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Welche Konsequenzen das in Ingolstadt ansässige Polizeipräsidium Oberbayern-Nord zieht und warum es 100-prozentige Sicherheit trotz aller Maßnahmen und Konzepte nicht geben kann – Aktuell keine Konkreten Hinweise auf Terror-Taten oder Amokläufe – Sicherheitslage habe sich durch Flüchtlinge nicht verschlechtert – Polizeipräsident räumt aber ein, dass die Einsatzkräfte immer öfter in Asyl-Unterkünften anrücken müssen, weil dort Konflikte zum Teil massiv eskalieren

Von Tobias Zell 

Mit dem Amoklauf von München, der Axt-Attacke von Würzburg, dem Sprengstoff-Anschlag von Ansbach und dem Macheten-Angriff von Reutlingen kommen Terror und Gewalt gefühlt immer näher. Die blutigen Taten, die mehrere Menschenleben und zahlreiche zum Teil schwer Verletzte gefordert haben, bereiten vielen Menschen Ängste und Sorgen und werfen die Frage auf: Wie sicher ist es bei uns in der Region? Und genau das wollten wir vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord mit Sitz in Ingolstadt wissen. 

"Keine konkreten Hinweise auf Terror-Taten oder Amokläufe"

„Uns liegen keine konkreten Hinweise auf geplante Terror-Taten oder Amokläufe vor“, sagt Polizei-Sprecher Günther Beck. Er will aber auch nicht verhehlen, dass es trotz aller Bemühungen der Sicherheitsbehörden 100-prozentige Sicherheit nicht geben könne. Ähnlich hatte sich kürzlich auch Polizeipräsident Walter Kimmelzwinger geäußert. Etwas fatalistisch, wie er es selbst formulierte, führte er aus: Wer zur falschen Zeit am falschen Ort sei, dem könne es überall passieren, dass er Opfer eines psychisch gestörten Straftäters werde.

 

Das Sicherheitsniveau in der Region ist aber aus polizeilicher Sicht nach wie vor hoch. „Statistisch gesehen gibt es sogar einen Rückgang von Straftaten“, sagt Beck und verweist darauf, dass die Zahl im vergangenen Jahr präsidiumsweit um rund 13 000 auf 595 000 gesunken sei. Er will aber zugleich gar nicht in Abrede stellen, „dass die jüngsten Bluttaten „das Sicherheitsgefühl der Menschen beeinträchtigt haben“. 

Grafing, Würzburg, München, Ansbach, Reutlingen

In Grafing stach im Mai ein psychisch verwirrter Mann am Bahnhof wahllos auf Menschen ein, ein Opfer starb. Bei Würzburg attackierte kürzlich ein junger Flüchtling Reisende in einem Zug mit einer Axt: vier Schwerverletzte; der Täter wurde auf der Flucht erschossen. In München erschoss ein 18-jähriger Deutsch-Iraner bei einem Amoklauf neun Menschen, ehe er sich vor den Augen der Polizei selbst tötete. In Reutlingen hat ein 21-jähriger Syrer eine 45-jährige Polin mit einem Döner-Messer umgebracht. Und in Ansbach sprengte sich am Wochenende ein 27-jähriger Syrer vor einem Konzert-Gelände in die Luft; 15 Leute wurden zum Teil schwer verletzt.

 

Der Amoklauf von München hatte sogar Beamte aus dem Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord auf den Plan gerufen. Bekanntlich waren angesichts der zunächst unklaren Lage rund 2300 Polizisten aus dem gesamten Freistaat in der Landeshauptstadt zusammengezogen worden, darunter laut Beck auch 230 aus dem Raum Ingolstadt. 

Einsatz-Konzepte in der Schublade

„Bei solchen Groß-Einsätzen hilft man sich gegenseitig“, sagt Beck und betont, dass für bestimmte Szenarien fertige Einsatz-Konzeptionen in der Schublade liegen. Im Fall München konnte deshalb auch schnell der öffentliche Personennahverkehr eingestellt worden. Nähere Details zu solchen Konzepten kann Beck aber nicht bekanntgeben. „Aus polizeitaktischen Gründen“, wie er betont. „Ich kann jedoch versichern, dass auch das Polizeipräsidium Oberbayern-Nord alles tut, um die Sicherheit in der Region zu gewährleisten.“

 

Viel Lob erhielt die Münchner Polizei für ihre Kommunikations-Strategie im Zusammenhang mit dem tödlichen Amoklauf. So wurden nicht nur die Medienvertreter permanent informiert, sondern auch die gesamte Öffentlichkeit über Social-Media-Kanäle auf dem Laufenden gehalten sowie mit Sicherheits- und Verhaltens-Hinweisen versorgt. Beim Polizeipräsidium Oberbayern-Nord räumt man auf Anfrage unserer Zeitung ein, dass man derzeit noch nicht über entsprechende eigenen Social-Media-Kanäle und -Gruppen verfügt. Im Ernstfall würde man auf die bestehenden Kanäle zurückgreifen, so Beck. Allerdings sei ein Social-Media-Team bereits im Aufbau; einen konkreten Termin für den Start des 2.0-Engagements kann er aber noch nicht nennen. 

