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Der Scheyerer Bürgermeister Albert Müller soll Frauen unter die Röcke fotografiert haben – doch das ist nicht der einzige Vorwurf.

Von Tobias Zell

Es sieht nicht gut aus für Albert Müller, den Bürgermeister von Scheyern, der sich dieser Tage schon zum zweiten Mal dem Vorwurf ausgesetzt sieht, er sei ein Spanner. Doch im Gegensatz zu der teilweise skurrilen Geschichte aus dem Jahr 2009, nach der er letztlich nicht belangt wurde, sind die Vorwürfe diesmal ungleich konkreter – und könnten ihn ins Gefängnis bringen.

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt wegen mehrerer Vorwürfe. Das Landratsamt Pfaffenhofen als kommunale Aufsichtsbehörde hat ein Verfahren zur Amtsenthebung eingeleitet und den Fall an die Landesanwaltschaft abgegeben. Die soll nun das Disziplinarverfahren weiter führen. Müller selbst hat sich gestern krank gemeldet. Medienberichte, wonach er bereits suspendiert wurde, stellten sich indes als falsch heraus. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich in den nächsten Tagen bewahrheiten.

Auf frischer Tat ertappt

Albert Müller (55) soll am Donnerstagvormittag in München auf einer Rolltreppe am Stachus Frauen mit einer Kamera unter den Rock fotografiert haben. Ein Zeuge habe das beobachtet und die Polizei verständigt. Die Beamten rückten an und erwischten Müller „bei der Tatausführung“, wie Thomas Steinkraus-Koch von der Staatsanwaltschaft München I heute auf Anfrage unserer Zeitung erklärte. Sprich: Auf frischer Tat ertappt. 

Aber damit nicht genug. Bei seiner Festnahme soll sich Müller heftig widersetzt haben. Sprich: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Dabei haben die Beamten, so zitiert Steinkraus-Koch die Aktenlage, sich sowohl verbal als Polizisten zu erkennen gegeben als auch ihren Dienstausweis vorgezeigt.

Doch Müller habe „um sich geschlagen“ und dabei auch einen Polizeibeamten getroffen. Deshalb steht unter Umständen zusätzlich der Vorwurf der Körperverletzung im Raum. Der attackierte Beamte sei beim Arzt gewesen; ein Attest liege aber noch nicht vor, so Steinkraus-Koch.

Und noch etwas wird Müller nicht gerade zum Vorteil gereicht: Er soll, von der Polizei gestellt, versucht haben, seine Kamera zu zerstören. Das bedeutet nicht weniger als den Vorwurf der versuchten Vernichtung von Beweismitteln. Allerdings konnte die gesamte Kamera samt Speicherkarte von den Beamten sichergestellt werden, so Steinkraus-Koch. Die Bilder werden nun ausgewertet.

Müller schweigt zu den Vorwürfen

Hinzu kommt, dass eine 25-jährige Frau Strafanzeige gegen Müller gestellt hat. Sie war offenbar eines der mutmaßlichen Opfer. Müller selbst hat bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme keine Angaben zu den Vorwürfen gegen ihn gemacht, sagt Steinkraus-Koch. Die Vorwürfe sind handfest: Eine solch unzüchtige Foto-Attacke wäre als Beleidigung zu werten; darauf stehe bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe. Für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte können bis zu drei Jahre Haft verhängt werden. Und auf Körperverletzung stehen bis zu fünf Jahre.

Außerdem können die Spanner-Vorwürfe auch dienstrechtliche beziehungsweise disziplinarische Konsequenzen für den Bürgermeister haben. „Aus unserer Sicht rechtfertigt der Vorfall ein Verfahren zur Amtsenthebung“, erklärte heute Karl Huber, der Sprecher des Landratsamts Pfaffenhofen, gegenüber unserer Zeitung. Ein entsprechendes Verfahren sei bereits eingeleitet worden. Zugleich sei der Fall heute an die Landesanwaltschaft abgegeben worden. „Die Akten sind mit der Bitte um Verfahrensübernahme bereits auf dem Weg nach München“, so Huber. Die Unterlagen der zuständigen Münchner Polizeidienststelle seien ebenfalls bereits angefordert; verbunden mit der Bitte, diese direkt an die Landesanwaltschaft zu übermitteln. 

Noch Bürgermeister, aber krank

Dass Müller sich inzwischen krank gemeldet hat, ist laut Huber von der Gemeinde Scheyern an das Landratsamt gemeldet worden. Der Landratsamt-Sprecher stellt indes noch einmal klar, dass der Bürgermeister – Stand heute – nicht suspendiert ist. „Am Ende könnte die Suspendierung stehen“, sagt er. Doch wie im Strafrecht gelte freilich auch bei Disziplinar-Angelegenheiten die Unschuldsvermutung. „Müller ist noch Bürgermeister, aber er übt sein Amt derzeit nicht aus, weil er sich krank gemeldet hat“, fasst Huber zusammen.

