Unterbringung und Integration von Flüchtlingen: Ulrich Maly, der Chef des bayerischen Städtetags, forderte heute in Pfaffenhofen mehr Geld vom Bund, schnellere Verfahren und unbürokratische Lösungen
(ty) Bei der oberbayerischen Bezirksversammlung des bayerischen Städtetags, die heute in Pfaffenhofen stattfand, nahmen Themen rund um die Asyl- und Flüchtlingspolitik breiten Raum ein, wie der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) als Vorsitzender des bayerischen Städtetags bei einer Pressekonferenz sagte. „Wir müssen diesen Menschen eine sinnvolle Perspektive eröffnen“, war einer seiner zentralen Sätze. Die bayerischen Kommunen hätten hier bereits Großes geleistet, betonte er, doch es könne nicht alles auf die Kommunen abgewälzt werden. „Es muss noch einmal über Geld gesprochen werden“, sagte Maly mit Blick auf den Bund. Der Betrag von einer Milliarde Euro sei nicht zufriedenstellend.
„Wir wissen, wie Integration geht“, sagte Maly, der auch Präsident des deutschen Städtetags ist, „aber wir wissen auch, dass es nicht ohne Geld geht.“ Zwar würden in Bayern die Kosten gut erstattet, sagte er – aber es gebe auch hier noch offene Fragen. Zusammensetzen müssten sich Bund, Ländern und Gemeinden bei den Themen Wohnungsbau und Kinderbetreuung. Die Rosenheimer Bürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU), Bezirksvorsitzende der kreisfreien Verbandsmitglieder in Oberbayern, betonte: „Wir haben einen großen humanitären Auftrag.“ Der bestehe nicht zuletzt auch darin, unterschiedliche Kulturen zusammenzubringen. Sie freue sich über die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, die den Flüchtlingen entgegengebracht werde, und appellierte: „Daran darf sich nichts ändern.“
"In den letzten Wintermonaten hatte sich das Krisenmanagement im Dauerbetrieb bei Städten, Landkreisen und Gemeinden eingespielt“, sagt Maly angesichts des Flüchtlings-Zustroms. „Im Zusammenwirken mit staatlichen Stellen, Wohlfahrtsverbänden und Ehrenamtlichen sorgen sie für Unterkünfte und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern." Das Engagement aus der Bürgerschaft sei enorm, „in Städten und Gemeinden erleben wir eine Welle der Hilfsbereitschaft“. Menschen mit traumatischen Kriegserlebnissen, die an den Folgen von Verfolgung, Folter und Vergewaltigung tragen, bräuchten warme Räume, Verpflegung und Gesundheitsversorgung.
„Und sie brauchen mehr“, betont Maly: „Bislang haben Staat und Gemeinden sich um die humanitäre Erstversorgung in den ersten Monaten gekümmert, doch nun müssen wir stärker an ihre Integration in den nächsten Jahren denken.“ Nach dem Asylverfahren habe ein nicht kleiner Teil der Flüchtlinge Bleiberecht. „Dann stehen diese Menschen, die aus der Gemeinschaftsunterkunft ziehen müssen, vor dem Rathaus und suchen Obdach. Sie brauchen auf die Schnelle bezahlbaren Wohnraum, Kindergarten und Schule, Sprach- und Integrationskurse“, sagt er. Und: „Die Kommunen können das schaffen, wenn Bund und Länder die Kommunen nicht im Stich lassen."
Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand (rechts) und Städtetags-Chef Ulrich Maly trugen sich heute ins Buch der Stadt Pfaffenhofen ein; im Hintergrund Gastgeber-Bürgermeister Thomas Herker.
Der Bund hat im November für die Jahre 2015 und 2016 jeweils 500 Millionen Euro zugesagt – diese Mittel müssen die Länder an die Kommunen weiterleiten. Doch Maly gibt auch zu Bedenken: ,,Der Freistaat hat noch nicht signalisiert, dass er mit diesen Mitteln die Kommunen unterstützen will.“ Er fordert deshalb klipp und klar: „Bayern muss diese Mittel des Bundes für eine bessere Unterstützung der Kommunen verwenden."
