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Vier Wasserwachtler aus dem Kreis Pfaffenhofen betreuten und behandelten 260 Flüchtlinge in einem Sonderzug von Passau nach Düsseldorf

(ty) Seit über einem Jahr kommen jeden Tag zum Teil Tausende Menschen nach Deutschland, um hier Schutz vor Krieg, Not und Verfolgung zu suchen. Diese enorme Menge an Flüchtlingen stellt das Land und seine Menschen vor Herausforderungen und Fragen. Eine davon können vier Wasserwacht-Mitglieder aus dem Kreis Pfaffenhofen nun eindeutig beantworten: Wie soll man mit diesen Menschen umgehen? 

Um die großen Belastungen der Grenzstädte Passau und Freilassing abzumildern, fahren von dort aus täglich mehrere Sonderzüge in Richtung Norden, um die neu angekommenen Flüchtlinge in anderen Städten aufzunehmen und zu registrieren. Die Kreiswasserwachten und BRK-Kreisverbände senden für diese Züge Trupps aus, um die medizinische Versorgung an Bord sicherzustellen. Am Dienstag stellte die Kreiswasserwacht Pfaffenhofen eine Abordnung von vier Helfern aus den Ortsgruppen Manching, Pfaffenhofen, Reichertshofen und Wolnzach, um einen dieser Sonderzüge von Passau nach Düsseldorf zu begleiten. 

Um rechtzeitig in Passau sein und sich einrichten zu können, ging es schon um kurz nach 4 Uhr früh los. Am Hauptbahnhof in Passau wartete bereits der Sonderzug: „Ein ausrangierter Fernzug der Centralbahn mit Schlafwaggons für die Flüchtlinge und einem ehemaligen Partywagen als Behandlungsraum“, wie berichtet wird. In diesem seien notdürftig zwei Matratzen als Behandlungsbetten sowie ein Biertisch als Schreitisch eingerichtet gewesen – in diesen Zeiten müsse man improvisieren, „das sollte sich im Verlauf des Tages noch des Öfteren zeigen“. 

Kurz nach 8 Uhr kamen dann die Busse mit den Flüchtlingen, die noch in der Nacht unterwegs waren und nun von Österreich nach Passau gebracht wurden. „Vor Ort konnte niemand sagen, wie viele es werden sollten.“ Während die Flüchtlinge in den Zug stiegen, habe es ein kurzes „Screening“ im Vorübergehen gegeben; ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Schwangeren und Kindern sowie auf krank oder schwach wirkenden Personen. Fünf Busse mit über 260 Personen seien gekommen – größtenteils komplette Familien mit insgesamt 54 Kindern. „Vom Säugling bis zum Greis waren alle Altersschichten vertreten.“

Bereits kurz nach der Abfahrt um 8.40 Uhr seien die ersten Menschen in den Behandlungswaggon gekommen: „Fieber, Husten und Halsschmerzen sollten uns den ganzen Tag begleiten. Einzelfälle blieben ein offener Knöchel und die Folgeschäden einer Schlägerei.“ Als größte Probleme erwiesen sich nach dem Bericht der Helfer die Sprach- und Verständigungsprobleme sowie die Tatsache, dass nur eine sehr kleine Anzahl an Medikamenten ohne Arzt ausgegeben werden darf. „Ebenso waren ständig Menschen da, die nicht-medizinische Probleme oder Fragen hatten, schließlich gab es außer zwei Bahnmitarbeitern und den vier Wasserwachtlern keinerlei Personal an Bord.“ Doch die Wünsche nach heißem Wasser für Tee und Kaffee oder nach einer Steckdose zum Aufladen der Handys mussten wegen fehlender Möglichkeiten alle verneint werden, heißt es weiter. 