„Das Landratsamt hat das mit dem Ziel der Amtsenthebung eingeleitete Disziplinarverfahren an die Landesanwaltschaft Bayern abgegeben", bestätigt Landrat Martin Wolf (CSU) und ergänzt: "Ich gehe davon aus, dass die Behörde auf der Basis des bekannten Sachverhalts und der vorhandenen Beweise in angemessener Frist eine Entscheidung trifft.“

Anstelle von Albert Müller führt nun Ottilie Grubwinkler die Amtsgeschäfte im Rathaus von Scheyern. Sie ist die Dritte Bürgermeisterin. Denn Vize Katja Limpert ist ebenfalls krank. „Diese und auf jeden Fall auch noch nächste Woche“, wie Grubwinkler auf Nachfrage mitteilt. Deshalb sei sie nun „etwas überraschend“ auf dem Bürgermeister-Stuhl gelandet. Wie lange Müller krank sei, könne sie nicht sagen. Ob er indes als Bürgermeister zurückkehrt, ist offen, gilt aber eher als unwahrscheinlich.

Erinnerungen an 2009

Die aktuellen Vorwürfe gegen den Scheyerer Bürgermeister Albert Müller rufen indes die Erinnerungen an den Fall von 2009 wieder wach. Damals sah sich der heute 55-Jährige schon einmal mit Spanner-Vorwürfen konfrontiert. Ihm wurde vorgehalten, sich in einer Damentoilette auf einem Parkplatz an der A9 bei Paunzhausen als Spanner verdingt zu haben. Verkleidet mit einer blonden Perücke soll er per Spiegel versucht haben, in eine WC-Kabine zu spähen. Das angebliche Opfer, eine 26-jährige russische Studentin,  soll daraufhin schreiend aus dem Toiletten-Gebäude gelaufen sein. Ihre beiden Begleiter haben sich, so hieß es weiter, das Autokennzeichen des Unholds notiert – und das führte die Beamten zu Alfred Müller. Bei ihm zu Hause, wo die Polizisten wenig später vorstellig wurden, fand man dann eine Videokamera sowie offenbar heimlich gemachte Aufnahmen von einer spärlich bekleideten Frau.

Müller indes hatte damals für alles eine Erklärung: Auf dem Rastplatz gewesen zu sein, bestritt er ohnehin nie. Aber nicht er sei auf dem WC gewesen, sondern eine Anhalterin, die er mitgenommen habe. Ausfindig gemacht wurde die allerdings ebenso wenig wie die russische Studentin. Dass Zeugen aussagten, die blonde Person – ihrer Meinung nach ein Mann mit Perücke – sei nach dem Vorfall ins Auto gestiegen und weggefahren, begründete  Müller sinngemäß so: Ihm sei es an dem Tag nicht so gut gegangen, deshalb habe er die Anhalterin ans Steuer gelassen und sich selbst auf die Rückbank zurückgezogen. Die Spanner-Aufnahmen auf der Videokamera erklärte er einmal damit, dass er das Gerät seinem inzwischen gestorbenen Bruder geliehen habe. Ein anderes mal teilte er mit, er habe die Kamera einem Bekannten geborgt. 

Gehaltskürzung wurde aufgehoben

Die Ermittlungen wurden damals in beiden Fällen eingestellt. Dass Müller das pikante Video gemacht habe, war nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Und auch die angebliche Spiegel-Aktion blieb ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft fand keinen Straftatbestand, den sie hätte verfolgen können – einen Spanner-Paragrafen gibt es nicht. Strafrechtlich war der Fall damit erledigt. Nicht aber dienstrechtlich. Denn die Landesanwaltschaft als oberste Disziplinarbehörde für Beamte bewertete die Lage anders und legte den Fall nicht zu den Akten. Folge: Die Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht befand Müller für schuldig und brummte ihm drei Jahre lang eine Gehaltskürzung um 20 Prozent auf.

Doch Müller zog vor den Verwaltungsgerichtshof – und bekam im Dezember vergangenen Jahres Recht. „Die Geschichte mit der Anhalterin wirkt konstruiert“, so der Richter laut SZ, aber es sei nicht „völlig ausgeschlossen“, dass sie stimme. Und dass es, wie Müller behauptete, sein inzwischen verstorbener Bruder war, der das besagte Filmchen gedreht hatte, sei auch nicht „widerlegbar“. Da es „im Zweifel für den Angeklagten“ heißt, war auch die drohende Gehaltskürzung vom Tisch.

Gut sechs Monate nach dem für Müller erleichternden Urteil – er soll unter Tränen das Gericht verlassen haben – stehen nun erneut Spanner-Vorwürfe gegen ihn im Raum.

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