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Bei der DGB-Kundgebung in Pfaffenhofen standen heute nicht markige Sprüche, sondern nachdenkliche Töne und klare Appelle im Vordergrund 

(zel) Es waren weniger markige Sprüche, sondern vielmehr nachdenkliche, wenngleich dennoch deutliche Töne, die heute Vormittag bei der Kundgebung zum 1. Mai in Pfaffenhofen von den Rednern angeschlagen wurden. Rund 50 Zuhörer waren der Einladung des DGB-Kreisverbands gefolgt. Die Entscheidung, dass man die Veranstaltung nicht auf dem Sparkassen-Platz, sondern im Rathaus-Festsaal abhält, sei anhand der Wetterprognose bereits am Freitag gefallen, erklärte Roland Dörfler, DGB-Kreischef und Pfaffenhofener Vize-Bürgermeister.

Der Grünen-Politiker war es auch, der die von der Stadtkapelle umrahmte Veranstaltung eröffnete und zum großen Thema „Zeit für mehr Solidarität“ hinführte. Zuvor aber begrüßte er die Polit-Prominenz, die sich in überschaubarer Zahl eingefunden hatte: Bürgermeister Thomas Herker (SPD), Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) sowie die Stadträte Markus Käser, Adi Lohwasser (beide SPD) und Max Hechinger (FW).

 

Die Stadtkapelle umrahmte auch heuer wieder die DGB-Kundgebung in Pfaffenhofen.

Dörfler rückte in seinen Ausführungen zum Leit-Thema Solidarität die Flüchtlingskrise und ihren Umgang damit in den Fokus. Man müsse die unterschiedlichen Standpunkte hören, mahnte er, doch die demokratische Grundordnung dürfe man nicht aus den Augen verlieren. Angriffe auf Flüchtlings-Unterkünfte verurteilte Dörfler scharf. Er verwies auf die gestiegenen Zahlen solcher Taten und appellierte: Hier dürfe man nicht wegschauen, sondern müsse sich dem entgegenstellen. 

„Wir müssen öffentlich gegen Rassismus stehen“, sagte Dörfler, sprach von einer „braunen Brut“ und wandte sich gegen ein „gezieltes Aufwiegeln von Rechts“ sowie gegen jede Hetze. Die Gewerkschaften engagierten sich mit einem breiten Bündnis gegen Recht, so Dörfler, und Pfaffenhofen sei eine „bunte Stadt“. Er verwies auf Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) und zitierte Artikel 2: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

 

Roland Dörfler, DGB-Kreischef und Pfaffenhofener Vize-Bürgermeister.

Dörflers klare Ansage: Wenn jemand gegen die Grundrechte „anstinken“ wolle, dürfe man das nicht zulassen. „Rechtspopulismus, Nationalsozialismus und Rechtsextremismus dürfen in Deutschland keinen Platz haben.“ Von diesem Postulat dürfe man keinen Fuß breit abweichen, sagte er. Und man dürfe es auch nicht zulassen, dass Flüchtlinge und sozial Schwache gegeneinander ausgespielt werden. 

Bürgermeister Herker sprach sich in seinem kurzen Grußwort bei der DGB-Kundgebung für die im Raum stehende Tarif-Erhöhung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst aus – obwohl sie auch seine Kommune viel Geld kosten wird. Das Leit-Thema Solidarität betrachtete Herker aus europäischem Blickwinkel. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass man in der EU bald wieder wisse, wo man gemeinsam hinwolle – das sei derzeit nämlich nicht der Fall. Bei der Aufgabe, Antworten zu finden, zähle er auch auf die Gewerkschaften, sagte Herker und warnte zugleich vor billigen Kompromissen.

 

Bürgermeister Thomas Herker.

