DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Pfaffenhofen: Druck in Sachen Mindestlohn, Nein zum Freihandelsabkommen TTIP, harsche Kritik an bayerischer Schulpolitik – Hauptredner war Jörg Schlagbauer
Audio-Podcast: "Denen da oben die Gehörgänge durchpusten"
Von Tobias Zell
„Wir stehen in einer langen Tradition“, rief der DGB-Kreisvorsitzende Roland Dörfler den Zuhörern im Festsaal des Pfaffenhofener Rathauses zu. Vor 125 Jahren seien die Menschen erstmals auf die Straße gegangen, um für den Acht-Stunden-Arbeitstag zu kämpfen. Heute hatte der DGB anlässlich des 1. Mai wieder zu einer Veranstaltung in Pfaffenhofen geladen – und gab sich ebenfalls kämpferisch. Gut 150 Leute waren gekommen und sangen am Ende „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“. Wetterbedingt musste die Kundgebung, die eigentlich auf dem Sparkassenplatz stattfinden sollte, nach drinnen verlegt worden.
DGB-Kreischef Roland Dörfler, Stadtrat der Grünen und Dritter Bürgermeister von Pfaffenhofen, konnte in dem Raum, wo normalerweise die Ratssitzungen stattfinden, neben Bürgermeister Thomas Herker (SPD) auch die SPD-Räte Markus Käser, Steffen Kopetzky und Adi Lohwasser sowie Altbürgermeister und CSU-Stadtrat Hans Prechter begrüßen. Für musikalische Begleitung der Veranstaltung sorgte wieder die Stadtkapelle – während die Redner weniger harmonische, sondern recht kritische Töne anschlugen.
DGB-Kreischef Roland Dörfler.
Dörfler selbst ging in seiner Begrüßung unter anderem auf die Bauarbeiten zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar ein. Mehr als 1200 Menschen seien auf den Baustellen dort schon ums Leben gekommen, sagte er, kritisierte die Arbeitsbedingungen und prangerte Verstöße gegen Arbeitnehmer-Rechte an. Angesichts dieser Umstände komme bei ihm trotz seiner Sportbegeisterung „keine rechte Freude auf“.
Hart ins Gericht ging Dörfler auch mit dem zwischen den USA und der EU geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Er befürchtet, dass dadurch Sicherheits- und Verbraucherschutz sowie Arbeitnehmerschutz unter die Räder kommen. Der Mensch müsse im Mittelpunkt stehen, unterstrich Dörfler und schloss mit dem Motto der diesjährigen DGB-Veranstaltungen zum 1. Mai: „Die Arbeit der Zukunft gestalten wir.“
Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD).
Bürgermeister Herker stellte in seinem kurzen Grußwort die Bedeutung des 1. Mai als Tag der Arbeit heraus. Er bekräftigte den Mindestlohn und kritisierte zugleich, dass sich diesbezüglich auch im Raum Pfaffenhofen noch „wahre Abgründe auftun“. Da gebe es noch viel zu tun, sagte der Sozialdemokrat und kündigte dann den Hauptredner der Veranstaltung an: Den Vohburger Jörg Schlagbauer, mit dem Herker bis zur jüngsten Kommunalwahl noch zusammen im Pfaffenhofener Kreistag saß. Dann aber wechselte Schlagbauer nach Ingolstadt, wo er nun für die SPD Stadtrat sitzt. Heute aber war er nicht als Kommunalpolitiker gekommen, sondern als Vorsitzender der Vertrauenskörperleitung bei der IG Metall in Ingolstadt.
Die Stadtkapelle umrahmte die Veranstaltung musikalisch.
Schlagbauer erinnerte an die Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung und stellte in Frage, ob man sich heute noch bewusst sei, was die Menschen vor über 100 Jahren erdulden mussten. Die 78-Stunde-Woche sei seinerzeit die Regel gewesen, samstags hätten Männer, Frauen und Kinder ebenso geschuftet, wie an jedem anderen Wochentag. „Damals pfiffen die Fabrikanten auf gerechte Löhne, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsschutz. Sie traten die Menschenrechte mit ihren Gutsherren-Stiefeln in den Allerwertesten.“ Doch den hätten sie anschließend selbst gehörig versohlt bekommen.
Denn Menschenrechte, betonte Schlagbauer, die ließen sich nicht unterdrücken. Und je mehr Druck auf dem Kessel sei, desto höher fliege dann der Deckel. Bis heute sei der Knall nicht verhallt. Und gerade in diesen Tagen müssten die Arbeitnehmer immer wieder für soziale Gerechtigkeit eintreten. Denn die Arbeitgeber würden immer wieder Mittel und Wege suchen, ihren Geldbeutel auf Kosten der Arbeitnehmer prall zu füllen, monierte Schlagbauer – „und den sollen wir ihnen dann auch noch nach Hause schleppen“.