„Nach kurzer Zeit konnten die bereitgestellten Versorgungspakete in die Abteile ausgeteilt werden. Wasser, Säfte sowie ein Schokoriegel und ein Käsebaguette waren für viele die erste Nahrung seit vielen Stunden“, berichten die Helfer. Ebenso seien für die vielen Kleinkinder und Babys Breigläschen und Milchpulver verteilt worden. „Hier zeigte sich zum ersten Mal die Dankbarkeit der Menschen und die ersten Kinder konnten wieder lachen.“ Diese Entwicklung sollte sich aber noch steigern: Beim späteren Austeilen von zusätzlichem Wasser und Baguettes habe die Helfer in jedem Abteil ein strahlendes „Thank you“ oder ein glücklich winkendes Kind erwartet. 

„Man ,kannte’ sich nach dem sechsten Mal Durchgehen. Ein freundliches und ernst gemeintes Lächeln, ein Hello und Winken waren die ständigen Begleiter, auch wenn nicht alle Fragen, die gestellt wurden, beantwortet werden konnten.“ Aber: „Wenigstens konnte oftmals den Menschen die Angst genommen sowie ein Stückchen Sicherheit zurückgegeben werden – manche wussten noch nicht einmal, dass sie in Deutschland sind, andere dachten, Düsseldorf wäre ein fremdes Land.“ 

Englisch-Kenntnisse seien beiderseits absolut notwendig, erzählen die Helfer. Selbst mit dem „Ohne-Wörter-Buch“ konnten die meisten Krankheitsbilder nicht klar gemacht werden, wird berichtet. Glücklicherweise habe sich jedoch immer innerhalb kurzer Zeit ein Übersetzer gefunden, sodass die Kommunikation zumindest einigermaßen reibungslos gelaufen sei. 

„Je länger die Fahrt dauerte, desto öfter wurden wir auf Personen aufmerksam gemacht, die mit Fieber zu kämpfen hatten und teilweise nicht mehr aus eigener Kraft in den Behandlungswaggon kommen konnten“, erzählen die Helfer. „Einmal war fast eine ganze Familie betroffen, ein anderes Mal wurde ein kleines Mädchen erfolgreich behandelt: Im Abteil der Familie lag es mit glasigem, teilnahmslosem Blick und hohem Fieber in den Armen der Mutter.“ Da keine regulären Fiebertabletten für Kinder vorhanden gewesen seien, habe man kurzerhand mit einem Hausmittel improvisiert: Aus einer in Streifen geschnittenen Decke seien mit dem an Bord vorhandenen Wasser Wadenwickel gezaubert worden, mit denen das Kind innerhalb einer Viertelstunde erfolgreich behandelt werden konnte. „Es war ein herrliches Bild, wie das Kind lachend und glücklich auf dem Arm des Vaters das Abteil wieder verlassen konnte“, schildern die Wasserwachtler.

Um 16.25 Uhr traf der Zug planmäßig am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen ein. Hier seien die Flüchtlinge von freiwilligen Helfern empfangen und weitergeleitet worden, ebenso seien die Bundespolizei und Sanitäter vor Ort gewesen, um für alles gerüstet zu sein. Für die Flüchtlinge gehe die Reise nun entweder in eine andere Stadt weiter oder sie blieben vorerst in einer Düsseldorfer Erstaufnahme-Einrichtung.

Die BRK-Helfer aus dem Kreis Pfaffenhofen konnten „erschöpft, aber glücklich“ ihre Rückreise nach Bayern antreten. Nach insgesamt über 20 Stunden auf Achse und fast 1500 zurückgelegten Kilometern gab es jedoch eine einhellige Meinung: „Es war für alle eine beeindruckende und sehr positive Erfahrung. Aus der grauen Masse wurden Menschen mit Gesichtern und die glücklichen Kinderaugen machten alle Strapazen wett.“ Der Grundsatz des Roten Kreuzes habe hier voll und ganz gelebt werden können. In sechs Wochen wird die Kreiswasserwacht Pfaffenhofen nach eigenen Angaben erneut einen Zug begleiten.


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