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Nach der Diagnose Multiple Sklerose erklärte Andreas Schmelzer (34) aus Ernsgaden den Radsport zu seiner Medizin – kürzlich gewann er das 24-Stunden-Rennen von Davos

(ty) „Das schaff ich, das haut mich nicht um“, war die Reaktion von Andreas Schmelzer aus Ernsgaden, als er vor zwölf Jahren von den Ärzten die Diagnose – Multiple Sklerose (MS) – erhielt. Der 34-jährige Mechatroniker hat sich bei dieser Erkrankung des zentralen Nervensystems bewusst gegen eine lebenslange Einnahme von Medikamenten entschieden und die Herausforderung der „Krankheit mit den vielen Gesichtern“ auf seine ganz eigene Art und Weise angenommen.

Der schon immer sportliche junge Mann sah im Radsport seinen Ersatz für Medizin; als Vorbild diente ihm wohl sein älterer Bruder Thomas, der auch viel radelt. Täglich legte Andreas Schmelzer nach der Arbeit große Strecken mit seinem Mountainbike zurück und überschritt so manches Mal seine physische und psychische Belastbarkeit. Damals hat er an seinem Mountainbike einen Aufkleber mit dem Satz „You can do it!“ angebracht. Lächelnd erreichte er sein Ziel dank dieser aus dem Sattel gut leserlichen Aufforderung dann oft doch noch – nicht wissend indes, dass „You can do it“ noch so etwas wie sein Lebensmotto werden sollte.

 

Wie es zur Teilnahme am ersten 24-Stunden-Rennen in Ligure im Mai dieses Jahres kam, weiß er nicht mehr so genau, „aber die Herausforderung, da mitzumachen und vielleicht sogar noch einen Preis zu machen, war enorm und mit Zustimmung meiner Freundin und der Familie habe ich mich angemeldet“, erzählt Andreas Schmelzer. Als Solofahrer hat er sich bei diesem Event auf den elften Platz vorgearbeitet – obwohl er nach elf Stunden mit Krämpfen in den Händen ausstieg. Und er hat dieses Rennen als „I can do it!“ erlebt – der Grundstein für weitere Herausforderungen war gelegt. 

Sein nächstes 24-Stunden Rennen bestritt er am 6. und 7. Juni im Münchner Olympiazentrum. Dieses Mal fuhr er unter den rund 90 Teilnehmern zunächst auf Platz sechs vor – durch eine Reifenpanne fiel er auf Platz 21 zurück, holte aber innerhalb von zwei Stunden wieder auf und konnte den sechsten Platz bis zum Ende trotz widrigster Wetterverhältnisse halten. Als er sich nach dem Rennen auf der Olympiawiese ausruhte, sprach ihn eine junge Schweizerin an: „Du bist gut, du solltest bei dem 24-Stunden-Rennen in Davos mitmachen.“

Ob sein Blick in diesem Augenblick auf seinen Radaufkleber fiel, oder ob ihn die nächste Herausforderung reizte? Wieder zu Hause, meldete sich Andreas Schmelzer jedenfalls für dieses Mountainbike-Rennen am 21. und 22. Juni in Davos-Klosters an. Die Teilnehmer mussten binnen 24 Stunden Runde für Runde die acht Kilometer lange Strecke mit 310 Höhenmetern bestreiten. Es sollte eine beachtliche Leistung und ein besonderes Erlebnis für die Athleten, deren Betreuer – und besonders für den Teilnehmer aus Ernsgaden – werden. 

In der Nacht zum 21. Juni machten sich Andras Schmelzer, ein Freund und seine Mutter, die eigentlich für die Verlobte einsprang, mit dem Auto auf den Weg in die Schweiz und erreichten um 7 Uhr das Ziel. Um 14 Uhr sollte das Rennen starten. Und während beim Rennen in München noch brütende Hitze mit 33 Grad herrschte, fiel in Davos Dauerregen und das Thermometer zeigte gerade einmal sechs Grad.

Doch das war für Andreas Schmelzer Nebensache. Er lag bis zirka 18 Uhr auf Platz vier – was seine Anstrengungsbereitschaft und seinen Kampfeswillen noch weiter steigerte. Und nachdem er gegen 22 Uhr die Führung übernommen hatte, konnte ihn nichts mehr stoppen: kein unaufhörlicher Regen, keine eisigen Temperaturen, kein Ausfall der Helmlampe und auch keine Reifenpanne. Als einziger Solofahrer fuhr er die ganze Nacht bei drei Grad und Dauerregen durch und sicherte sich so einen Vorsprung von vier Runden. Er erreichte nach 24 Stunden sein Ziel – fast im Blindflug, fast am Ende seiner Kräfte, aber als Sieger!

„Als Mutter sorgte ich mich natürlich einerseits um die Gesundheit meine Sohnes, aber andererseits bewunderte ich sein Durchhaltevermögen und freute mich unwahrscheinlich über den Sieg“, sagt seine Mutter Brigitte, die seit einiger Zeit wieder als Erzieherin im Kindergarten „Mondschaukl“ aushilft und somit ihren eigenen Optimismus und ihre eigene Stärke an die Kinder weitergeben kann.

 

„You can do it!“ Die stehenden Ovationen bei der Siegerehrung im überfüllten Festzelt werden Andreas und seiner Mutter noch lange in Erinnerung bleiben. Und eines ist jetzt schon klar: Von diesem starken und tapferen jungen Mann wird man noch einiges hören. 

Im August steht bei Andreas Schmelzer und seiner Familie eine weitere Herausforderung an – wenn auch anderer, aber sicher nicht weniger aufregender Art. Dann heiratet Andreas seine Verlobte Vroni. Der Ernsgadener Bürgermeister Karl Huber (CSU) hat indes schon einmal versprochen, dass die standesamtliche Trauungszeremonie ganz sicher keine 24 Stunden dauern wird...


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