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Beim Europatag der SPD ging es heute in Pfaffenhofen um Armut, Hunger und Flucht – und was man dagegen tun kann

Audio-Podcast: "Flucht – die einzige Chance?"

(zel) Maria Noichl, die Europa-Abgeordnete für Oberbayern und Schwaben, hatte heute zum Europatag der SPD nach Pfaffenhofen gerufen. Und gut 50 Leute folgten der Einladung der Rosenheimer Politikerin in den Moosburger Hof, wo einst im Oktober 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiedergründung des bayerischen Landesverbands der Sozialdemokraten erfolgte. Die Themen der Vorträge mit Diskussion reichten von der Entwicklungs- und weltweiten Agrarpolitik bis hin zur Folge von Armut und Hunger – der Flucht.

Europa sei ein großes Friedensprojekt, betonte Noichl in ihrer Begrüßung. Sie selbst sprach heute als Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft im Europaparlament über eine verantwortungsvolle weltweite Agrarpolitik. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Märbel Kofler, entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, referierte über die europäische Verantwortung für die globale Entwicklung. Weitere Rednerin war Birgit Sippel aus dem Hochsauerlandkreis, die seit 2009 für die SPD im Europaparlament sitzt und Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres ist.

Die Rosenheimer Europa-Abgeordnete Maria Noichl stellte die Bedeutung von Europa als Friedensprojekt heraus.

Gekommen waren neben SPD-Kreischef Markus Käser und Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) auch der Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer, Chef der Oberbayern-SPD, sowie unter anderem die hiesigen Stadträtinnen Sandra Lob und Marianne Kummerer-Beck sowie Kreisrat Florian Simbeck. Für die gelungene musikalische Umrahmung sorgte eine Gruppe vom hiesigen Intakt-Musikinstitut.

Schurer forderte, eine gute Haushaltspolitik – in Berlin wie in Brüssel – müsse sich immer an politischen Inhalten orientieren und nicht an Sparzwängen. Mit Blick auf die Asyl-Politik mahnte er, man müsse sich die Fluchtursachen ansehen, und machte sich für legale Fluchtwege stark. Bekanntlich werden heuer noch deutlich mehr Flüchtlinge erwartet als im vergangenen Jahr. Es gelte, diese Menschen nicht nur unterzubringen, sondern sie auch zu integrieren.

MdB Ewald Schurer betonte: Haushaltspolitik müsse sich an politischen Inhalten orientieren.

Bürgermeister Herker verschaffte den Gästen einen Überblick über Pfaffenhofen – als Siedlungsort etwa 6000 Jahre alt und 1438 zur Stadt erhoben. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Stadt zahlreiche Flüchtlinge aufnehmen, erinnerte er. Zeitweise sei damals jeder Zweite Einwohner ein Heimatvertriebener gewesen. Heute weise Pfaffenhofen das höchste Durchschnitts-Einkommen pro Kopf in der Region auf und vermelde eine Arbeitslosigkeit von gerade einmal um die zwei Prozent. Herker bekräftigte seinen Kurs gegen den Wachstums-Wahn, es gelte die Identität zu bewahren.

Der Wachstumsdruck berge die Gefahr, „dass die Schwachen hinten runterfallen“, so Herker. Was die Stadt dagegen tun will, skizzierte der Rathauschef einmal mehr: Wie berichtet, sollen in den nächsten Jahren gut 30 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt und das Einheimischen-Modell deutlich ausgebaut werden. Und man wolle erst dann weitere Baugebiete ausweisen, wenn die für die Einheimischen vorgesehenen Flächen vergeben seien. Das Vertrauen der Bürger in die Politik beginne in den Rathäusern, zitierte Herker den Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) und leitete damit auch über auf die europäischen Themen.

Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) blickte zurück und nach vorne.

Die Europa-Abgeordnete Birgit Sippel sprach unter der Überschrift "Flucht – die einzige Chance?" ausführlich über die Asyl-Thematik. Sie warb für eine faire Verteilung der Flüchtlinge in den EU-Staaten. Da stünden einige Länder auf der Bremse, monierte sie. Und viele nähmen gar keine Flüchtlinge auf. Es reicht ihrer Meinung aber nicht, nur Geld zu geben. Zum Vergleich schilderte sie die Lage im Libanon: Das Land mit vier Millionen Einwohnern habe eine Million Flüchtlinge aufgenommen.

Sippel forderte zudem eine Veränderung der Politik gegenüber den afrikanischen Ländern. Man habe sich lange nicht um Afrika gekümmert, es werde höchste Zeit. Man müsse auch mit Staaten außerhalb Europas reden, was sich hier verändern ließe. Skeptisch äußerte sich Sippel, was militärische Interventionen – etwa gegen die Schleuser von Flüchtlingen – angeht. Zum einen bestehe die Gefahr der Eskalation, zum anderen sieht sie das Risiko von unschuldigen Opfern.

Zum Thema Wirtschafts-Flüchtlinge sagte Sippel sinngemäß: Wenn man die afrikanischen Küsten leerfische, dann dürfe man sich auch nicht aus der Verantwortung ziehen, wenn die dadurch dort arbeitslos gewordenen Menschen zum Arbeiten nach Europa kommen wollten. Grundsätzlich machte sie sich angesichts des in Deutschland herrschenden Fachkräfte-Mangels dafür stark, nicht alle Flüchtlinge, die keinen Asyl-Anspruch haben, zurückzuschicken. Zuwanderung werde in der Arbeitswelt gebraucht.

In diesem Zusammenhang spannte Sippel auch den Bogen zum Mindestlohn. Das Argument von Arbeitgebern „Wenn ich ordentliche Löhne zahle, dann gehe ich pleite“ lasse sie nicht gelten. „Dann gehst du halt pleite“, hält sie diesen Stimmen knallhart entgegen. Mit der Begründung: Wenn es am Mindestlohn scheitere, dann sei das Geschäftsmodell falsch. Der Mindestlohn muss ihrer Ansicht nach sogar eher noch ausgebaut werden.

Das Credo von Sippels Ausführungen lautete: "Wir sind eine Wertegemeinschaft – und wir leben das nicht nur, wenn die Sonne scheint." Es gelte, nicht nur das Leben der Flüchtlinge zu retten, sondern auch, ihnen eine Perspektive zu geben. Es gehe um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Und man müsse aufhören, Flüchtlinge als „Belastung“, „Problem“ oder „negative Herausforderung“ zu sehen. Es gehe hier um Menschen.

Hier hören Sie den Hauptteil der Rede von Birgit Sippel: "Flucht – die einzige Chance?"


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