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Heute begann am Landgericht Ingolstadt der Prozess gegen Peter F., der im September 2013 den Kickboxer Mario Wrede um sein Leben brachte – Ob der nun aber an der Schussverletzung oder den späteren Schlägen mit der Waffe gestorben ist, das ließ sich nie klären

(ty) Es ist wohl eher selten der Fall, dass der erste Verhandlungstag  eines Verfahrens wegen versuchten Totschlags nach zehn Minuten bereits beendet ist. Genau den wirft die Anklage dem 47-jährigen Peter F. vor. Für ihn, der beschuldigt wird, am 3. September 2013 in der Streiterstraße in Ingolstadt den Kickboxer Mario Wrede –  teilweise in Notwehr – getötet zu haben, ging es heute nach wenigen Minuten zurück in die Untersuchungshaft. Nachdem weder die psychologischen Gutachter noch der Rechtsmediziner am heutigen Verhandlungstag Zeit hatten, verzichtete Richter Jochen Bösl auch auf die Aussage des Angeklagten, der inzwischen seinen Verteidiger gewechselt hat. Statt von Klaus Wittmann wird er nun vom Jörg Gragert vertreten.

Nachdem Peter F. im September 2013 verhaftet worden war, dieser Haftbefehl aber bereits Ende des gleichen Monats außer Kraft gesetzt worden war, sitzt er nun seit 15. April dieses Jahres erneut in Untersuchungshaft in der JVA in Neuburg.

Der 47-jährige in Kasachstan geborene Angeklagte ist ein extrem schmächtiger Mann. Was wohl vor allem deswegen ins Auge sticht, weil sein Opfer Mario Wrede ein wahrer Muskelberg war. Aber es war ja auch nicht die körperliche Überlegenheit, die Peter F. an jenem Septembertag im Jahr 2013 als Sieger aus der Auseinandersetzung mit Wrede hervorgehen ließ.

Wegen zivilrechtlicher Streitigkeiten um die Übernahme eines Fitness-Studios hatten sich die beiden damals in der Streiterstraße verabredet. Aus einem verbalen Streit wurde jedoch schnell ein handfester. „Als der Angeschuldigte sich anschickte, das Grundstück wieder zu verlassen, ohne dass eine Einigung erzielt worden wäre, wurde der Geschädigte aggressiv und beschimpfte den Angeschuldigten. Als dieser sich auch dadurch nicht umstimmen ließ, schrie ihm der Geschädigte nach, dass er auf seine Kinder aufpassen solle“, so verlas heute Staatsanwalt Jürgen Staudt aus der Anklageschrift, „als sich der Angeschuldigte daraufhin umdrehte, nahm er eine Pistole in den Händen des Geschädigten wahr, welche dieser auf den Hals- beziehungsweise Brustbereich des Angeschuldigten im Abstand von nur einer Armlänge gerichtet hatte.“

Daraufhin habe der Angeklagte Peter F. versucht, Mario Wrede die Waffe aus der Hand zu drehen. Dabei löste sich dann der fatale Schuss, der Wrede mitten in die Brust traf, die Lunge und den oberen Herzbeutel durchbohrte und die Lungenschlagader zerfetzte. Trotz der schweren Verletzungen schleppte sich Mario Wrede noch auf die Streiterstraße, wo der tödlich Getroffene dann auf dem Gehweg zusammenbrach, aber eben noch am Leben war.

Bis hierher wertet die Staatsanwaltschaft den Vorfall als Notwehr. Aber das war noch nicht das Ende der Auseinadersetzung. Denn als Peter F. den sterbenden Mario Wrede so liegen sah, rannte er – so die Anklageschrift – zurück auf das Grundstück und holte die dort fallen gelassene Pistole „Anschließend ging er zurück zum noch atmenden Geschädigten, der schwerst verletzt und wehrlos auf dem Gehweg der Streiterstraße lag, und schlug dort sowohl mit der linken Faust, als auch mit der in der rechten Hand gehaltenen Pistole über einen längeren Zeitraum mit massiver Gewalt auf den Gesichts- und Oberkörperbereich des Geschädigten ein“, heißt es in der Anklage, „der Geschädigte besaß zu diesem Zeitpunkt noch eine Kreislauffunktion und war erkennbar am Leben, was auch der Angeschuldigte aufgrund der noch vorhandenen Vitalzeichen und geäußerten Schmerzenslaute des Geschädigten erkannte.“

Durch die massiven Schläge erlitt der Geschädigte schwere Verletzungen in der Gesichtsregion mit Schwerpunkt in der Augenpartie, die zu ausgedehnten Mittelgesichtsfrakturen und Frakturen der Schädelbasis geführt haben. Gegen 8.20 Uhr war Mario Wrede an jenem Tag auf dem Gehsteig seinen Verletzungen erlegen.

Nur welchen? Das scheint doch nicht so ganz klar zu sein. Denn sowohl die Schussverletzung als auch die späteren Verletzungen im Kopfbereich waren – so der Staatsanwalt – geeignet, den Tod herbeizuführen. „Letztlich konnte nicht mehr geklärt werden, an welchen Verletzungen der Geschädigte tatsächlich verstorben ist“, sagt die Anklageschrift. Und auch, dass die vorausgegangene Schussabgabe zwar als Notwehr behandelt wird. Aber nur, weil diese Behauptung „nicht widerlegbar“ sei.

Mario Wrede ist also in der Tat sozusagen zweimal gestorben. Denn an den Schussverletzungen wäre er sicher gestorben und an den Schlagverletzungen auch. Da es jedoch nicht zweifelsfrei zu klären war, was nun zuerst den Tod des Kickboxers verursacht hatte, bliebt es „nur“ bei einer Anklage wegen versuchten Totschlags, denn Peter F.  habe „durch die massive Einwirkung mit stumpfer Gewalt auf den Schädel des Geschädigten bei noch erkennbaren Vitalfunktionen den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen“.

Peter F. muss sich deswegen also wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten. Eine Anklage wegen Mordes blieb ihm ob des kuriosen Tathergangs erspart.

Die Verhandlung wird am 8. Oktober mit der Aussage des Angeklagten fortgesetzt.

 


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