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Justizminister Winfried Bausback sprach beim Neujahrs-Empfang der Pfaffenhofener Kreis-CSU über die Flüchtlingskrise: Heute soll das bayerische Kabinett einen Brief an den Bund beschließen – wenn keine angemessene Reaktion erfolgt, will der Freistaat vors Bundesverfassungsgericht ziehen

Von Tobias Zell 

Alles, was Rang und Namen hat, war am Montagabend zum traditionellen Neujahrsempfang der Kreis-CSU ins Pfaffenhofener Sparkassen-Casino gekommen. Das erste „politische Event“ des Jahres im Landkreis, wie der Vize-Vorsitzende Ludwig Wayand befand. Er, zugleich Bürgermeister von Baar-Ebenhausen, übernahm die Begrüßung und Moderation für den Landtagsabgeordneten und CSU-Kreischef Karl Straub, dessen Schwester gestern gestorben ist. Straub, der dennoch gekommen war, erfuhr große Anteilnahme und bedankte sich später dafür. 

Die beiden Reden des Abends hielten Landrat Martin Wolf (CSU) und – als Ehrengast – der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU). Beide widmeten einen entscheidenden Teil ihrer Ausführungen der Flüchtlingskrise. Bausback erklärte, das bayerische Kabinett wolle am heutigen Dienstag einen Brief an den Bund beschließen, in dem die Sicherung der Grenzen sowie die Begrenzung der Migration gefordert werde – und wenn auf dieses Schreiben „keine angemessene Reaktion“ erfolge, dann werde Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

 

Minister Bausback, Landrat Wolf und CSU-Kreisvize Ludwig Wayand im Gespräch mit den Königinnen.

Die Liste der Gäste reichte von den beiden Landrats-Stellvertretern Anton Westner (CSU) und Josef Finkenzeller (FW) über zahlreiche Bürgermeister um deren Landkreis-Sprecher Manfred Russer (CSU) aus Hohenwart bis hin zu Ilmtalklinik-Geschäftsführer Marcel John. Vertreter von Polizei, Feuerwehr und BRK waren ebenso gekommen, wie Schulleiter, Vertreter aus Wirtschaft und Handel, von Banken und aus der Landwirtschaft. Mehrere Fest- und Produktköniginnen waren da – und natürlich jede Menge Mitglieder von CSU, JU und Frauen-Union. Allerdings waren es insgesamt doch deutlich weniger Gäste als noch in den Vorjahren. 

Landrat Wolf brachte „sozusagen als Einführung“, wie er sagte, „ein paar Gedanken zu unserem Landkreis“ zu Gehör. Wie sich die einst landwirtschaftliche geprägte Region zum Dienstleistungs- und Wirtschafts-Standort entwickelt habe. Dass dennoch sämtliche wichtigen Landwirtschafts-Sparten weiterhin vertreten seien. Dass Pfaffenhofen europaweit der Landkreis mit den meisten Hopfenanbau-Betrieben sei und dass man „Schrittmacher auf diesem Sektor“ sei.

 

Landrat Martin Wolf sprach über die Situation im Landkreis – wirtschaftlich und bezüglich des Flüchtlings-Zustroms.

Er erinnerte an das große Ranking, das den Landkreis im vergangenen Jahr bundesweit auf Rang eins sah, betonte aber auch: „Immer Nummer eins ist nicht gut“, denn dann überhitze vieles, „dann wächst du dich in den Kollaps“. Wolf sieht jedenfalls „hervorragende Voraussetzungen, unser Leben, unseren Landkreis zu gestalten“. Das sei auch ein Verdienst der „tüchtigen Bürgermeister“ und seiner Vorgänger. Man habe „immer auf Branchen-Vielfalt gesetzt“ und sei „krisenfest“. Als Beispiele nannte Wolf den Schuh-Produzenten Lowa, den Babynahrung-Hersteller Hipp, das Pharma-Unternehmen Daiichi-Sankyo sowie „Airbus Defense and Space“ und die Automobil-Zulieferer. 

Wolf stellte die „Ansiedlungsfreundlichkeit“ des Landkreises heraus und unterstrich, dass man für die Wirtschaft und die Menschen eine hervorragende Infrastruktur benötige. „Besonders anstrengen“ wolle man sich hier in den nächsten Jahren – bezüglich der Straßen um Ingolstadt, zum Ausbau des ÖPNV sowie zur Aufwertung der neun Bahnhöfe.

 

Hohenwarts Rathauschef Manfred Russer (CSU, rechts), der Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, im Gespräch mit Johannes Hofner, dem Chef des Kommunalunternehmens für Strukturentwicklung im Landkreis (KUS).

Im Landkreis herrsche praktisch Vollbeschäftigung, so Wolf weiter. „Natürlich kann nicht jeder seinen Wunschberuf bekommen, aber viel fehlt nicht.“ Es gebe nach wie vor große Gründer-Aktivitäten. Und der Landkreis habe ein „soziales Gesicht“, sagte er mit Blick auf das ehrenamtliche Engagement sowie die angestoßenen Initiativen wie etwa den „familienaktiven Landkreis“. Mit all dem mache der Kreis auf sich aufmerksam, was allerdings die Flächenknappheit befördere und den Siedlungsdruck erhöhe. 