In vielen Kriegsregionen an den Grenzen Europas sei die Situation dramatisch, betont der bayerische Städtetag. Noch nie seien weltweit so viele Menschen auf der Flucht gewesen – 50 Millionen Menschen, davon sieben Millionen Kinder. „In dieser Lage sind Kompetenz-Rangeleien in Asylfragen zwischen Bund, Ländern und Kommunen fehl am Platz“, bekräftigt Maly. „Menschen in Lebensgefahr brauchen unsere Hilfe. Das ist eine humanitäre Gemeinschaftsaufgabe für Bund, Länder und Kommunen.“
Es gebe in der Praxis viele konstruktive Ansätze in den Kommunen, eine Fülle an Initiativen von hilfsbereiten Bürgern. „Jetzt ist weniger ein perfekter bürokratischer Ablauf gefragt, sondern rasche Hilfe“, stellt Maly klar. Nötig sei eine schnelle medizinische Versorgung, unterstreicht der bayerische Städtetag. Bürokratische Hürden, ungeklärte Zuständigkeiten und Finanzierungsfragen stünden oft einer pragmatischen und menschlichen Lösung im Weg – sei es im Baurecht, im Vergaberecht, im Ausländerrecht oder im Asylrecht. "Mit schnellen Verfahren und unbürokratischen Genehmigungen, etwa zur Nutzung von Gebäuden, wäre geholfen“, so Maly.
„Der Freistaat muss seine Zusagen einhalten, damit die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern menschenwürdig gesichert werden kann“, fordert der bayerische Städtetag. Der Freistaat müsse für ein nachhaltiges und tragfähiges Unterbringungskonzept sorgen. Der Ausbau der Asylsozialberatung sei dringend erforderlich, um den vielfach traumatisierten Menschen eine erste soziale Hilfe zu geben. Maly erklärt dazu: "Eine Kiste mit Kuscheltieren oder ein Sack mit Kleidung ist gut gemeint, muss aber sinnvoll verteilt werden. Freiwillige, die mit Sprachunterricht helfen wollen, brauchen eine Anleitung."
Die Kommunen müssen nach Ansicht des bayerischen Städtetags finanzielle Mittel und rechtliche Möglichkeiten erhalten, um Wohnmöglichkeiten schaffen zu können. Dabei gehe es nicht allein um die kurzfristige Unterbringung in Erstaufnahme-Einrichtungen: Ein Blick auf die Kriegssituation und brutale Übergriffe in Syrien und im Irak sowie Gewaltverbrechen in einigen afrikanischen Ländern zeigten, „dass viele Flüchtlinge noch lange bei uns bleiben“.
Diesen Menschen „müssen wir eine Perspektive öffnen“, unterstreicht Maly. „Sie benötigen Wohnungen und Brücken in die Gesellschaft, um sich integrieren zu können – so, wie unsere Städte Heimat geworden sind für Vertriebene nach 1945, für Gastarbeiter in den 1970er Jahren und Spätaussiedler nach 1989.“ Dies funktioniere über Kindergärten, Schulen, Sprachunterricht, Integrationskurse und den raschen Zugang zu Arbeitsplätzen. Unbegleitete Minderjährige, Kinder von Asylbewerbern und Flüchtlingen bräuchten einen „unkomplizierten Zutritt zur Schule“, so Maly weiter. Und das dürfte nicht an den Schuljahresanfang gebunden sein, sondern müsse auch während des Schuljahres möglich sein. „Oft stehen rechtliche Hürden und Verwaltungsvorschriften einer schnellen Lösung im Weg.“
Außerdem forderte Maly die Bundesregierung auf, dafür zu arbeiten, dass die Flüchtlingsströme sozusagen von der Quelle her weniger werden. Der Druck, ihre Heimat zu verlassen, müsse den Menschen in den betroffenen Gebieten genommen werden. Hier sei die Außenpolitik gefragt.
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