Hauptredner war Christian Daiker von der IG-Metall-Verwaltungsstelle Ingolstadt. Er pries die Einführung des Mindestlohns als einen der größten Erfolge der Gewerkschaften. Deutschland sei hier eines der letzten Länder gewesen, erinnerte er – und betonte, es sei „eine Schande“, dass eine solche Regelung überhaupt nötig sei. Den geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bezeichnete er als „unterste Grenze des Anstands“. Das sei eigentlich immer noch zu wenig und „leider Ausdruck der bestehenden Machtverhältnisse“. Außerdem wolle man den Missbrauch von Leiharbeit und Werksverträgen beenden. Als Beispiel führte er eine nicht namentlich genannte Ingolstädter Firma an, in der seinen Worten zufolge unter den 1000 Beschäftigten rund 800 Leiharbeiter sind. Das sei „nicht anständig“, schimpfte Daiker und sprach von „Ausbeutung.“

"Keine Ahnung und kein Respekt" 

Den Forderungen der Jungen Union zur Erhöhung des Rentenalters erteilte Daiker eine klare Absage. Wer so etwas verlange, habe „keine Ahnung“ und „keinen Respekt vor der Arbeitsleistung älterer Kollegen“. Mit ihren Äußerungen habe sich die JU „deklassiert“. In der Praxis bedeutet nach Einschätzung von Daiker eine Erhöhung des Rentenalters nämlich für viele, dass sie mit Abschlägen in Rente gehen müssen, weil sie nicht länger arbeiten können.

Die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Bayern habe sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, sagte Daiker und kritisierte die ungleiche Wohlstands-Verteilung. Er stellte diesbezüglich gar die rhetorische Frage, ob es nicht einst im Mittelalter sogar gerechter zugegangen sei. Mit Blick auf die „Panama-Papers“ kritisierte er, dass dem Staat durch Steuer-Schlupflöcher wie Briefkasten-Firmen Milliarden entgingen. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, stellte er klar, sondern Betrug am Staat und an den Mitbürgern.

 

Rund 50 Leute waren zur DGB-Kundgebung in Pfaffenhofen gekommen.

Die Bewältigung der Flüchtlingskrise hat für Daiker historische Dimensionen. Er sprach von der „Herausforderung unserer Generationen“, der es gerecht zu werden gelte. Dieser Verantwortung müsse man sich stellen. „Wir sind die Gesellschaft und nicht die braunen Hetzer“, sagte er, unterstrich ebenfalls die Würde des Menschen und verurteilte Hetze sowie Gewalt.

Europa sei in einer „Schieflage“, so Daiker weiter. Die wirtschaftliche Entwicklung der Länder drifte immer mehr auseinander, sagte er mit Blick auf EU-weit 21 Millionen Menschen ohne Job und eine Jugendarbeitslosigkeit, die in einigen Ländern bei 50 Prozent liegt. Vieles, was man aktuell beklagt, ist nach Meinung von Daiker „dem haushaltspolitischen Fetisch der schwarzen Null zu verdanken“. Er attestierte den Verantwortlichen eine „falsche Krisenpolitik“, die gemeinsame Werte zerstöre und das Fundament Europas gefährde.  Die Gewerkschaften kämpfen für ein soziales Europa, versicherte er. Man müsse den Mut haben, in der EU soziale Themen zu forcieren.

Kritik an Sparkurs, Sorge wegen TTIP 

Aber auch in Deutschland läuft seiner Ansicht nach nicht alles gut. Die Spar-Philosophie habe zu Investitions-Staus in den Kommunen geführt. Daiker warb für Investitionen in schnelles Internet und Straßen, forderte Personalaufstockungen beim Staat.  Zudem kritisierte er den Einkommenssteuer-Spitzensatz von 42 bzw. 45 Prozent – und zwar vor dem Hintergrund, dass der, der Geld habe, für seine Kapital-Erträge nur 25 Prozent Steuer zahlen muss. „Da lohnt sich Arbeit nicht.“ Außerdem sprach sich Daiker für die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung aus – also dafür, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer denselben Anteil übernehmen. 

Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA missfallen der Gewerkschaft, ließ Daiker wissen. Der Gedanke, dass Konzerne Staaten verklagen könnten, bereite ihm Sorge. Die Entwicklung könnte seiner Einschätzung nach gefährlich werden für Demokratie und Gesellschaft. „Die Gesellschaft sind immer noch wir und nicht ein kleiner Kreis von Vorständen.“


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