wahrlich nichts Neues. Gestern hat er nun der Liste seiner Eigenwilligkeiten eine neue Episode hinzugefügt, als er im Gemeinderat für einen handfesten Eklat sorgte. Mitten in der Behandlung von Tagesordnungspunkt 3 nämlich verließ er – nicht zum ersten Mal – die Sitzung. Zuvor zeigte er den „Scheibenwischer“, wie uns aus dem Rathaus bestätigt wurde. 

Es ging um die Trassenführung des Radwegs von Hüll nach Hofen. Zwei Varianten liegen dazu auf dem Tisch, die gestern vorgestellt wurden. Die Variante durch Hagertshausen kostet nach ersten Schätzungen rund 190 000 Euro. Und die zweite Variante, auf der alten Bahntrasse, würde rund 590 000 Euro verschlingen. Eine Entscheidung stand übrigens zu diesem Thema gar nicht an, wie der geschäftsleitende Beamte, Markus Rieder, erklärt. Es sei gestern lediglich um die Information zu den Varianten gegangen; als Grundlage für die weitere Diskussion. 

Doch Boeck hatte offenbar keine Lust auf das Thema, oder zumindest keinen Bock auf die Diskussion – obwohl er als Grundstückseigener von beiden Varianten betroffen wäre, wie uns Bürgermeister Jens Machold (CSU) bestätigt. Eine Wortmeldung von CSU-Rat Alois Brummer kommentierter er nach übereinstimmenden Berichten mit der „Scheibenwischer“-Geste. Daraufhin vom Bürgermeister gerügt und ermahnt, sich zurückzuhalten, verließ Boeck den Sitzungssaal – um nicht mehr wiederzukehren.  „Sehr lustig“, finde er das, soll Boeck laut zwei Medienberichten noch gemeint haben. Und er soll dem Gremium empfohlen haben, doch „Kabarett“ zu machen.

Was Boeck zu seiner wiederholten Flucht aus dem Gemeinderat motiviert hat, muss vorerst offenbleiben. Er war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Wir haben ihm deshalb eine schriftliche Anfrage per E-Mail geschickt und berichten nach, sobald er sich geäußert hat. 

Möglicherweise ist Boeck bei diesen Thema so emotional, weil er nicht unwesentlich persönlich betroffen ist: Würde die Variante auf der alten Bahntrasse realisiert, käme laut Machold praktisch der gesamte Grund, der zu erwerben wäre, von Boeck. Bei der anderen Variante wäre der Gemeinderat Boeck nur einer von mehreren, deren Grund die Kommune kaufen müsste – und, so Machold, es ginge bei dieser zweiten Variante notfalls auch, wenn Boeck nicht verkaufen sollte.

Ungleich lukrativer für den Privatmann Boeck wäre somit die erste Variante, die aber der Gemeinde rund 400 000 Euro mehr kosten würde. Doch es scheint angesichts dieser Dimension eher unwahrscheinlich, dass sich der Gemeinderat für die doch deutlich teuerere Version entscheidet. Zudem soll, so Machold, der Radweg ja im Rahmen des EU-Förderprogramms "Leader" errichtet werden. Und die Frage ist in diesem Zusammenhang freilich auch, ob mit Fördergeldern zu rechnen ist, wenn sich die Gemeinde hier die Luxus-Variante leistet.

Im vergangenen Oktober hatte Boeck übrigens schon einmal eine Sitzung des Gemeinderats vorzeitig verlassen. Weil er aufgebracht war, wie berichtet wurde. Oder/Und anderer Meinung. Klar ist aber auch: Zentrale Säulen der Demokratie sind Diskussionen und das Zulassen von beziehungsweise das Befassen mit anderen Meinungen. Wenn jeder eine Sitzung verlassen würde, weil ihm nicht gefällt, was da gerade auf der Tagesordnung steht oder gesprochen wird, dann wäre es oftmals vermutlich recht leer in den Sälen. 

Übrigens: Jemandem den „Scheibenwischer“ zu zeigen, ist juristisch gesehen eine Straftat im Sinne der Beleidigung. Allerdings handelt es sich um ein so genanntes Antragsdelikt; das heißt: Die Justiz wird in solchen Fällen in aller Regel nur dann tätig, wenn Anzeige erstattet beziehungsweise Strafantrag gestellt wird.


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