Welche Konsequenzen wurden gezogen?

Welche Konsequenzen hat das für die Region zuständige Polizeipräsidium Oberbayern-Nord aus den jüngsten Bluttaten gezogen? „Es herrscht hohe Polizeipräsenz, die für die Öffentlichkeit nicht immer sichtbar ist“, sagt Beck. Zudem gebe es – nicht nur im Rahmen von Veranstaltungen – ständige Besprechungen zwischen Polizei, Kommunen sowie weiteren Behörden und den Veranstaltern.  Ferner versichert Beck, dass so genannte Trittbrettfahrer, die zum Beispiel versuchen, über soziale Netzwerke für Angst und Verunsicherung zu sorgen, konsequent strafrechtlich verfolgt werden.

 

Polizeipräsident Walter Kimmelzwinger.

Der Zustrom von Asylbewerbern hat die Kriminalitätslage – entgegen mancher Vorurteile – „nicht wesentlich, eigentlich gar nicht beeinflusst“, stellte Polizeipräsident Walter Kimmelzwinger kürzlich in einem Grußwort anlässlich des Führungswechsels bei Inspektion Pfaffenhofen klar. Er räumte aber ein, dass die Flüchtlinge für eine „deutliche Einsatz-Mehrbelastung“ sorgen. Nicht nur die Anzahl der Einsätze in Asyl-Unterkünften nehme zu, auch deren „Qualität“ verändere sich. Die Bandbreite reicht dabei von Streitschlichtungen bis zu Einsätzen wegen eines Tötungsdelikts. Kimmelzwinger erinnerte bei dem Termin in Pfaffenhofen an einen Fall aus dem vergangenen Jahr in einer hiesigen Unterkunft, wo – wie berichtet – ein 14-jähriger Flüchtlingsbub von mehreren jungen Landsmännern gemeinschaftlich vergewaltigt worden war. 

"Konflikte, die in Einzelfällen massiv eskalieren"

Er befürchte, so Kimmelzwinger weiter, dass die Zahl der Einsätze in Asyl-Unterkünften nicht geringer werde. Als Gründe nannte er unter anderem die Unterbringung der Flüchtlinge auf engstem Raum und die daraus resultierende geringe Privatsphäre. Da komme es zu Interessenskonflikten und Streitigkeiten. „Konflikte, die in Einzelfällen massiv eskalieren“, so der Polizeipräsident. Er verwies auf eine Reihe von blutigen Attacken unter Asylbewerbern, die sich in jüngster Vergangenheit in der Region zugetragen haben. Wir berichteten über diese Fälle:

Beinahe abgestochen

Versuchtes Tötungsdelikt am Karlsfelder See

Messer-Attacke: 25-Jähriger schwer verletzt

Prügelei unter Flüchtlingen 

Trotz der steigenden Zahl von Polizei-Einsätzen in Flüchtlings-Unterkünften betonte Kimmelzwinger aber, dass die Bürger nicht Angst haben müssten, „dass die objektive Sicherheit schlechter wird“. Die Sicherheitslage im Zuständigkeitsbereich bezeichnete er als weiterhin gut. 

Allerdings ließ der Polizeipräsident auch wissen, dass mehrere Dienststellen  unterbesetzt sind. So hat seinen Worten zufolge zum Beispiel die Inspektion Pfaffenhofen nach wie vor 20 Prozent weniger Personal als ihr zustehen würde – und dieses Schicksal teile sie mit anderen Dienststellen. Das könnte sich allerdings nun ändern, wie aus aktuellen Verlautbarungen der bayerischen Regierung hervorgeht.

 

Darauf hofft man auch in Ingolstadt. „Die Ankündigung des Ministerpräsidenten, dass es eine signifikante Personalaufstockung der bayerischen Polizei geben werde, habe ich mit großem Interesse verfolgt“, sagte der Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) in einer ersten Reaktion. „Darüber sind wir froh, denn wir wünschen uns auch für die Ingolstädter Inspektion eine personelle Verstärkung und haben nun begründete Hoffnung auf Erhöhung der Sollstärken vor Ort.“ 

Bereits im Juni hatte Lösel nach eigenen Worten ausführlich mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) über die Personalsituation der Ingolstädter Polizei gesprochen – und seine Bitte nach Erhöhung der Sollstärke auch zu Beginn der Woche in einem Brief erneuert. Denn: „Neben der wertvollen inhaltlichen Arbeit trägt eine verstärkte Polizei-Präsenz in der Öffentlichkeit positiv zum Sicherheitsgefühl bei“, so Lösel. 


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