Seine Ausführungen zur Flüchtlings-Situation im Landkreis fasste Wolf in fünf Sätze zusammen. Erstens: „Die Flüchtlinge sind da, also müssen wir für ein Dach über dem Kopf sorgen.“ Zweitens: Bei den aktuellen Zugangszahlen ist keine flächendeckende Integrationsarbeit und Sprachbildung mehr möglich; wir arbeiten alle im Notfall-Modus.“ Drittens: „Die Frage der Sicherheit hat oberste Priorität – die Polizei leistet hervorragende Arbeit, wir arbeiten eng mit ihr zusammen.“ Viertens: „Landesregierung und Bundesregierung ringen intensiv um eine Absenkung der Zugangszahlen – sie wissen, dass sie nicht Monate, sondern nur mehr Wochen Zeit haben.“ Fünftens: „Trotz angespannter Situation ist kein Platz für rechte Parolen – die Würde des Menschen ist unantastbar, es gibt keine Unterscheidung in wertvolle und weniger wertvolle Menschen.“

 

Minister Bausback legte sein Manuskript gleich beiseite und hielt seine Rede frei.

Angesichts der Ausführungen von Wolf über den prosperierenden Landkreis sprach Ehrengast Bausback von der „Vorstufe zum Paradies“. Deutschland wolle dahin, wo Bayern schon sei – und Bayern dorthin, wo Pfaffenhofen schon ist. Sein Manuskript legte der bayerische Justizminister direkt zur Seite, er hielt seine Rede frei. Nach anerkennenden Worten für die Kommunalpolitik im Allgemeinen, die unmittelbar an den Bürgern sei, kam er zum Hauptthema. Der Flüchtlingskrise – und er spreche hier bewusst von einer Krise, stellte er gleich klar. 

Bayern sei „das Land der gelingenden Integration“, sagte Bausback und verwies im Gegensatz dazu nach Berlin, wo sich seinen Worten zufolge „Parallelwelten“ andeuten und es Bereiche gibt, in die der Staat nicht mehr hineinwirkt. Nach bayerischem Verständnis bedeute Integration „fördern und fordern“. Der Freistaat habe zusätzliche Gelder in den Haushalt eingestellt, um Integration möglich zu machen und die Menschen in die Gesellschaft zu holen.

Alles, was Rang und Namen hat, war gekommen – in den Vorjahren allerdings waren mehr Leute da.

Integration sei aber sowohl finanziell als auch bezüglich der Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft eine Frage der Anzahl der Personen. Deshalb sei eine Begrenzung der Zuwanderung notwendig, bekräftigte Bausback. Im Ziel sei man sich hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einig, jedoch uneins über den Weg. Natürlich wolle man eine europäische, internationale Lösung – doch dass die schnell gelinge, sei „nicht besonders plausibel“. Bausback bezeichnete es als „existenzielle Frage für eine Staatlichkeit“, ob eine Begrenzung der Zuwanderung gelinge. 

Er verwies auf ein Gutachten von Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht. Es gebe demnach keine rechtliche Verpflichtung, Bürgerkriegs-Flüchtlinge in unbegrenzter Zahl aufzunehmen. Der Bund sei für Fragen der Grenzkontrolle, -sicherung und Zuwanderungskontrolle zuständig und verantwortlich – eine Übertragung, etwa an die EU sei möglich. Allerdings erfülle die EU diese Aufgabe im Moment nicht; somit sei wieder der Bund zuständig – und der Bund müsse diese Aufgabe wahrnehmen. Auf die Expertise von Di Fabio beruft sich die bayerische Regierung bekanntlich unter anderem, wenn sie nun erst macht.

Bausback kündigte einen Brief des bayerischen Kabinetts an den Bund an – und als nächsten Schritt möglicherweise eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Am heutigen Dienstag wird das bayerische Kabinett nach den Worten von Bausback einen Brief an den Bund beschließen – mit der Forderung nach der Sicherung der Grenzen sowie der Begrenzung der Zuwanderung. Wenn „keine angemessene Reaktion“ seitens des Bundes erfolge, dann werde Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Allein die Klage wäre ein „erheblicher Vorgang“, sagt Bausback, der an sich schon die Situation verändern würde. Außerdem glaube man, gute Argumente zu haben. 

Im vergangenen Jahr seien 15 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bayern angekommen, so Bausback. Er erläuterte, welch enorme Arbeit das für die Behörden bedeutet habe und dass die Justiz „vollkommen überlastet“ sei. Außerdem erklärte er, dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling den Staat jährlich 50 000 bis 70 000 Euro koste. Das stehe in keinem Verhältnis zu dem, was man mit diesem Geld in einem Flüchtlingslager, zum Beispiel im Libanon, ausrichten könnte. Außerdem befand Bausback: „Ein Kind allein auf die Reise zu schicken, ist etwas Inhumanes“, wenngleich es aus Not und Verzweiflung geschehe. 

Sparkassen-Vorstandschef Norbert Lienhardt (Mitte) und sein Vorstandskollege Stefan Maier (links) im Gespräch mit Hubert Ruisinger, dem Leiter der Pfaffenhofener Berufsschule sowie der Beruflichen Oberschulen in Scheyern. 

CSU-Kreischef Straub trat nach der Rede des Ministers dann doch noch kurz ans Rednerpult. Er bedankte sich für die erfahrene Anteilnahme nach dem Trauerfall in der Familie. Und er lobte Bausback dafür, wie er das Flüchtlings-Thema sachlich erklärt und auf den Punkt gebracht habe. Damit war der offizielle Teil, der von der Gruppe „Music of Peace“ hörenswert umrahmt wurde, beendet und die Gäste wandten sich einem meterlangen Büfett sowie persönlichen Gesprächen zu.

CSU-Kreischef und Landtagsabgeordneter Karl Straub (links), Landrat Martin Wolf (rechts) und Minister Bausback mit den Königinnen.


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