Die Linke übt harsche Kritik an dem in Ingolstadt und Oberstimm geplanten Ankunfts- und Rückführungszentrum für Balkan-Flüchtlinge und prophezeit: "Wird keinen Bestand vor dem europäischen Gerichtshof haben"
(ty/zel) Wie berichtet, wird die Max-Immelmann-Kaserne in Oberstimm bei Manching ab September zur ersten bayerischen „gebündelten Ankunfts- und Rückführungs-Einrichtung“ speziell für Asylbewerber aus den Balkan-Ländern. Bis dato war der Standort Oberstimm eine „normale“ Außenstelle der Erstaufnahme-Einrichtung in München. Durch diese Umwidmung sowie die Unterbringung von 1000 weiteren Menschen in Ingolstadt sollen nach Angaben aus dem bayerischen Innen- und Sozialministerium insgesamt rund 1500 Balkan-Flüchtlinge in Ingolstadt und Manching zusammengefasst werden.
Dieses Vorhaben stößt bei den Ingolstädter Linken auf massive Kritik. „Es ist völlig inakzeptabel, wenn Flüchtlinge hierarchisiert und Sonderlager eingerichtet werden“, schimpft Kreis-Sprecherin Liliana La Perna und prophezeit: „Diese werden ebenso wie bisherige verfassungswidrige Gesetze der CSU vor dem europäischen Gerichtshof keinen Bestand haben.“
Die zwischen der Regierung von Oberbayern und der Stadt Ingolstadt vereinbarte Unterbringung von 1500 Balkan-Flüchtlingen bezeichnet La Perna als „Nagelprobe für Menschlichkeit“. Der Ton des Vertrags zwischen Regierung und Stadt „spricht bedauerlicherweise durchweg eine Sprache der Ablehnung, nicht des Willkommens, und führt das Schüren von Ängsten und Fremdenfeindlichkeit der CSU-Staatsregierung unvermindert weiter.“
"Alle Menschen mit offenen Armen empfangen"
Darum hätten sich die Linken-Stadträte gegen die Abschiebelager ausgesprochen. „Wir kritisieren insbesondere, dass die Flüchtlinge von den Ingolstädtern ferngehalten werden sollen“, so La Perna. Ob vom Balkan oder aus Somalia – es gelte, alle Menschen mit offenen Armen zu empfangen, statt Abschiebelager einzurichten. „Es gibt keine guten und schlechten, richtige oder falsche Flüchtlinge.“ Besonders die Politik müsse ihrer Vorbildfunktion für eine weltoffene und solidarische Gesellschaft gerecht werden – auch in Ingolstadt und Bayern.
Geplant ist bekanntlich, in der Kaserne 500 Asylsuchende unterzubringen – so viele wie auch jetzt schon. Allerdings sollen die künftig dort einquartierten Flüchtlinge allesamt aus den Balkan-Staaten stammen. Ihre Chancen auf Bleiberecht sind in der Regel gering. Ihre Anträge sollen direkt in dieser neuen Einrichtung beschleunigt behandelt werden. Dafür soll auf dem Kasernen-Gelände eigens ein gut 100-köpfiger Verwaltungs-Stab angesiedelt werden, der sämtliche Schritte zügig abwickelt – von der Erstaufnahme über eventuelle Verwaltungsgerichts-Verfahren bis hin zur möglichen Rückführung.
„Wir brauchen diese Einrichtung dringend, um zu einer schnelleren Bearbeitung und Abwicklung der Asylverfahren für Antragsteller ohne Bleibe-Perspektive zu kommen“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Auch Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sprach von einem großen Erfolg: „Angesichts der aktuellen Herausforderungen müssen wir die Verfahren für Asylbewerber ohne Bleibe-Perspektive beschleunigen. Dafür wollen wir diese Asylbewerber in Bayern zentral an zwei Orten unterbringen, an denen auch alle nötigen Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen vorhanden sind.“
"Was wir von der CSU hören, ist unverantwortlich"
Bei der Ingolstädter Linken lösen diese Pläne harsche Kritik aus. „Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht. Dies muss es auch in Zukunft bleiben. Dieses Recht ist nicht zuletzt in der deutschen Geschichte begründet, in der unter anderem Sinti und Roma staatlicher Verfolgung bis hin zum Völkermord ausgesetzt waren“, so Liliana La Perna, Kreissprecherin der Ingolstädter Linken, in einer aktuellen Pressemitteilung. „Angesichts der Zunahme an Flüchtlingen brauchen wir keine populistischen Forderungen, die den rechten Rand der Gesellschaft bedienen.“ Man benötige eine verantwortungsvolle Politik und eine Verwaltung, die Asylverfahren adäquat durchführe und die Ursachen der Flucht gezielt angehe.
„Was wir jetzt von der CSU hören müssen, ist unverantwortlich“, kritisiert La Perna. „In einer Situation, in der nicht zuletzt auch im Raum Ingolstadt Flüchtlingsunterkünfte brennen, von ,Sonderlagern’ zu sprechen, ist zynisch und gefährlich.“
Selbst, wenn zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kommen, die sich ein besseres und menschenwürdiges Leben aufbauen wollen, „darf dies nicht zu einer Pauschalisierung führen, die völlig die Realitäten und die vielfältigen Fluchtgründe ignoriert“, so La Perna. Gerade Angehörige der Roma-Minderheiten sähen sich in ihren Herkunftsstaaten vielerorts einer vielschichtigen und systematischen Diskriminierung und rassistischen Verfolgung ausgesetzt, die ein menschenwürdiges Leben völlig unmöglich machten.
"Balkan-Politik ist gescheitert"
„Wenn die Balkan-Länder als ,sichere Herkunftsstaaten’ in Deutschland deklariert werden, in anderen EU-Ländern aber durchaus Chancen auf Anerkennung haben, weil in diesen Staaten die Fluchtgründe von Minderheiten nach den Maßgaben der Internationalen Menschenrechtsorganisationen umgesetzt werden, belegt dies vor allem eines“, so La Perna: „Die deutsche und europäische Balkan-Politik der letzten Jahrzehnte ist gescheitert und damit Ursache für die Flucht nach Westeuropa.“
Nach dem Kosovo-Krieg seien Zehntausende Roma als Binnenflüchtlinge im Kosovo, Mazedonien und Serbien ihrem Schicksal überlassen worden; sie lebten bis heute in menschen-unwürdigen Zuständen. „Abschiebungen aus Deutschland und Westeuropa in den letzten 15 Jahren haben die Situation vor Ort oftmals verschlimmert, während die staatlichen Strukturen dort nicht willens waren, selbst menschenwürdige Verhältnisse für die Zehntausende Binnenflüchtlinge zu gewährleisten“, schreiben die Linken.