Die DGB-Kundgebung war wetterbedingt vom Sparkassenplatz in den Rathaus-Festsaal verlegt worden.
Der Mensch müsse weiterhin die Maschinen steuern – und nicht umgekehrt, rief Schlagbauer in den bemerkenswert gut gefüllten Saal. Demokratie in Unternehmen müsse gefördert werden. Der Mensch dürfe nicht als „Produktivitäts-Faktor“ gesehen werden, sondern müsse wieder in den Mittelpunkt rücken. Doch manche Politiker und Unternehmen scheinen – so Schlagbauer – auf ihrem solidarischen Ohr taub zu sein. „Deshalb ist es wichtig, denen da oben die Gehörgänge wieder kräftig durchzupusten.“
Mindestlohn als „Sternstunde der Demokratie“
So, wie man einst für den 1. Mai als Feiertag gestritten habe, habe man 125 Jahre später nun den Mindestlohn erkämpft und setze ihn jetzt durch, so Schlagbauer. Deutschland, das immer als Vorreiter in Europa gelten wollte, sei diesbezüglich lange hinterhergetrabt. Schon deshalb ist für ihn der Mindestlohn eine „Sternstunde der Demokratie“ und obendrein längst überfällig. „Wer Vollzeit arbeitet, muss davon auch ordentlich leben können“, forderte Schlagbauer. Mit dem Mindestlohn verbessere man das Leben von fünf Millionen Menschen in Deutschland, davon 550 000 in Bayern.
Aber man dürfe jetzt nicht nachlassen, mahnte Schlagbauer. Er sieht nur ein Zwischenziel erreicht. Es dürfe nicht sein, dass einige schwarze Schafe sich vor dem Mindestlohn drücken. Wer ihn durchlöchern wolle, wie Schweizer Käse, der werde auf den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften stoßen, versicherte Schlagbauer. „Eine Rückkehr in alte Zeiten werden wir nicht zulassen.“
Jörg Schlagbauer sprach vor rund 150 Leuten.
Ein klares Nein sagte Schlagbauer zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP in der bislang geplanten Form. Wenn man die Befürworter höre, könne man meinen, sie hätten ein wirtschaftliches Allheilmittel gefunden. Doch wie bei jeder Arznei solle man auch hier erst einmal die Verpackungsbeilage lesen – denn die Nebenwirkungen seien nicht zu übersehen. TTIP könne „unsere sozialen Errungenschaften und unseren Verbraucherschutz aushebeln“, warnte er – vor allem, wenn man das niedrigste Niveau der Partner als Maßstab setze.
Doch nicht nur in Sachen Verbraucherschutz wirft TTIP nach Ansicht von Schlagbauer Fragen auf, vor allem die Arbeitnehmer-Rechte könnten beeinträchtigt werden. Er verdeutliche das an einem Beispiel: VW produziere weltweit an 107 Standorten, an 106 davon gebe es eine Arbeitnehmer-Vertretung – den weißen Fleck finde man in den USA. Denn in den ehemals landwirtschaftlich orientierten „Sklavenstaaten“ gelten Gewerkschaften als „Teufelszeug“, so Schlagbauer.
Schelte für bayerische Schulpolitik
Kein gutes Haar ließ SPD-Mann Schlagbauer auch an der Schulpolitik im Freistaat Bayern, die er als „katastrophal“ bezeichnete. Das andauernde Hin-und-Her der Staatsregierung beim achtstufigen Gymnasium (G8) verwirre manche Schüler mehr als Algebra. Dabei sei doch von vornherein klar gewesen, dass das G8 die Kinder am Kind-Sein hindere, das Vereinsleben in den Hintergrund rücke, dass die jungen Menschen nur noch gedrillt und ihrer Jugend beraubt würden. Für Schlagbauer ist das G8 deshalb nichts anderes als „eine preußische Kadetten-Anstalt auf bayerischem Boden“.
Und auch die „Mittelstufe plus“ sei nichts weiter als eine Reparaturmaßnahme für das gescheiterte G8, wetterte der Gewerkschafter weiter. Doch wenn etwas ständig repariert werden müsse, dann sei es schrottreif . Das müssten auch Ministerpräsident Horst Seehofer und Kultusminister Ludwig Spaenle (beide CSU) endlich erkennen – und G8 und „Mittelstufe plus“ dorthin verfrachten, wo es nach Meinung von Schlagbauer hingehört: „Auf den großen Schrotthaufen der bayerischen Bildungspolitik.“