Lokalpolitik in ihrer reinsten Form: Im Pfaffenhofener Kulturausschuss wurde heute über 50 Euro debattiert – für die Wartung einer Kirchturmuhr. Und am Ende zog Bürgermeister Thomas Herker (SPD) den Kürzeren
Von Tobias Zell
In der kommunalen Verwaltung, da geht halt einfach alles seinen Gang. Selbst, wenn es nur um 50 Euro geht. Da wird ein Antrag gestellt, der kommt auf die Tagesordnung, dann wird diskutiert und abgestimmt – und so, wie es die Mehrheit dann will, wird’s eben gemacht. Und wer gerne mit dem Stammtisch-Satz „Die machen doch eh, was sie wollen“ kommt, der sah sich jetzt schon im ganz Kleinen eines Besseren belehrt. Denn im Pfaffenhofener Kultur-, Sport-, Jugend- und Sozialausschuss wurde heute Nachtmittag mit aller Ernsthaftigkeit darüber debattiert, ob die Stadt die Wartungskosten für die Kirchturmuhr von Kleinreichertshofen übernehmen soll oder nicht. Kostenpunkt: 50 Euro plus Steuer. Und am Ende musste sich Bürgermeister Thomas Herker (SPD) damit abfinden, dass die Mehrheit in dieser Frage anders dachte, als er.
Der Stadtverwaltung war jedenfalls ein Antrag auf die Übernahme der Wartungskosten für die Kirchturmuhr von Kleinreichertshofen auf den Tisch geflattert. Der Kirchenpfleger bezog sich dabei auf einen Zeitungsartikel, wonach die Wartung von Kirchturmuhren grundsätzlich im Interesse der öffentlichen Hand läge und daher viele Kommunen die Wartungskosten übernähmen. Beigefügt war der Vertragsentwurf einer Firma aus Passau. Demnach beläuft sich die jährliche Pauschale für die Wartung der Turmuhr auf die genannten 50 Euro netto.
Wer nun ansatzweise kennt, wie kommunale Verwaltungen funktionieren, der weiß auch, was ein solcher Antrag in einem Rathaus auslöst. „Wir haben in alten Unterlagen gewühlt“, berichtete Hauptamtsleiter Hans-Dieter Kappelmeier heute dem Gremium. Will sagen: Man prüfte die rechtliche Situation und suchte nach bisherigen Beschlüssen. Das Ergebnis dieser Recherchen gibt indes durchaus Einblick in die jüngere bayerische Geschichte.
Im 19. Jahrhundert, so hat man herausgefunden, hatten die Gemeinden noch für die Herstellung und Unterhaltung der Kirchturmuhren zu sorgen. In den heutzutage geltenden kommunalrechtlichen Bestimmungen gebe es dagegen keine ausdrückliche Regelung mehr über öffentliche Uhren. Es liege somit im Ermessen einer Gemeinde, ob sie für nicht in ihrem Eigentum stehende Exemplare aufkommt. Anders wäre die Situation freilich, so hieß es in der Vorlage zur heutigen Sitzung, wenn die Kirchturmuhr im Eigentum der Gemeinde stehen würde. Was aber in Kleinreichertshofen nicht der Fall ist.
Außerdem stieß man bei den Nachforschungen auf ein Votum vom 20. Oktober 1977. Damals beschloss der Stadtrat von Pfaffenhofen auf Empfehlung des Kulturausschusses, dass Neu- oder Ersatzbeschaffungen von Kirchturmuhren zwar grundsätzlich bezuschusst werden; Unterhalts- beziehungsweise Wartungskosten wurden hingegen ausdrücklich ausgeklammert. Somit hatte die Verwaltung ihre Recherchen abgeschlossen und der Beschlussvorschlag an den Ausschuss lautete folgerichtig: „Die Übernahme der Wartungskosten für die Kirchturmuhr in Kleinreichertshofen wird abgelehnt.“
Und genau dafür warb Bürgermeister Herker. Mit der logischen Begründung, das wäre die konsequente Fortführung der gängigen und bewährten Praxis. Der besagte Beschluss aus dem Jahr 1977 ist übrigens älter als der Rathauschef. Aber das tut nichts zur Sache. Oder doch. Barbara Breher (CSU) regte nämlich an, man möge sich doch diesen Beschluss von seinerzeit doch ruhig nochmal anschauen. 50 Euro würden ihrer Meinung nach die Stadtkasse jedenfalls „nicht übermäßig strapazieren“. Bekanntlich hat der Stadtrat vor exakt einer Woche – gegen die Stimmen der Christsozialen – einen Rekord-Haushalt über rund 72 Millionen Euro beschlossen. CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann hatte unter anderem einen Ausgabe-Posten kritisiert, der 2000 Euro für Zahnbürsten-Halter im Kindergarten vorsieht.
Nun wusste freilich auch Barbara Breher, dass man im Falle einer Übernahme der Kosten für die Wartung der Kleinreichertshofener Kirchturmuhr praktisch einen Präzedenzfall schafft – der höchstwahrscheinlich dazu führt, dass die Stadt künftig den Unterhalt sämtlicher Kirchturmuhren in ihrem Gebiet zu bezahlen hat. Aber andererseits sind ja 50 Euro auch nicht soooo viel.
Bürgermeister Herker ahnte mittlerweile schon, worauf das hinauslaufen könnte, und versuchte, dagegen zu argumentieren. In heutigen Zeiten, wo doch jeder eine eigene Uhr habe, stehe der Zweck einer Kirchturmuhr nicht mehr in dem öffentlichen Interesse wie früher. „Die Zeit ist vorbei“, meinte er und bat darum, „damit jetzt nicht anzufangen“.
Ja, aber! So wandte Franz Schmuttermayr (CSU) ein: „Eine Uhr gehört schon am Kirchturm hin.“ Und zwar eine funktionierende. Als Herker jetzt schwante, dass ihm hier die Stimmung kippt, versuchte er die Situation mit einem Versprechen zu retten. Wenn es in einzelnen Fällen an den Kosten für die Wartung der Kirchturmuhr scheitern sollte, dann werde man eine Notlösung finden, versicherte er – und bat inständig, jetzt aber doch nicht von der gängigen Praxis abzuweichen. „Sendet dieses Signal bitte nicht“, bekniete er die skeptischen Ausschuss-Mitglieder.
Doch es half alles nichts: Der Vorschlag der Verwaltung, wonach die städtische Übernahme der Wartungskosten für die Kirchturmuhr von Kleinreichertshofen abzulehen wäre, fand keine Mehrheit. Denn alle CSU-Vertreter (Barbara Breher, Franz Schmuttermayr, Brigitte Axthammer und Hans Bergmeister) sowie Reinhard Haiplik und Richard Fischer (beide ÖDP) winkten ab, votierten für die Übernahme der Kosten – und hatten damit, weil Steffen Kopetzky (SPD) fehlte, die Mehrheit.
Jetzt konnte der Bürgermeister nur noch klein beigeben. „Sei es Euch im Jenseits vergolten“, rief er den sechs Räten zu, die ihm seinen Beschluss-Vorschlag zerlegt hatten, und meinte: „Es gibt teurere Symbol-Entscheidungen.“ Dass die bunte Koalition (SPD, FW, ÖDP, Grüne) diesmal in Person von Fischer und Haiplik ihrem Frontmann einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, wird der angesichts der überschaubaren finanziellen Tragweite dieses Beschlusses für den städtischen Haushalt wohl verkraften. Es geht halt alles seinen Gang. Amen.