Urteil erging diese Woche: Kruzifix im Eingangs-Bereich der staatlichen Bildungsstätte verletzte die Glaubensfreiheit von zwei Schülerinnen. Diese hatten geklagt.
(ty) "Ein Kruzifix im Eingangs-Bereich eines staatlichen Gymnasiums hat die Glaubensfreiheit von zwei Schülerinnen verletzt. Die Weigerung der Schule, das Kruzifix zu Schulzeiten der Klägerinnen zu entfernen, war daher rechtswidrig." Das wurde vom bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) nach einem Urteil bekannt gegeben, das dieser am Dienstag gefällt hatte. Dass es konkret um das Gymnasium in Wolnzach geht, bestätigte das bayerische Kultusministerium auf Nachfrage unserer Redaktion, indem es auf eine dpa-Meldung verwies. In dieser heißt es: "Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte entschieden, dass das Hallertau-Gymnasium in Wolnzach im oberbayerischen Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm das Kreuz im Eingangs-Bereich auf Wunsch zweier Schülerinnen hätte abhängen müssen."
Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (FW) erklärte auf Anfrage, dass man das Urteil zur Kenntnis nehme und sich intensiv mit dessen Begründung auseinandersetze. "Selbstverständlich prüfen wir im konkreten Einzelfall sorgfältig auch alle daraus folgenden Konsequenzen", so Stolz. "Für uns bleibt aber klar: Das Kreuz ist nicht nur ein religiöses Symbol, sondern steht auch für die Achtung von Menschenwürde, Toleranz und Nächstenliebe – Werte, die unser Zusammenleben und unseren Bildungs-Auftrag maßgeblich prägen."
Urteil noch nicht rechtskräftig
Für rechtmäßig erachtete der BayVGH nach eigenem Bekunden hingegen die Anordnung des Schul-Leiters, bei Nicht-Teilnahme an Schul-Gottesdiensten einen Alternativ-Unterricht besuchen zu müssen, der sich unter anderem mit allgemeinen Themen aus dem Fach Ethik befasste. Gegen das Urteil (Aktenzeichen: 7 BV 21.336) kann laut BayVGH innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegt werden.
Die Klägerinnen, die mittlerweile das Gymnasium mit dem Abitur verlassen haben, beantragten laut BayVGH während ihrer Schulzeit die Entfernung eines Holzkreuzes (150 Zentimeter hoch und 50 Zentimeter breit), das mit einer 30 Zentimeter hohen und 25 Zentimeter breiten Darstellung des gekreuzigten Christus (Kruzifix) versehen war. Dieses sei im Haupteingangs-Bereich der Schule an einem Stützpfeiler neben der Haupttreppe angebracht.
Schule kam Begehren nicht nach
Die Klägerinnen wandten sich den Angaben zufolge außerdem gegen den vom Schul-Leiter eingeführten Alternativ-Unterricht, der während der drei Mal im Jahr stattfindenden Schul-Gottesdienste von denjenigen, die daran nicht teilnehmen wollten, verpflichtend zu besuchen war. "Nachdem die Schule ihren Begehren nicht nachkam, klagten die Klägerinnen erfolglos beim Verwaltungsgericht München", erklärt der BayVGH. Dieser stellte jetzt nach eigener Mitteilung fest, "dass die Schule verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen".
Der BayVGH sehe – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen so genanntem Kruzifix-Beschluss – in der Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit. "Die Klägerinnen waren wegen der Schul-Pflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweich-Möglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert", heißt es in einer Presse-Mitteilung des BayVGH zu dem Urteil vom Dienstag.
"An einer sehr exponierten Stelle"
"Das groß dimensionierte Kruzifix war an einer sehr exponierten Stelle angebracht und zeichnete sich durch eine figurenhaften Darstellung des Leichnams Jesu aus", so der BayVGH. Ob die Anbringung eines Kruzifixes durch ein vom bayerischen Landtag verabschiedetes Gesetz hätte legitimiert werden können, ließ der BayVGH nach eigenem Bekunden offen. "Denn für Gymnasien gab (und gibt) es weder eine gesetzliche Regelung für das Anbringen von Kreuzen noch für das Anbringen von Kruzifixen."
Die Pflicht zur Teilnahme an dem besagten Alternativ-Unterricht erachte der bayerischen Verwaltungsgerichtshof hingegen als rechtmäßig. Zwar könne der Besuch von Schul-Gottesdiensten den Schülerinnen und Schülern nicht vorgeschrieben werde. Dies ergebe sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freiwilligkeit des Besuchs, so der BayVGH. Daraus könne jedoch kein Anspruch abgeleitet werden, für die Dauer des Schul-Gottesdienstes vom Unterricht befreit zu werden.
Alternativ-Unterricht zur Gleichbehandlung
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerinnen durch die Pflicht zur Teilnahme am Alternativ-Unterricht zum Besuch des Schul-Gottesdienstes angehalten werden sollten, sah der BayVGH den Angaben zufolge nicht. Durch den Alternativ-Unterricht werde vielmehr eine Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler sichergestellt.