Zoff im linken Lager: Nachdem der Kreisverband der Linken den Ingolstädter Ortsverband und auch die übrigen in Pfaffenhofen, Eichstätt und Neuburg einfach aufgelöst hat, arbeiten die beiden Ingolstädter Stadträte Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke im „luftleeren Raum“
Von Michael Schmatloch
„Mir stinken die Linken.“ So lautete einst ein markiger Wahlkampfslogan der CSU. Diesen Spruch tragen die Linken heute selbst auf den Lippen. Zumindest in Ingolstadt. Denn den beiden Stadträten Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke stinken die Linken gewaltig. Genauer gesagt der Kreisverband der Linken, zu dem neben Ingolstadt auch Pfaffenhofen, Eichstätt und Neuburg gehören. Denn der Kreisverband hat in einer Nacht- und Nebelaktion – so sieht man das an Ingolstadts linkem Ufer – die bislang existierenden Ortsverbände einfach aufgelöst und die gewählten Vorstände abgesetzt. Was selbstredend massive Konsequenzen für die Arbeit der beiden Ingolstädter Stadträte hat. Nachdem die zentralistische Umstrukturierung bei den Linken eher unter vorgehaltener Hand kolportiert wurde, haben wir nun die beiden Ingolstädter Stadträte zu einem Gespräch gebeten.
Und da zeigte sich, dass das Tischtuch zwischen dem Kreisverband der Linken und den Ingolstädter Stadträten und den Mitgliedern des Ortsverbandes nachhaltig zerschnitten scheint. Seit längerem gäbe es gewisse Unstimmigkeiten zwischen Kreisverband und den Ingolstädter Linken. Nicht zuletzt deswegen, weil sich die beiden Stadträte in Abstimmung mit dem Ortsverband entschlossen hatten, mit der Bürgergemeinschaft eine Ausschussgemeinschaft zu gründen. „Das war aber nur einer der Gründe“, meint Jürgen Siebicke und verweist sogar auf einzelne Stadtratsentscheidungen, die zu massiven Spannungen geführt hätten. So hatten die Linken beispielsweise bei der Frage, als es um die Notfallunterkunft für Asylbewerber in Gerolfing ging, mit dem Rest des Stadtrates für das Zeltdorf gestimmt. Was dazu geführt habe, dass der Kreisverband das kommentierte mit den einleitenden Worten: „Unsere Stadträte haben . . .“. Und das Wort „unsere“ stand dabei in Anführungszeichen, um die Distanz zu dokumentieren.
Fakt ist: In einer Sitzung des Kreisverbandes wurden – so Siebicke und Hodek – die Ortsverbände aufgelöst, obschon eigentlich ein ganz anderes Thema auf der Tagesordnung stand. Ulrike Hodek hatte diese Sitzung gar unter Protest verlassen, weil sie massiv beleidigt worden war, wie sie erzählt. Bei dieser Sitzung wurde die Auflösung der Ortsverbände jedenfalls mehrheitlich beschlossen. Indes nicht mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit.
Und genau das war der Grund, warum der Ortsverband Ingolstadt nach mehreren gescheiterten Kompromissversuchen nun die Landesschiedsstelle angerufen hat. Sie soll entscheiden, ob die Entscheidung des Kreisverbandes mit der Satzung übereinstimmt oder ob sie zurückgenommen werden muss. Die Entscheidung steht noch aus.
Unabhängig aber, wie sie ausfällt, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kreisverband für die beiden Stadträte kaum noch denkbar. „Es geht nicht, dass nur noch der Kreisverband die politische Richtung vorgibt“, so Siebicke. Bislang sei es so gewesen, dass der Ortsverband sich um die kommunalpolitischen Themen gekümmert habe, der Kreisverband um die regionalen und überregionalen. „Und jetzt müssten wir uns bei jeder Entscheidung im Stadtrat mit dem Kreisverband abstimmen. Das sehen wir als Stadträte nicht ein, weil es unsere Handlungsfähigkeit total blockiert.“
In der Praxis würde das bedeuten, dass sich die beiden Ingolstädter Räte mit Mitgliedern aus Pfaffenhofen oder Eichstätt abstimmen müssten, wenn es um Ingolstädter Themen geht. Eine Sache der Unmöglichkeit, findet Siebicke. Zumal gerade einmal alle vier Wochen eine Kreisvorstandsitzung stattfände. Der Stadtverband hingegen hatte sich wöchentlich zusammengesetzt, um die Ingolstädter Themen durchzusprechen. Der Stadtverband hatte übrigens auch einstimmig dafür votiert, mit der BGI eine Ausschussgemeinschaft zu gründen.
„Diese Organisationsstruktur hat man uns entzogen“, meint Jürgen Siebicke, „warum soll ich als Stadtrat unsere Politik mit Leuten aus Pfaffenhofen oder Eichstätt absprechen?“
Für ihn war die Auflösung des Ortsverbandes, zumal er zu dieser Zeit gerade in Afrika im Urlaub war und keinen Einfluss auf die Entscheidung nehmen konnte, ein „eiskalter Putsch“. Für ihn als Gründungsmitglied der PDS in Ingolstadt ein Schlag ins Gesicht. Und Ulrike Hodek meint: „ Wir sind nach dieser Entscheidung von der Basis abgekoppelt und arbeiten sozusagen im luftleeren Raum.“
Dass die beiden nun den Weg als parteilose Stadträte weitergehen, das ist für sie nicht vorstellbar. „Wir werden auf jeden Fall weitere für die Linke kämpfen“, so Siebicke, „ob umgekehrt der Kreisverband auch für uns Stadträte kämpft, das kann ich nicht beurteilen.“
Wie soll es nun weitergehen? Unabhängig davon, wie die Landesschiedsstelle entscheidet – es gäbe auch noch den Weg zur Bundesschiedsstelle – bleibt das Tischtuch zwischen dem Kreisverband und der ehemaligen Ingolstädter Ortsgruppe samt der beiden Stadträte nachhaltig zerschnitten. Zwar ist der bisherige Vorsitzende des Kreisverbandes, Roland Keller, aus dem Vorstand ausgeschieden und überließ Liliana La Perna alleine das Ruder. Eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht Siebicke dennoch nicht.
Sein Weg und der von Ulrike Hodek scheint vorgezeichnet. Unabhängig vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens bei der Landesschiedsstelle. „Auch wenn wir Recht bekommen, macht das die Situation nicht wirklich besser“, so Siebicke, der die Lösung des Problems eigentlich nur in der Gründung eines eigenen Ingolstädter Kreisverbandes sieht. So wie ihn andere Parteien eben auch haben. „Auf dieser Basis kann man jedenfalls nicht weiter zusammenarbeiten“, meint Siebicke und witzelt: „Wer weiß was passiert, wenn ich das nächste Mal in Urlaub fahre.“ Man müsse sich ja nicht im Bösen trennen. Aber eines scheint Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke sicher: Man muss sich trennen. Und aus dem ehemaligen Stadtverband Ingolstadt einen eigenen Kreisverband machen.
Leserbrief zum Thema: Das Maß ist voll